Abends, wie immer. Sie saß auf dem Sofa, vor vor ihr der Laptop, Excel bereits geöffnet, bereit den Jahresabschluss für ihre Firma zu beenden. Gerade hat sie noch mit ihrer Mutter telefoniert, ihre Stimmung war also gut. Dann passierte es, ein klopfen, ein klopfen an ihrer Türe. Manche mögen das als nicht ungewöhnlich empfinden, aber an ihrer Türe klopft niemand. Wenn sie jemanden einlädt tritt die Person einfach hindurch, damit der Hund nicht bellt. Die Mieter in ihrem Haus würden nicht klopfen, sie fürchten den überdimensionierten alten Rottweiler, sie wissen nicht das ihr Hund eigentlich trotz der extremen Masse und dem großen Maul eine liebevolle Kuschelkugel ist.
Sie steht auf, die Schminke an ihren Augen ist verwischt. Sie hat nicht geweint, sie wollte sich nur die von der Arbeit müden Augen reiben. Ihre kurze Stoffhose passt nicht zu dem Hemd, welches sie noch nicht ausgezogen hat, genau so wenig wie die dicken blauen Wollsocken, die sie immer auf dem Sofa trägt.
Sie erwartet niemanden, aber da ist es erneut, das Klopfen, beständig und laut. Der Hund bellt, kehlig und tief, sie geht nun doch zur Türe, bereut den Türspion mit Jacken verhängt zu haben. An ihrer Tür ist kein Schild, keine Klingel. Sie will nicht das jemand weiß wo sie wohnt, außer sie sagt es. Sie schickt den Hund beiseite, nimmt den Türgriff in die Hand, zögert, nicht wissend wer sie auf der anderen Seite erwartet. Sie versucht noch sich den Rest der Schminke unter ihren Augen aus dem Gesicht zu wischen. Dann tut sie es, sie drückt die Klinge hinunter, zieht die Tür auf. Ihr Atem stockt, sie kann nicht fassen wer vor ihr steht.
"Du!", entfährt es ihr, sie tritt ins Stiegenhaus und zieht die Türe hinter sich zu, sie will nicht das der Hund hinaus läuft. "Ich habe mich in der Wohnung geirrt!", sagt er schnell, der Besucher den niemand eingeladen hat. "Das ist mein Haus!", sie versucht ihre Stimme dazu zu bringen stark und klar zu klingen. Dieser Geist aus der Vergangenheit ist das letzt womit sie gerechnet hat. Sie stehen vor einander, starren sich an. "Wenn suchst du?", fragt sie schließlich. "Anna!", sagt er "sie wohnt hier!" Sie schüttelt den Kopf, versucht sich den Rest der Schminke aus dem Gesicht zu wischen: "Hier wohnt keine Anna, und im Haus nebenan auch nicht, das gehört auch mir, ich kenne alle meine Mieter!" Er starrt nur auf den Boden, sag ihre Adresse, murmelt sie müsse hier wohnen. "Nein!", sagt sie, lauter als beabsichtigt "können wir reden?" Er sieht sie an, voller Angst: "Zufälle gibt es!" Sie versucht es erneut: "Können wir uns unterhalten, 10 Minuten?" "Nein!", sagt er diesmal "dafür habe ich jetzt keinen Nerv!" Dann geht er, die Stiegen hinunter, verschwindet einfach wieder. Sie zittert am ganzen Körper, muss sich fassen. Dann geht sie wieder hinein. Der alte Rottweiler sieht sie fragen an, stupst sie mit seiner kalten Schnauze an. "Nur ein Geist!", murmelt sie, geht zurück zum Sofa, setzt fort was sie begonnen hat.