Diese Geschichte ist ein Flauschmythos aus Sìdhe....
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Diese Geschichte wurde bereits von den Ahnen erzählt, als die Stämme Sídhes noch ein einziger Stamm war und sich Watu nannten. Die Watu lebten ein friedliches und schönes Leben, mit den Bergen in der Ferne und dem Wasser in Nähe. Blickte man von weitem auf die Berge, sehen sie aus wie Finger, die wie ein Kleinkind nach der Mutter Himmel greifen.
An einem solchen Fingerberg, der hoch bis zum Himmel ragte, lag ein kleines Dorf mit einem zerfallenen Tempel darin. In dem Tempel wohnte ein junger Bursche mit dem Namen Tafuta. Er trank klares Wasser und aß süßen Honig im Wald, doch sein Leben war bitter, der er war einsam und alleine. Wenn er in die Berge ging, um Holz zu schlagen, begleitete ihn nur sein Schatten und wenn er wiederkam, erwartete ihn nur sein Schatten. Am Tag war die Einsamkeit erträglich, doch in der Nacht im Wehklagen der Winde zog sie sein Herz in ungeahnte Tiefen.
Eines Tages, als Tafuta in den Bergen Holz schlug, kam er nach einem weiten, erschwerlichen Weg über Hänge und Kämme schließlich auf einen Gipfel. Wie hoch die Berge auch sind, das Wasser kam genauso hoch. Auf dem Gipfel dieses vermeintlich stummen Riesen sprudelte fröhlich eine Quelle. Als Tafuta genügend Holz geschlagen hatte, war die Sonne noch nicht in Rot gekleidet und der junge Bursche wollte sich an der sauberen Quelle die von der Arbeit schmutzig gewordenen Hände waschen. Er ging ein paar Schritte näher und fand im Wasser eine Flöte liegen. Er wusch sich die Hände und ergriff dabei das seltsame Instrument. Die Flöte, aus Holz geschnitzt, fühlte sich ungemein weich an, als wäre sie Fell eines Bären. Sie schimmerte goldgelb, mit grünen Funken, ihr Glanz war heller als Sonnenschein, der sich im Wasser spiegelte. Nachdem das Quellwasser aus der Flöte geflossen war, legte Tafuta die Lippen an die Flöte und blies hinein. Ihr Klang war der eines Vogels, doch melodischer als es ein jeder Vogel singen konnte, den Tafuta kannte. Tafuta setzte sich auf einen Stein und spielte die Flöte, begeistert von der Melodie.
Wer noch nie in den Bergen war, wird es nicht wissen, aber dort scheint die Sonne besonders hell und der Wind ist frischer als im Tal. Klänge trägt er weiter in die Ferne, als es möglich zu sein scheint.
So traf das Lied an die Ohren eines Vogels, trotz seiner kleinen Statur war er bald auch auf den Gipfel geflogen und sang zu Tafutas Melodie. Sie ergänzten sich. Ihr gemeinsamer Gesang erschallte noch weiter über den Gipfel hinaus. Die Blüten nickten, Tiere lauschten dem Klang und es schien als würden die Bäume im stillen Rauschen einen Chor für das Duett gründen. Als die Sonne ihr rotes Gewand überstreifte, flatterte der Vogel um Tafuta herum, zwitscherte und flog dann davon.
Tafuta spielte noch weiter die Flöte so lange bis die Sonne hinter den Bergen verschwand, dann steckte er die Flöte an den Gürtel und trug sein Holz nach Hause.
Am nächsten Tag ging Tafuta wie immer in die Berge, um Holz zu schlagen. Zu Mittag aß er von seinem Proviant und trag einen Schluck Quellwasser. Viele Steine sieht man in den Bergen, aber nur wenig Menschen. So schön die Blumen und das Gras auch waren, Tafuta fühlte sich wieder einsam. Als er eine Lichtung erreichte, holte er die Flöte hervor und begann darauf zu spielen. Wieder erschien der Vogel und sang mit ihm.
Von den lieblichen Klängen angelockt, erschienen viele verschiedene Tiere auf der Lichtung und lauschten gebannt der besonderen Musik. Hirsche, Wildschweine und Wölfe nickten still zur Musik.
Tafuta wurde schwer ums Herz, als er die Tiermenge sah. Weil sie arm waren, waren seine Mutter und sein Vater früh gestorben, die Medizin war zu teuer gewesen und auch Tafuta konnte dem Armutsfluch nicht entkommen. Er war noch immer einsam. Die Melodien seiner Flöte wurde wehklagender und so sang auch der Vogel traurigere Noten. Ein jedes Tier ließ bedrückt den Kopf hängen.
Plötzlich war von dem grünen Berghang ein lautes Weinen zu hören, so herzzerreißend, dass Tafuta nicht mehr weiterspielen konnte. Er ging dem Geräusch nach und sah bald unter einem Seidenbaum mit rosaroten Blütenblättern ein junges Mädchen sitzen. Sie hatte vermutlich daselbe Alter wie Tafuta und war gekleidet in schneeweißen Seidengewändern, ihr Gesicht war Tränen überströmt. Das Mädchen wischte sich die Tränen rasch vom Gesicht, als sie Tafuta bemerkte. Sie stand auf und schien über den Boden zu Tafuta zu schweben. Ihre Lippen bewegten sich, doch ehe ein Laut diese verlassen konnte, wurden ihre Augentränen schwer und bildeten einen Kloß im Hals.
"Was hast du für einen Kummer, dass du so traurig bist?", fragte Tafuta.
"Wenn du schon fragst, will ich es dir sagen.", noch einmal pausierte kurz und nahm alle Kraft zusammen, "Ich habe weder Vater noch Mutter und bin ganz allein. Jetzt ist ohne meine Schuld ein Unglück an mich gekommen. Ein böser Kerl hat ein Auge auf mich geworfen, aber ich will ihn nicht, auch wenn das mein Leben kosten sollte."
Als Tafuta das hörte, war die Empörung stark in ihm, welcher Widerling würde so ein Unglück ausnutzen wollen? Er entgegnete: "Weine nicht. Wer ist dieser böse Kerl? Ich werde zu ihm gehen und ihm eine Lektion erteilen. Dann sollst du Ruhe vor ihm haben!"
Das Mädchen war von Tafutas Worten bewegt, eine Röte stieg in ihr Gesicht, wie der Morgen sich dem Frühaufsteher offenbart. Sie schüttelte den Kopf: "Wer weiß, was daraus wird, wenn du dich darum kümmerst."
"Wenn ich mich darum kümmere, dann gründlich. Sag mir was ich machen soll und es ist erledigt."
"Ich habe dich in den Dörfern noch nie gesehen, aber wenn du gestattest, so lass mich deine Frau werden."
Tafuta war doch sehr überrascht und zugleich überrumpelt. Er dachte darüber nach. Das Mädchen war bezaubernd, doch kannte er sie nicht mehr, als die wenigen Momente, die sie sich hier getroffen hatten. Wie sollten sie sich so guten Gewissens binden? Oder war dies ein Test für ihn? Träumte er?
So antwortete Tafuta: "Ich bin ein ehrlicher Mensch, du darfst dich nicht über mich lustig machen. In allen Dörfern hier kennt man den Namen Tafuta den armen Teufel vom zerbrochenen Tempel.
"Warum sagst du das?", fragte sie. "Wenn man in die Berge steigt, darf man keine Angst vor steilen Hängen haben und wenn man wie ich Lotuswurzeln erntet, darf man sich nicht vor tiefen Wassern fürchten. Es stört mich nicht, dass du arm bist, dein Herz ist rein und wenn du mir wirklich die Sicherheit gibst, die du mir versprichst, dann ist mein Glück gefunden."
Nach den aufrichtigen Worten des Mädchens waren Tafutas Bedenken zwar nicht vollständig verschwunden, aber er war bereit, das Wagnis zu starten. Zumindest so weit es zu wagen, dass beide gemeinsam leben würden und wenn es die Zeit und das Schicksal ergeben würden auch einander heiraten würden. Doch wie sollten sie leben? Im verfallen Tempel? Undeknbar!
Das Mädchen blickte ihn weiter an und erriet Tafutas Gedanken: "Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen. Als mein Vater noch lebte, ist er auch oft in die Berge Holz schlagen gegangen, und an einem Hang steht noch ein Haus aus Steinen, das er gebaut hat. Du hast im Dorf nichts, was dich hält, und in meinem Haus ist alles, was wir brauchen."
Wie ein Funken, den Reisig entzündet und immer weiter zu einem Feuer sich entfacht, so verstanden sich auch Tafuta und das Mädchen immer besser. Sie stiegen gemeinsam über eine Bergkette und kletterten auf den höchsten Gipfel. Das Mädchen ging voran, Tafuta folgte ihr. Er war von klein auf die Berge gewöhnt, doch ihr Gang über das Terrain war noch eleganter und gewandter, als derseinige. Man sah nur ihr Kleid und die Bänder daran flattern, egal ob sie ein Tal durchquerten oder einen Hang erklammen. Es sah aus, als würde sie fliegen. Wenn Tafuta schneller ging, ging auch das Mädchen schneller. Ging er langsamer, ging auch sie langsamer. Sie musste sich nicht umdrehen dafür und wusste immer wie er lief, sie waren in der kurzen Zeit, schon zu einer Einheit verschmolzen. Das Mädchen lief zielstrebig immer voran und Tafuta folgte ihr mit einem stetig wachsenden Lächeln. Auch sie lächelte immer mehr.
Tafuta folgte dem Mädchen in einen Wald. Inmitten der Bäume voll blühender Zweige war das Mädchen noch vergnügter. Sie ergriff einen Ast, schwang ihn um sich herum und war verschwunden.
Als Tafuta verwundert versuchte zu begreifen, was er gerade gesehen hatte, erschien sie lachend hinter ihm. Zwei-, dreimal praktizierte sie diesen Trick und dann war der Verwunderung auch ein heiteres Lachen gewischen.
Sie traten aus dem Wald heraus, und tatsächlich lag am Berghang ein Haus, das von der Ferne nicht groß aussah. Aber wenn man drinnen stand, war es hell und geräumig. Es war dort sauber und ordentlich, und alles, was man brauchte, war wirklich vorhanden. Tafuta und das Mädchen wurden ein Paar. Zum ersten Mal nach vielen Jahren hatte Tafuta ein Zuhause, auf das er sich freute zurückzukehren.
Aber fleißige Menschen wie Tafuta können nicht stillsitzen.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück nahm Tafuta seine Axt und Fackel und wollte eben losgehen, als das Mädchen ihm zurief: "Wenn du Holz schlagen willst, dann geh nur. Aber merk dir gut, was ich sage, du darfst im Süden nicht weiter gehen, als bis zum Gipfel, nach Osten nicht weiter, als bis zum Hang und im Westen nicht weiter als zur Brücke. Unter keinen Umständen darfst du den Fluss passieren.
Tafuta versprach es ihr. Er arbeite ein Weilchen im nahen Wald, da hatte er bereits eine Last Holz zusammen und trug sie, ohne sich auszuruhen nach Hause. Noch ehe er zu Hause war, stand das Mädchen schon am Tor und erwartete ihn. Das war wirklich etwas anderes, als wenn er sonst nach Hause gekommen war, obwohl die Arbeit noch immer dieselbe war. Tafuta bekam vor Freude das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht.
Die Berge waren noch dieselben, und die Bäche waren noch dieselbe, und auch die Flöte war dieselbe geblieben. Tafuta blies darauf vergnügt und täglich begleitete ihn ein Vogel. Die Pflanzen nickten und das Quellwasser schillerte.
Fröhlich verbrachte Tafuta seine Tage.
Einmal kam er beim Holzschlagen, ohne es zu merken, an die Brücke. Er sah zur anderen Seite des Flusses hinüber und erblickte dort strahlendhelle Häuser mit leuchtenden Ziegeldächern.
"Nanu?", sagte er erstaunt, "Das ist ja wie eine andere Welt! Ich hätte nicht gedacht, dass hier in den Bergen so schöne Häuser stehen. Wer weiß welcher reicher Mann sie sich dort hat bauen lassen."
Tafuta hatte nicht vergessen, was das Mädchen ihm gesagt hatte. Darum blieb er diesseits der Brücke stehen und schaute ein Weilchen zum anderen Ufer, mit seinen fantastischen Häusern. Gerade als er kehrtmachen wollte, hörte er es unter der Brücke rauschen. Er beugte sich hinuter und sah im klaren Wasser dicht am Ufer einen viereckigen weißen Stein, glatt und sauber. Er sah ihn genau an und dachte sich: "Der Stein ist schön und praktisch. Bringe ich ihn nach Hause, kann meine Frau ihre Wäsche leichter an ihm klopfen."
Tafuta legte sein Werkzeug beiseite und sprang in den Fluss um den Stein zu heben. Als er aber diesen hob, hörte er plötzlich ein Lachen. Er hob den Kopf und erspäte auf der Brücke einen kleinen, alten Mann mit Hakennase. Sein Haar war schütter, aber er war in feiner Seide gekleidet und reich mit Juwelen geschmückt. In der Hand hielt er einen Stock um den sich ein schwarzer Drache wand. In der anderen Hand eine Flasche Frostbrand. Der Alte lachte noch einmal, kniff die Augen zusammen und sagte: "Der Stein gehört mir."
Als Tafuta das hörte packte ihn die Wut, und von seinem Recht überzeugt, sagte er heftig: "Ich habe noch nicht gehört, dass die Steine in einem Fluss einen Besitzer haben."
Da riss der alte die Glubschaugen auf und sagte mit donnernder Stimme: "Du hast zwar Augen im Kopf, aber du kannst nicht sehen. Ich bin der Geist dieser Berge!"
Tafuta bekam einen Schreck, doch sein rassendes Herz konnte er beruhigen, indem er sich versicherte, nichts unrechtes getan zu haben. Darum erwiderte er: "Und wenn du ein Himmelsgeist wärst, dürftest du dennoch nicht ungerecht sein."
Der Alte kniff die Augen zu und fuhr sich durch das krausige Haar mit freundlicherer Stimme entgegnete er: "Wenn dir der Stein gefällt, dann nimm ihn nur. Aber sag mir doch wozu du ihn brauchst."
Tafuta war von Natur aus nachgiebig, und als er hörte, dass der Alte nun friedlichere Wege suchte, konnte er nicht länger böse sein und erklärte dem Alten, was er damit wollte.
Der Alte schlug sich aufs Bein und sagte: "Eigentlich sind wir doch Nachbarn. Und wenn du mich auch nicht magst, mache ich mir Sorgen um dich. Deine Frau wird wohl nicht lange bei dir bleiben."
Mit diesen Worten hatte der Alte Tafuta direkt ins Herz getroffen und es zog sich schmerzlich zusammen. Seitdem er mit dem Mädchen verheiratet war, hatte er trotzallem die Sorge, er sei ihr zu arm. Wenn sie ihn wirklich verließe, würde es ihm gehen, wie einer einsamen Wildente, die keinen Platz hat, wo sie hingehört. Als er daran dachte, warf er den Stein hin und seufzte schmerzlich.
"Du brauchst nicht traurig sein, Bursche.", sagte der Alte mit samtiger Stimme. "Ich bin zwar ein Geist, aber ich habe ein weiches Herz. Wenn andere leiden, leide ich mit, und wenn sich andere freuen, dann freue ich mich mit. Ich könnte nicht ertragen, wenn ihr beide euch trennt. Aber schau, hier habe ich eine Medizin. Nimm sie mit und tu sie deiner Frau heimlich ins Essen, dann könnt ihr ein Leben lang zusammensein."
Tafuta war sich noch im Zweifel, aber der Alte streckte schon die markige Hand aus und reichte ihm das Päckchen mit dem magischen Pulver darin. Als Tafuta es in der Hand hielt, dachte er bei sich: "Ein Schwerkranker kann mit dem Arzt nicht wählerisch sein, aber wenn das Gift ist, vergifte ich mich zuerst lieber selbst."
Um die Mittagszeit kam Tafuta wie gewöhnlich mit einer Last Holz nach Hause und das Mädchen erwarte ihn lächelnd am Tor. Auf dem Hof war im Schatten der Bäume bereits der Tisch gedeckt. Tafuta tat heimlich die Medizin ins Essen, dann sagte er: "Das Essen ist noch ganz heiß, du kannst ein Weilchen später essen. Machst du mir bitte den Strick vom Brennholzbündel ab, ich werde ihn später brauchen."
Das Mädchen wandte sich um und ging den Strick abmachen. Tafuta begann rasch zu essen. Er achtete genau auf den Geschmack, aber der war so wie immer. Auch als er das Essen im Bauch spürte, war es wie immer und er hatte keine Beschwerden. Wie es schien, schadete die Medizin wirklich nicht.
Als Tafuta bereits seinen Anteil an der leckeren Speise verzehrt hatte, kehrte das Mädchen wieder und nahm einen Löffel. Kaum hatte sie den ersten Bissen im Mund wurde sie bleich. Sie aß nicht weiter, seufzte und fragte: "Tafuta, was hast du hinter meinem Rücken getan?"
Als sie ihn so fragte, erzählte er eins nach dem anderen, wie er den alten Mann mit der Hakennase, mit dem drachengezierten Stock getroffen hatte und wie dieser ihm das Päckchen Medizin gegeben hatte.
Das Mädchen machte ihm keinen Vorwurf, sie sagte nur voll Trauer in der Stimme: "Dieser Alte ist ein verwandelter Exul. Ob Troll, Dämon oder andere Kreatur vermag ich nicht zu sagen, doch es ist derjenige der mich einst bedrohte und vor dem du mich zu schützen geschworen hast. Ach Tafuta du bist ihm wirklich auf den Leim gegangen. Die Medizin wird uns nicht zueinander bringen, sondern uns trennen."
Während das Mädchen sprach, war das Blut aus ihren Lippen gewichen, und ihr Gesicht hatte einen aschfahlen Farbton angelegt. Muss man noch sagen, dass Tafuta bereute was er getan hatte? Er war aufgebracht und voller Kummer, stampfte mit den Füßen auf den Boden und wollte sofort losstürmen um mit dem Exul abzurechnen. Aber das Mädchen faßte ihn an der Hand und sagte: "Tafuta, du würdest umsonst gehen, denn du würdest ihn nicht finden. Und selbst wenn du ihn finden würdest, könntest du ihn nicht überwinden. Außerdem ist jetzt nicht der rechte Moment für eine Abrechnung. Weißt du, du bist jetzt schon so lange hier, doch ich war nie mit dir im Garten hinter dem Haus. Heute will ich mit dir gehen!
Das Mädchen schritt voran und machte die Türe zum hinteren Garten auf. Am Fuße der Felsen standen Blumen, und in Felsspalten wuchsen Blumen, bis zum Gipfel hinauf standen rote Blumen im grünen Gras. Das Mädchen zog Tafuta mit sich bis zu dem Berggipfel. Dort sangen die Vögel in der Luft, auf der Erde blüten die Blumen und mitten auf dem Gipfel stand ein Brunnen. Er war umringt von Bäumen mit rosanen Blütenblättern und eine leichte Brise, einem Frühlingshauch gleich, bewegte sich unentwegt durch die Zweige.
Das Mädchen blickte in die Dunkelheit des Brunnens auf dessen Wasseroberfläche rosa Blütenblätter kleine Wellen erzeugten, ehe sie von der Schwärze des Wassers verschluckt wurden.
"Tafuta ich will ehrlich mit dir sein. Ich bin in Wirklichkeit kein Mensch, wäre ich es, dann wäre die Medizin, auf mich so wirkungslos, wie sie es für dich ist. Doch da ich kein Mensch bin, verwandelt sie mich in Stein, schlimmer noch in Ekzilo. Ein Mineral so finster, dass es in unser Welt keinen Platz hat und jenen gehört, die dieser Welt verderben wünschen. Nicht mehr lange und es wird geschehen. Doch sollte ich den Flausch vom Flauschbären erhalten und dieser auf meinem Körper fallen, könnte er mich von diesem Fluch befreien."
Als Tafuta das hörte, war ihm, als ob ein Messer sein Herz durchbohrte, was hatte er getan?
Noch ehe er Worte sprechen konnte, reichte ihm das Mädchen einen Spiegel: "Tafuta, du hast mich gern und ich dich auch, ich will nicht von dir lassen. Wenn du an mich denkst, so schau in diesen Spiegel, und du wirst wissen, was mit mir ist.
Gerade hatte Tafuta den Spiegel in die Hand genommen, da zeigte das Mädchen zum Himmel und sprach: "Sieh mal Tafuta was da ist."
Er blickte nach oben und erspähte zwei Vögel im Tanz.
"Tafuta, auch wir sind wie ein Vogelpäarchen, wie ein Vogelpäarchen auf das aus großer Höhe ein Adler stürzt." Bei diesen Worten ronnen ihr Tränen über das schöne Gesicht. Sie schritt näher an Tafuta heran und meinte: "Wir sind wie diese zwei rosa Blütenblätter, die Dunkelheit will uns in die Tiefe ziehen." Doch als sie diese Worte sagte, schwammen keine Blütenblätter auf dem Wasser.
"Ich sehe sie nicht.", erwiderte Tafuta
"Du musst dich mehr darüber beugen."
Als Tafuta sich tiefer über das Brunnenloch beugte, gab ihm das Mädchen von hinten einen Stoß, und er stürzte in den Brunnen. Im Augenwinkel erkannte er, dass sie genau in diesem Moment zu Stein geworden war.
Als Tafuta in das Brunnenwasser eingetaucht war, war es erstaunlicherweise nicht nass, sondern verschluckte ihn wie ein Bettlaken. Sein Körper schaukelte schwebend in die Tiefe. Erst nach langer Zeit spürte er wieder Boden unter den Füßen, und vor seinen Augen war es wieder hell. Als er sich gesammelt hatte und um sich blickte, sah er, dass er am Fuße des Berge stand und sich ihm ein Weg eröffnete, der ins Dorf führte. Tafuta wollte nicht ins Dorf gehen und schaute in den kleinen Spiegel. Tatsächlich war das Mädchen zu Stein geworden und es war ihm, als würde er denoch ihre Stimme hören, die ihm sagte, es sei ein Abschied für immer.
Nichts ist schmerzlicher im Leben eines Menschen als ein Abschied für immer, Tafuta war in diesem Augenblick, noch viel schwerer ums Herz, er rief nach dem Mädchen und lief wieder bergan.
Tafuta stieg über Bergketten und über die höchsten Gipfel. Er achtete nicht darauf, dass er über Steine stolperte, er achtete nicht darauf, dass ihm Zweige das Gesicht zerkratzten. Wie ein Wirbelwind stieß er durch den Wald. Auch das Tal hatte sein Antlitz verändert, es war finster geworden. Auf einem Stein erspähte Tafuta den Exul. Der Alte lachte hämisch und stieß mit seinem Stab unentwegt auf den Felsen ein. Seine Hakennase war grün und warzig geworden, sein Haupt von Hörnern gesäumt. Er machte Gebärden mit den markigen Händen und richtete seine spitzen Klauen zum Himmel.
Da verschwand auch schon die Wirklichkeit vor Tafutas Augen und er war wieder am Fuße des Berges. Tafuta stieg über Bergketten und über die höchsten Gipfel. Er achtete nicht darauf, dass er über Steine stolperte, er achtete nicht darauf, dass ihm Zweige das Gesicht zerkratzten. Wie ein Wirbelwind stieß er durch den Wald. Es waren die gleichen Wege und doch waren sie fremd. Erneut traf Tafuta auf die Hakennase, erneut räkten sich die Arme zum Himmel und wieder wurde Tafuta an den Fuß des Berges gebracht. Doch er wollte für seine Liebe nicht aufgeben und weiter laufen.
Er fühlte sich beobachten von der Hakennase. In seinem Unwohlsein fasste sich Tafuta an den Gürtel und zog die Flöte hervor. Er wollte sich Mut zu spielen. Er bließ in die Flöte und trotz aller Finsternis erschien ihm wieder der Vogel, welcher ihm immer erschien, wenn er die Flöte bließ. Doch dieses Mal stimmte er nicht mit ein und starte Tafuta an. Als Tafuta weiter Richtung Berge gehen wollte, wo die Hakennase ihm immer wieder begegnet war, begann der Vogel zu kreischen. Er flatterte aufgeregt um Tafutas Kopf. Erst verstand er nicht, was der Vogel von ihm wollte. Doch dann begriff Tafuta das ihm der Vogel einen Weg weisen wollte. Aber der Weg der ihm der Vogel zeigte, schien fort vom Berg zu führen. Wollte etwa der Vogel ihm zum Aufgeben überzeugen? Nein, etwas in den Augen des Tieres versprach ihm einen Funken Hoffnung. Und so folgte Tafuta dem kleinen Vogel.
Der Exul war sehr wütend und spuckte Geifer und Galle. Hätte der Vogel Tafuta nicht von seinem Weg zu einem anderen Weg geleitet, dann hätte er ihn in einer endlosen Schleife des Schmerzes binden können. Das Unwesen hatte sich schon frohlockenden seinen Sieg ausgemalt und jetzt war etwas unbekanntes darin. Doch der Exul wollte sich nicht unterkriegen lassen und rief Plagiatoren zu sich, die ihm Unterstützung gewehrleisten sollten. Die schwarzen Rüstungen mit dem flimmernden Glimmer stürmten Tafuta und dem Vogel hinter her. Wilde Kriegsschreie riefen die Bestien ihre Schwerter zückend. War dies das Ende?
Der Vogel führte Tafuta zu einer Quelle, so sauber und rein, dass selbst die Finsternis ihr nichts anhaben konnte. In ihr schien ein Fisch zu schlummern, er war von schlangenartiger Gestalt und hatte der Augen vier. Tafuta wunderte sich noch über die seltsame Gestalt, als er aus nicht allzuweiter Ferne das Kriegsgeschrei vernahm. Es weckte den fischartigen Geist, der sich um Tafuta und den Vogel wand. Als die Schwerter der Plagiatoren au den Körper der Fischgestalt einschlagen wollten, war diese, samt Tafuta und Vogel verschwunden.
Das machte die Hakennase nur noch wütender, er klatschte in die Hände und die Plagiatoren zerfielen zu Staub. Dann stampfte er mit den Füßen und die Erde bebte, er reckte wieder die Hände in die Höhe und versuchte nach den Wolken zu greifen. Ihre schwarze Farbe intensivierte sich und Blitze zuckten im Schauer von Hagel auf die Erde nieder.
Tafuta war in einem Waldstück angelangt, dass er nicht kannte. Während der vieräugige Aal sich an Ort und Stelle einrollte, zwischerte der Vogel noch aufgeregter. Hat er etwas gefunden, was die Situation retten könnte? Ein Hauch von Hoffnung wollte in Tafuta aufbegehren, doch dafür war es noch zu früh. "Weiße mir den Weg.", rief Tafuta dem Vogel zu, "Weiße mir den Weg, alter Freund!" Kaum waren die Worte über seine Lippen gekommen, schoß der Vogel davon, machte halt und trällerte nach Tafuta. Dieser folgte dem Vogel so schnell er konnte, was in der unbekannten Umgebung nicht so einfach war, doch der Vogel schien sich auszukennen. Es dauerte nicht lange, da erreichten sie eine Lichtung. Hier schien goldenes, warmes Licht und die Natur schimmerte im Glanz der Tautropfen. Im Zentrum der Lichtung lag ein großer Bär. War dies etwa der Flauschbär?
Respektvoll und doch vorsichtig bewegte sich Tafuta auf den großen Bären mit dem braunen Fell zu, während der Vogel nicht ganz so zimperlich war und sich mit raschen Flügelschlägen auf das Fell des Bären landete. Mit dem Schnabel sammelte der Vogel etwas Flausch und brachte es Tafuta. Dieser freute sich so sehr über den Flausch, dass er den Bären weckte, der ihm gehöhrte.
Nun dachte Tafuta sei sein letzten Stündlein geschlagen, doch der Bär schnupperte nur an Tafuta und fing das Brummen an: "Wie ich sehe, hast du meine Flöte gefunden. Doch nicht ganz begriffen, was sie bezweckt."
Tafuta blickte den flauschigen Bären unverständig an.
"So wie der Vogel dich zu mir führte. So führte auch die Flöte dich auf neue Wege. Sie führten dich zu deiner Frau, zu deinem zuhause und letzendlich zu mir."
Tafuta schüttelte den Kopf: "Ich habe versagt! Es ist alles verloren. Ich werde wieder arm und einsam sein, nur nun in dem Wissen, wie sich das Glück anfühlt. Holz schlagen für die Ewigkeit um den Schatten zu entkommen."
"Holz schlagen, kein Holz schlagen. Verloren, nicht verloren. Du bist zu besorgt mit dem was war und was seien wird. Es gibt ein Sprichwort, dass besagt: Gestern ist Geschichte, das Morgen ein Mysterium, doch die Gegenwart ist ein Geschenk. Es kann dir keiner nehmen und du kannst es formen. Sei die Veränderung und forme dir die Zukunft Heute für Heute."
Langsam schien Tafuta zu verstehen.
"Noch ist nichts vergeben. Noch kann alles geregelt werden."
Tafuta nickte: "Ich werde mir die Gegenwart formen und dieses Geschenk an meine Liebste überbringen."
Der Flauschbär brummte zufrieden und formte aus Flausch drei Umhänge. Einen für Tafuta, einen für seine Frau und einen dritten, besonders kleinen, für den Vogel. "Gehabt euch wohl, die Zeit eilt, der Portaal wird euch zu ihm bringen"
Noch ehe Tafuta fragen konnte, erschien der schlangenartige Fisch mit den Augen, drehte und wandt sich und erzeugte ein Portal. Der Vogel und Tafuta schritten hindurch. Blitze stürzten zum Himmel wie Regentropfen, ein ewiger Donnerhagel erschütterte die Berge. Doch die flauschigen Umhänge schützen Vogel und Tafuta. Noch einmal schritten sie die Berge hinauf. Durchstreifen die Wälder und kamen zu dem Fels auf dem der Exul saß.
"Hast du immer noch nicht genug?!", spottet die Hakennase und entzündete in seiner Hand ein schwarzes Feuer, dass nicht brannte, aber einem das Gefühl gab einen in das innere zu ziehen. Die Hakennase schleuderte erst einen Feuerball auf Tafuta, welcher sich in seinem Umhang verbarg. Dann den nächsten und übernächsten. Ganze Salven prasselten auf Tafuta ein. Doch die schwarzen Feuer hatten keine Wirkung.
"Das kann nicht sein?!?", frauchte die Hakennase.
"Du hast zwar Augen im Kopf, aber du kannst nicht sehen. Der Flausch ist mit mir!"
Ein leuchten ging von Tafuta aus, er setzte Schritt um Schritt auf den Exul zu.
Dieser schrie wie am Spieß und schleuderte weitere Flammenbälle auf den Burschen. Doch da in Tafuta keine Zweifel mehr hausten, da Flasuch ihn führte, konnte die finstere Magie keine Wirkung erzielen. Mit jedem Schritt wurde die böse Magie des Exuls weiter absorbiert. Bis Tafuta direkt vor der Hakennase stand. "Verschwinde und kehre nie wieder zurück."
Die Hakennase biss sich auf die Zunge in Furcht und verlor so die Fähigkeit ihren bösen Zauber wirken zu lassen. Sie rannte davon so schnell sie konnte und soll viele Monde später mit einem Floß die Gewässer Belletristicas gänzlich verlassen haben, so erschüttert war sie von dem Flausch.
Tafuta hatte sich den Zweifeln der Vergangenheit gestellt, doch nun musste er die Furcht vor der Zukunft überwinden - damit er das Geschenk der Gegenwart auch seiner Frau überreichen konnte.
Vorsichtig nahm er den flauschigen Umhang und wickelte diesen um die steinerne Statue seiner Frau.
Doch nichts passierte. Waren sie zu spät gekommen? Hatte er gewonnen und doch zeitgleich alles verloren?
Plötzlich fing der Vogel an laut zu rufen. In den Rufen mischte sich das Knachen von Steinen und wie aus dem Ei gepellt, entschlüpfte das junge Mädchen der steinernen Statue. Sie hatte wieder das hübsche Gescicht und das schöne Kleid, wie am ehrsten Tag wo sie einander getroffen hatten.
Jetzt waren sie wieder ein Paar, wie man es sich nicht glücklicher vorstellen konnte. Tafuta bließ wieder auf der Flöte und alle Vögel kamen herbei um im Chor zu singen, die Blüten öffneten sich und das Land beganen zu heilen, von den Gräuel des Exuls.
Die Melodie, so lebhaft wie nichts was man je zuvor gehört hatte, nannte Tafuta Maisha, nach der Frau, die ihm ein neues Lebenslicht gegeben hatte.
Dem Vogel, der ihn begleitet hatte, dankte er, der Vogel nickte und baute als bald aus dem flauschigen Umhang ein Nest. Er brütete bald mit seines gleichen in einem Baum direkt vor dem Gartentor von Tafutas Haus.
Ein Jahr später gebahr Maisha zwei Kinder, die das Paar Dubu (was Bär bedeutet) und Nege (was Vogel bedeutet) nannte. Die Familie lebte glücklich viele Jahre und vielleicht tut sie es noch heute.
Und die Moral von der Geschicht'
Egal wie tief du sinken magst,
wo Flausch ist, findest du auch Dich.
Doch leichter ist die Suche danach ungemein,
wenn du gehtst den Weg nicht allein!
Möge der Flausch mit euch sein.