Try to remember the kind of September
When life was slow and oh, so mellow.
Try to remember the kind of September
When grass was green and grain was yellow.
Try to remember the kind of September
When you were a tender and callow fellow.
Try to remember, and if you remember, Then follow.
(aus “Try To Remember”
von Harry Belafonte)
Manchmal im Leben sind die Wolken derart dunkel, dass man meint, es würde nie wieder die Sonne scheinen. Die Trauer legt sich über alles, der Verlust erstickt jedes Lachen und jede Freude. Genauso ergeht es mir im Augenblick.
Ich stehe an deinem Grab und versuche das Beben meines Körpers zu verbergen. Meine Hände zittern - nur ganz leicht und für Außenstehende nicht erkennbar - aber dennoch ist es so.
In meiner einen Hand halte ich fest umschlossen eine rote Rose. Mit der anderen fahre ich sanft über den Grabstein, auf dem in großen Buchstaben dein Name eingemeißelt steht. Irgendwie fühle ich mich dir dadurch näher.
Es ist kalt geworden. Als ich herkam, um dich ein aller letztes Mal zu besuchen, war die Sonne noch am Firmament zu sehen und verbreitete ein wenig Wärme. Nun senken sich langsam Dunkelheit und Nebel nieder. Der Wind hat aufgefrischt und weht mir einzelne Strähnen meines Haares ins Gesicht.
Noch immer fühle ich die gleiche verzweifelte Trauer wie an jenem Tag, als du wegen ein paar lumpiger Dollars den Tod gefunden hast.
Noch heute hasse ich mich dafür, dass ich nicht bei dir war, als du von diesem Junkie durch einen Schuss getötet wurdest.
Wärest du womöglich noch am Leben, wenn ich gemeinsam mit dir und Richie das Haus verlassen hätte, anstatt nach Hinweisen auf diesen durchgeknallten Irren zu suchen, der dich entführte hatte, um meiner habhaft zu werden?
Nun bin ich allein. Vor mir eine tiefe endlose Leere, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit - aber kein Vergessen.
Warum empfinde ich so?
Es tut weh zu wissen, nie wieder die Möglichkeit zu haben, mit dir sprechen zu können.
Nicht einmal unsere beiden Seelen werden zueinander finden, denn ich bin zu diesem ewigen Leben verflucht - gefangen in einem Körper, der niemals altert.
Ihr Sterblichen würdet das wohl eher ein Segen nennen, aber für viele unserer Art ist es ein Fluch, dem wir nicht entfliehen können, auch wenn wir es gern wollten.
'Warum ich?', frage ich mich immer wieder.
Habe ich in meinem langen Leben nicht schon genug erlebt? Sind mir nicht schon in ausreichendem Maße geliebte Menschen genommen worden?
Ich weiß, dass ich allmählich im Selbstmitleid versinke, aber es ist mir egal.
Du warst die einzige Frau, der ich oft mehr von mir preisgegeben habe, als ich eigentlich wollte. Zudem warst du die einzige Sterbliche, die so vieles über mich wusste.
Zwölf Jahre lassen sich nicht einfach wegwischen.
Ich habe nie länger mit einer Sterblichen verbracht als mit dir, meine geliebte Tessa - und das macht es mir umso schwerer, Abschied zu nehmen.
Augenblicklich weiß ich nicht, wie es weitergehen soll.
Ich habe unzählige Tränen um dich geweint. Und immer wieder frage ich mich, warum es ausgerechnet du sein musstest, die ums Leben kam. Warum nicht jemand anders?
Ich liebte dich - kompromisslos und ohne an das Morgen zu denken. Und ich wünsche mir, all das wäre nicht passiert.
Wir waren uns einfach zu sicher, dass niemand unserem Glück ein Ende setzen könnte.
Das ist wahrscheinlich normal, wenn man einem anderen Menschen seine Liebe schenkt. Man handelt offener und somit leichtsinniger, und gefährdet dadurch das Leben desjenigen, den man aus tiefstem Herzen liebt.
Im Leben gibt es keine Garantien. Das hätte ich im Laufe der vielen Jahrhunderte eigentlich begreifen müssen. Aber wem sage ich das. Nichts lässt sich ungeschehen machen. Und dennoch hofft man, dass es anders wäre.
Wie in einem Traum zieht noch einmal unsere gemeinsame Zeit an mir vorbei. Ich höre dein Lachen und sehe das Leuchten in deinen Augen, in denen ich mich immer wieder aufs Neue verlieren konnte. Sie sprechen zu mir, und ich wünschte, ich hätte noch einmal die Möglichkeit, mit dir reden zu können. Doch da ist wohl eher der Wunsch Vater des Gedanken, denn ich bin allein, und die Erinnerung an dich wird irgendwann nur noch ein Schatten sein.
Ich weiß, was du in diesem Moment gesagt hättest: „Duncan, mach dir keine Vorwürfe. Es war nicht deine Schuld. Wende dich lieber ab und geh nach Hause.“
Doch noch immer kann ich mich nicht von der Stelle rühren und verharre.
Es heißt immer, dass Liebe alles kann. Aber das ist nicht wahr. Denn wenn es so wäre, hätte es mir möglich sein müssen, den Menschen zu beschützen, der meinem Herzen am nächsten stand.
Wir Unsterblichen wurden niemals nach dem gefragt, was wir wollten, und haben auch nie die Chance bekommen, uns anders zu entscheiden. Unsterblich zu sein, war uns vom Schicksal vorherbestimmt. Niemand vermag daran etwas zu ändern.
Nun bleibt mir nur noch, mich endgültig von dir zu verabschieden.
Auf Wiedersehen, Tessa. Ich werde die Stadt verlassen, um irgendwo anders von vorn zu beginnen. Hier finde ich keine Ruhe, denn alles erinnert mich an dich, und das tut so weh, dass es sich mit Worten nicht beschreiben lässt.
Ich setze mich langsam in Bewegung, um zu gehen. Dabei öffne ich die Hand, in der ich noch immer die Rose halte und lasse diese auf den kalten Marmor fallen, der dein Grab bedeckt. Dann gehe ich, ohne mich noch einmal umzusehen.
ENDE
♥ ♥ ♥
© Rhiannon MacAlister
Anmerkung der Autorin:
Diese Kurzgeschichte beinhaltet eine sogenannte Missing Scene (fehlende Szene). Ich habe damit versucht, eine Lücke zu füllen, die sich während des Anschauens der zweiten Staffel der Serie „Highlander“ aufgetan hat. Zugleich ist sie als Bekenntnis eines Unsterblichen an seine sterbliche Liebe zu sehen.