„Sherlock, ich bitte Sie!“, rief John Watson, der seinem Gefährten und Freund die Treppe hinauf in ihre gemeinsame Wohnung folgte.
„Nein“, kam die klare Entscheidung des Detektivs von vorn. Sherlock öffnete die Tür, warf seinen langen Mantel achtlos über die nächstbeste Sessellehne und ließ sich in voller Länge auf das Sofa fallen. Mit ausgestreckten Armen schickte er eine SMS von seinem Handy ab und legte es danach neben sich auf den niedrigen Beistelltisch.
John beobachtete seine Handlung und kippte rückwärts in seinen Sessel, das Kissen im Rücken, so wie er es mittlerweile gewohnt war. Mit einer Hand schob er Sherlocks Mantel beiseite.
„An wen haben Sie gerade geschrieben?“, wollte John wissen und richtete sich halb auf.
Sherlock blinzelte ihm leicht müde zu. „Lestrade. Der Selbstmord in der Suffolk Street.“
Für einen Moment ließ sich Watson auf diese Ablenkung ein. „Und? Was ist damit?“
„Es war der Cousin, offenkundig.“
Für John war gar nichts offenkundig. „Aha, also Mord, nicht wahr? Und woran haben Sie das erkannt?“
„Die Nelke in der Vase war abgeknickt“, berichtete Sherlock, als sei es so natürlich wie für andere Menschen, dass sich die Erde um die Sonne drehe.
„Äh…okay. Aber, warum wollen Sie mir den Code zu Irene Adlers Handy nicht verraten?“, probierte er es erneut.
Sherlock drehte sich wieder von ihm weg und starrte an die Decke. „Weil der Zugangscode zu ihrem Handy für Sie nicht relevant ist. Mycroft hat die Daten und mehr zählt nicht. Das eine Wort wird in Ihren Blog keine allzu große Lücke reißen.“
„Es war also ein Wort...“, sinnierte John langsam. „Keine Zahl…“ Vielleicht bekam er auf diese Weise etwas mehr aus seinem Gefährten heraus.
„Versuchen Sie es nicht, John. Sie werden das Passwort nicht herausfinden.“
In dem Moment klopfte es an die Tür. Ohne auf ein Herein zu warten, betrat Mrs Hudson den Raum und sah sich zweifelnd um. Sobald sie Sherlock entdeckte, schürzte sie die Lippen und deutete auf das Chaos um sie herum. „Also nein, Sherlock. Hier sieht es wieder aus, als ob der Blitz eingeschlagen hätte. Sie machen nicht viel weniger Unordnung, John“, schalt sie den Doktor klagend. „Dabei dachte ich, Sie würden ihm helfen über diese Unordnung hinwegzukommen. Als Arzt sollten Sie doch ordentlich sein.“
Erst bei ausbleibender Antwort schien sie zu bemerken, dass weder Sherlock Holmes noch John Watson in der Stimmung waren zu reden, weder miteinander, noch mit ihr. Nacheinander sah sie beide an. „Ach Jungs, was ist denn geschehen?“
„Er verrät mir nicht den Zugangscode für ein Handy und es ist wichtig für meinen Blog“, begann John, anklagend wie ein Kind.
„Er kann es genauso gut auslassen. Normalerweise vergisst er auch immer alle relevanten Fakten“, hielt Sherlock trotzig entgegen.
Entrüstet wollte John sich wieder verteidigen, doch Mrs Hudson unterbrach ihn. „Also, ehrlich, ich weiß noch, damals als ich mir wegen meines Mannes nicht sicher war, da lockte Sherlock…“
„Mrs Hudson, bitte“, fuhren beide die ältere Dame gereizt an.
Leise und ohne ein weiteres Wort zu sagen, verschwand sie wieder und machte die Tür hinter sich zu.
Plötzlich begann John zu lachen, was Sherlock dazu brachte ihn mit gesenkten Brauen anzusehen.
„Mrs Hudsons Wortspiel…“, er unterbrach sich selbst vor Lachen. „Haben Sie das bemerkt? Sherlock lockte... Lock lockte, verstehen Sie?“
Der Detektiv sagte nichts, sondern blickte seinen Freund aufmerksam und unverwandt an.
„Ich werde es nicht veröffentlichen, wenn Sie nicht wollen, aber sagen Sie es mir doch bitte. Es kann doch nicht so etwas Bescheuertes sein, wie: I am SHERlocked.“ Erneut begann er sich vor Lachen zu schütteln.
Ohne Vorwarnung sprang Sherlock auf, durchquerte den Raum und setzte sich hinter sein Mikroskop. Beleidigt wechselte er das Präparat und stellte die Stärke neu ein.
Von dieser Reaktion alarmiert, hörte John auf zu lachen und blickte ihm erstaunt nach. „Das… das war es doch nicht, oder?“, stotterte er fassungslos.
Sherlock blickte kurz zu ihm auf. „Nein.“