Wenn es um die feinsten Stoffe und die schönsten Kleider ging, so redete man einst in Suramar von einem ganz bestimmten Schneider, dessen Name – trauriger Weise – in Vergessenheit geraten ist. “Mottenlord” machte seinem Kosenamen alle Ehre, denn sein Handwerk war sein Leben, genauso wie seine Fürsorge der notwendigen, als auch empfindlichen Arbeitsmittel: seine heißgeliebten, von ihm höchstpersönlich auserlesenen, sowie aufgezogenen Seidenraupen. Früher oder später entließ er sie kontrolliert aus ihrem Larven-Leben, wodurch sich seine Lieblinge zu grazilen Schönheiten der Nacht entwickelten. Zumindest empfand der Nachtgeborene das so. Vor langer Zeit – im Hofstaat von Suramar – wurden er und seine unübertroffenen Anfertigungen stets genaustens begutachtet. Nur sein Interesse – was den Motten jeglicher Herkunft galt – erntete Hohn unter dem Volk der Hochgeborenen. Doch wurde seine Vorliebe immerhin toleriert. Eines Tages änderte sich dies jedoch.
Als Elisande den Schild für die Dämonen der Brennenden Legion sank, stolzierten die Trampel herum, als würde alles ihnen gehören. Sie vertrieben die meisten Motten unter der Obhut des wohlangesehenen, jedoch sonderbaren Schneiders, oder lockten sie in die lodernden Teufelsflammen. Die Legion machte sich einen Spaß daraus, die armen Tierchen zu vernichten. Gar das Kostbarste im Leben des ehemaligen Sympathisanten der rebellischen Großmagistrix, zertraten sie unter ihren Füßen. So, als wäre es wertloses Ungeziefer. Doch es war viel mehr als das! Die Motten und vor allem ihre produktiven Abkömmlinge waren seine Freunde; seine Familie. Verzweifelt nahm Mottenlord seinen Stab zur Hand und kämpfte einen aussichtslosen Kampf gegen die kleine Dämonen-Patrouille, die sein Anwesen unaufgefordert betrat. Einen Kampf, den er nicht gewinnen konnte … Die Dämonen schlugen ihn zusammen und lachten den verzweifelten Mann aus. Im Nachhinein ließen sie das Volk über sein Schicksal entscheiden. Der Hofstaat missbilligte die Taten des zu der Zeit hoch angesehenen Schneiders – wenn auch mit großem Zögern. So musste er sich voller Demut vor den Füßen der Großmagistrix werfen. “Es betrübt mich Euch so sehen zu müssen: Wie Ihr zu den Waffen gegriffen habt, um unsere Verbündeten zu schaden.” Sprach Elisande ihrem Schneider gegenüber enttäuscht aus, als sich dieser vor allen Anwesenden für eine verabscheuungswürdige Ungerechtigkeit verantworten musste, die ihm und seinen Liebsten angetan wurde. Dabei musste der stets treue Diener Elisande’s an die zuvor erst kürzlich geschehenen, widerwärtigen Momente denken, die ihn zu dieser Tat zwangen. “Nach all den Jahren; nach allem was wir für Euch getan haben: Wie konntet Ihr nur?! Bedeuten Euch meine wertvollen Schöpfungen denn gar nichts mehr? All das Schöne, was ich für Euch und unser Volk entwarf, werft ihr diesen Bestien brennend vor die Füße?! Ihr habt mich, meine Familie und somit mein gesamtes Lebenswerk verraten!” “Eure ... Familie?” Beherzt stieß Elisande in Gelächter aus. Hingegen blickte der Handwerkskünstler entschlossen zu ihr auf. “Ich erinnere mich noch an die Tage, an denen Ihr meine Arbeit zu schätzen wusstet. Die Kleider – die ich Euch schneiderte – zauberten Euch stets ein Lächeln auf die Lippen ... Jedoch war das vor langer Zeit. Jetzt ist kein einziges Gewand mehr gut genug für Euch. Sagt mir nur eines: Wieso? An der Qualität kann es nicht liegen, daran besteht kein Zweifel. Also muss es etwas anderes sein.” “Genug!” “Ich widmete Euch meine Bestimmung! Gar mein ganzes Leben! Ich habe alles in meiner Macht stehende getan, um Euch erneut ein Lächeln zu schenken.” Für einen kurzen Moment hielt Elisande stillschweigend inne. “… Das Einzige, was Euch je interessierte, war Euer Ungeziefer … ‘Mottenlord’. Und nun: Geht mir aus den Augen!” Sie hatte gelogen, das war dem hohen Schneider bewusst. Doch egal, was er tat: seine Verbannung konnte nicht mehr verhindert werden. Er ergab sich seinem Schicksal, denn schlussendlich wurde ihm – mit nur einem Wimpernschlag – alles genommen, was er sich Jahrtausende lang aufgebaut hatte.
Lange Zeit kämpfte Mottenlord um sein Überleben – genauso wie viele andere Nachtgeborene auch, die aus der Stadt verbannt wurden. Denn auch er mutierte zu einem Nachtsüchtigen, der von Hunger getrieben sein Dasein fristete. Immerhin gab es Wesen, die sich um sein Wohlbefinden sorgten und seiner abgemagerten Gestalt kaum von der Seite wichen. Die Geschöpfe der Nacht wärmten ihn zu jeder Tageszeit. Auch dann, als der Herr der Motten nur noch fror. Fast wäre es um ihn geschehen … Und so fanden die genesenden Nachtsüchtigen ihn vor: in einer Höhle; geschwächt, unter einem Teppich aus lebenden Riesenmotten, wodurch sie ihn mit der Frucht des “Arcan’dor” zu neuer Kraft verhalfen. Allerdings gab es eine enorme Hürde, die es zu bewältigen galt: sein Ende nahte trotz der Frucht bereits heran. Es musste eine Entscheidung gefällt werden! Zu seinem Schicksal gab es eine Lösung … Wenn auch eine durchaus unangenehme: der Nachtgeborene musste sich dem Untod unterwerfen, weshalb ihn Sylvanas als einen ihrer dunklen Diener auferstehen ließ. “Du wirst ihn unter deiner Obhut lehren, was es bedeutet einer von uns zu sein …”, wies sie eine ihrer engsten Vertrauten an. “… Liltha!”
Im Laufe seines Unlebens gelang es Mottenlord als besagtes Wesen in die Schattenlande zu reisen, woraufhin er sich in den Ardenwald begab und seinen dort ansässigen Bewohnern half: den Nachtfae. Somit formte er nicht nur neue Bande, sondern kümmerte sich auch dort um die hiesigen Motten des Waldes. Es ist außerdem nicht sicher, ob die Vergangenheit ihn eines Tages einholen wird, doch seine Zeit als hoher Schneider aus Suramar ist längst vorbei. Zumindest würde man das meinen, nichts destotrotz macht er einfach mit dem weiter, was er einst am besten beherrschte – obwohl er das meiste bereits vergaß. Wer würde sich sonst um die Kleidung der schneidigen Dark Rangers kümmern wollen? Als einer der freien dunklen Waldläufer, ist es ihm wichtig sich für die neue Chance zu bedanken, die ihm verliehen wurde. Abgesehen von seinem wiedererwachten Können, ist ihm sein allseits anwesendes Interesse gegenüber seinen heißgeliebten Nachtfaltern geblieben. Zum anderen ist seine Treue gegenüber seiner Ausbilderin Liltha – die er als seine neue “Großmagistrix” ansieht – schier unerschütterlich. Hinsichtlich seiner Laufbahn, kämpft der besagte Herr immer noch mit einer gewissen Anmut, gepaart mit einer Prise Stolz, wodurch er einen leuchtenden Kampfstab mit sich führt, um seine gemeingefährlichsten Viecher zum Feind zu führen. Ihr gegenseitiger Schutz ist das, was sie stark macht. So eine Situation der Hilflosigkeit – wie zu Mottenlord’s Lebzeiten – soll nie wieder Einzug in sein frisches, untotes Dasein nehmen. Und vor allem nicht: in das Leben seiner flattrigen Begleiter.
Mottenlord
& Gertel
& Seidi
& Glimmse
& Umbra