Kapitel 3
Der Zwischenfall mit den Fingernägeln längst vergessen, malten die wilden Krallen nach dem Sportunterricht im Kunstraum Zeichnungen. Sorgsam pinselte Amy die Sonnenstrahlen auf das dicke Papier und beobachtete Ellens Zeichnung. Während Amy eine freundliche Wiesenlandschaft zeichnete, zog Ellen lieber eine düstere Waldumgebung vor. Ganz vorsichtig zeichnete sie einen schwarzen Raben auf einen Ast einer Eiche, die alt und knorrig erschien. „Was malst du genau?“, flüsterte Marie, die mit ihrer Zeichnung unzufrieden wirkte. „Die Schlucht des Dunkelns“, murmelte Ellen und pinselte einen kahlen Stein hin. „Eines Tages werden wir sie bestimmt mit eigenen Augen sehen“, in gedankenversunken betrachtete Marie das Bild. Die Bäume sahen aus, als würde sie von einer Krankheit geplagt werden und die grauen Felsen machten den Ort karg. Ein weisses Papierkügelchen landete in Amys Nacken. Wutschnauben fuhr sie herum, Noé und Levin winkten ihr schadenfroh auf ihren Stühlen sitzend entgegen. Amy beachtete sie nicht weiter, ihre Aufmerksamkeit lenkte auf Sascha. Der blonde Anführer, dessen Ruf für einige Tage zerstört war, hat eine grimmige Mine und malte wütend auf das Blatt ein. Selber schuld, es mit Marie aufzunehmen, dachte Amy gleichgültig.
Amy tupfte den haarigen Pinsel in brauner Farbe, damit sie Vögel in ihrem Bild am Himmel ergänzen konnte. Während sie die winzigen Umrisse zeichnete erinnerte sie die Vögel an die Raben, die sie letzte Nacht im Wald erbeutet hatten. Sehnsucht spiegelte sich in ihrem Herzen ab, sie stellte sich vor wie Stern über die Wiesenlandschaft rannte, dabei jaulte sie fröhlich den Raben im Himmel zu. Warum können wir nicht sofort ins Reich der Katzen gehen?, wünschte sie und stellte sich Sterns Körper vor. Wenige Augenblicke verstrichen und Stern spürte ein Kribbeln im Fuss, es war nicht dasselbe Gefühl, welches sie öfters hatte, wenn sie sich schlecht fühlte. „Fühlst du dich nicht wohl?“, Ellen bemerkte Amys zappelige Geste. „Alles in Ordnung“, versicherte ihr Amy, wobei Ellen verdattert mit ihrem Stuhl zurückwich, als ob Amy einen Elefantenrüssel gewachsen wäre. „Deine Augen Amy…“, stotterte Ellen undeutlich. „Sie verändern sich!“
Ellen wusste nicht recht was sie es weitern erklären konnte. Amys hellblaue Augen nahmen eine anderes blau an, wie das von Stern und die runden Pupillen zogen sich zu Schlitzen. Geschockt beobachtete Amy ihre zittrigen Hände, ihre stumpfen Fingernägel wuchsen auf unheimliche Weise länger. Bevor Ellen richtig begreifen konnte was mit Amy passiert, schoss sie hoch und stürmte blindlinks aus der Schulzimmertür. „Oh, da musste jemand aber ganz dringen auf die Toilette“, scherzt Sascha hinter seinem dicken Papier. Das Gekicher dreier Mädchen purzelte im Hintergrund los. „Was ist in nur sie gefahren?“, Herr Müller stakste beunruhigt zur offenen Schulzimmertür. „Ich werde nach ihr sehen müssen.“ „Halt!“, Ellen sprang auf die Füsse und hätte beinahe ihre Zeichnung vom Tisch gefegt. „Ich und Marie sehen lieber mal nach ihr.“ Mutig zupfte Ellen an Maries blaues Oberteil, zog sie zur Tür und stellte sich dem Lehrer herausfordern gegenüber. Herr Müller zuckte mit den Achseln. „Geht ruhig vor“, meinte er schliesslich.
Ellen warf die Tür hinter Marie zu und gemeinsam eilten sie zum Mädchenklo, wo sie Amy vermuteten. Sie öffneten die Tür zum engen Mädchenklo und hörten gleich ein lautes Schluchzten. „Amy?“, fragte Marie zugleich vorsichtig und sanft. Ein schwaches Miauen erklang aus dem Hintern Toilettenabteil. Ellen konnte es übersetzten: Es ist so grauenhaft schrecklich!
Eine buschiger Schweif erschien unter der Toilettentür und die beiden Freundinnen wusste, was Amy wiederfahren war. Sie hatte sich in eine Katze verwandelt und das mitten im Unterricht! „Komm her, es war für dich bestimmt ein riesiger Schock“, tröstend kniete Ellen nieder und streichelte Sterns flauschiges Fell. Es fühlte sich wie die reinsten Samtkissen an und sie wurde fast ein bisschen neidisch wegen ihres zerlumpten Tigerpelz. „Amy, hier im Klo sind wir sicher“, Marie schnappte ihr weisses Fell und zog die sträubende Katze unter dem Türspalt hervor. „Was soll ich jetzt machen?“, Panik stieg in ihrer Stimme auf, als Marie sie sanft im Arm kraulte. „Wünsch dich einfach wieder zurück“, schlug Ellen vor, es schien ihr ein bisschen komisch mit Stern als Katze zu sprechen. „Meine Bandenkette liegt unter meinen Kopfkissen“, Stern vergrub ihre Augen hinter den Pfoten. „Es wird alles ans Licht kommen.“ „Aber irgendwie bist du auch hast du dich auch ohne Kette verwandeln können“, Ellen versuchte ihr Hoffnung zu machen. Marie legte beruhigend Stern die Hand auf die Schulter. „Wünsch dir einfach du wärst wieder ein Mensch.“ „Meinst ihr, ich kann meine Gestalt auch ohne Kette kontrollieren“, Hoffnung flackerte in ihren blauen Augen auf, wie eine blauer, wolkenbedeckter Himmel. Stern hüpfte aus Maries Umklammerung und schloss die Augenlider. „Ich bin jetzt in einer Katze Gestalt, doch gleich werde ich haben eine Menschengestalt, Katze, Katze wird Verblassen“, murmelte sie mit einen starken Funken Optimismus. Stern grazile Katzengestalt wölbte sich, wurde immer grösser und schliesslich stand Amy auf wackligen Beinen vor dem Waschbecken. In dem Moment wurde die Türklinke runter gedrückt und Herr Müller streckte den Kopf ins Mädchenklo hinein. Wenn es ein Junge gewesen wäre, hätten sie ihn sofort mit einem Tritt rausbefördert. „Amy ist dir wieder gut?“, fragte er väterlich. Amy zuckte schroff mit den Mundwinkel und brachte kein Ton heraus. Es war sehr knapp!
„Ihr war vorher übel aber es geht ihr wieder ausgezeichnet“, Marie versuchte die peinliche Stille einzudämmen. Herr Müller nickte, anscheinend glaubte er Maries erfundene Märchengesichte.
„Herr Müller war eine dünne Mauselänge davon entfernt, unser Geheimnis zu entlocken“, der Schreck sass Amy auf dem Heimweg immer noch tief in den Knochen. Den ganzen Unterricht hatte sie kein weiteres Wort rausgebracht und verstört gegen die Schulzimmerwand gestarrt. „Nun ist es doch alles wieder gut“, beruhigte sie Marie und setzte sich beim verlassenen Spielplatz auf die trockene Wiese. Amy tat es ihr gleich und rupfte nachdenklich Grasbüschel aus der Erde. „Wer weiss, eines Tages haben wir weniger Glück. “ Ellen nahm ihre verschwitze Hand. „Mach dir über solche Dinge keinen Kopf. Ich meine, du könntest dich auch ständig hinterfragen, was wäre, wenn wir drei nicht existieren würden.“ Damit hatte Ellen vollkommen recht, man könnte sie eigentlich über alles den Kopf zerbrechen. Was wäre nur wenn ihre Schwester nicht auf dieser Welt wäre?
„Jawohl, kümmern wir uns lieber um die Realität“, erläuterte Marie. „Ich nämlich glaube wir haben heute einen neuen Abschnitt unserer Katzenexistenz kennengelernt.“ Fassungslose Blicke folgten. „ Ihr habt richtig gehört einen neunen Abschnitt ist uns erflogt. Wir können nämlich einzelne Katzenkörperteile ausfahren.“ Amy ging ein helles Licht auf. „Natürlich, deine Fingernägel waren Krallen, die übernatürliche sportliche Leistung und meine Verwandlung sind alles Katzenmerkmale!“ „Also können wir unsichtbare Katzensinne anwenden“, murmelte Ellen ein wenig verwirrt. Marie nickte ihr zu und nahm ein Grashalm in die Hand. Mit zittriger Hand und der Vorstellung Krallen wären Anstelle ihrer Fingernägel am Platz Hand, näherte sie sich dem dünnen Halm. Einen Augenblick später lag der Grashalm in zwei gleichmässigen Stücken. „Es funktioniert nur wenn man sich das Körperteil vorstellt“, hauchte sie fasziniert. Ellen zuckte mit der Nasenspitze und stellte sich vor, sie könne jeden Geruch wittern, welche ihr als Mensch verschlossen blieben. Die Geruchsknospen begannen unangenehm zu kribbelten. Ellen roch eine frische Spur einer Hauskatze, welche ihr Geschäft hinter dem Huflattich erledigt hatte und eine verrotteter Fliegenpilz. „Oder man stellt sich den gewünschten Sinn vor“, ergänzte Ellen Maries Erkenntnis. „Stimmt“, Amy wackelte mit den Ohren. „Ich kann eine Waldmaus im Unterholz hören.“ Ellen klatschte begeistert in die Hände. „Ist ja toll, nun können wir jede Spur verflogen. Jeden Geruch wittern und jeder Verfolger hören!“ „ Unternehmen wir heute Nachmittag etwas gemeinsam?“, Marie schweifte vom Thema ab. „Warum gehen wir heute Nachmittag nicht in die Stadt?“ „In die Stadt?“, Ellen wusste nicht wie lange es her war seit sie das letzte Mal in der Stadt Luzern gewesen war. Sie hasste stundenlange Kleidereinkäufe, weil sie immer so schnell erschöpft wurde. „Wir sollten schliesslich aus der Bibliothek ein schlaues Buch über die Geschichte von Madagaskar holen.“ Amy seufzte Marie brannte förmlich darauf endlich die Vorbereitungen zu beenden, denn auch sie wollte unbedingt zurück ins Reich der Katzen. „Müssen wir wohl irgendwann erledigen“, grunzte Ellen genervt.
„Nicht vergessen, wir treffen uns im Bus“, rief Amy ihren Freundinnen nach. Marie nickte ihr zu und verschwand hinter dem nächsten Auto.
„Nehmt gleich ein Handvoll Kekse“, bot Ellen an, als sie im Bus auf den Sitzen kauerten.
„Gerne, ich bin ein Nimmersatt“, Marie schob genussvoll ein Schokoladenkeks in den Mund. „ Wir müssen schliesslich dringend wieder zunehmen“, meinte sie mit einem Augenzwinkern. „Warum zunehmen?“, fragte Amy und beobachtete die vielen Menschen im Bus, die alle in die Stadt Luzern wollten. „Wir haben bei unserem letzten Besuch im Reich der Katze abgenommen“, erklärte sie mit einem verfressenen Grinsen. Ellen trat Marie auf den rechten Fuss, da sie ein bisschen laut gesprochen hatten und ein paar neugierige Blicke auf Marie ruhten. Der Bus hielt quietschend bei der nächsten Haltstelle an und Menschen drängelten sich rein. „Verflixt!“, rief Amy. „Seht wer wie ein Alptraum hinein geschlurft kommt.“ Am anderen Ende des schlanken Buses, drängten sich die frechen Tiger in Fussball Kleidung durch die Masse. „Na toll, die Welt ist klein“, knurrte Ellen als Noés Aufmerksamkeit auf sie gezogen wurde. Sascha funkelte Marie feindselig entgegen und Nino erhaschte einen Blick auf Amy, die ihn aber nicht weiterhin betrachtete.
„Hauptsache sie bleiben im Sicherheitsabstand“, scherzte Marie, die es weniger ärgerte.
Haltestelle Schwanenplatz stiegen die Mädchen, gefolgt von den Jungs, aus. Die Jungs zeigten aber kein weiteres Interesse und verschwanden in einer verlassenen Einkaufsgasse. Der tiefblaue Vierwaldstättersee trennte die Stadt in zwei Teile und liess die Sonne im Wasser spiegeln. „ Richtung Zentralbibliothek geht es gerade über die Kappelbrücke“, Amy deutete auf die alte Holzbrücke über dem See, wo sich nun dutzende Menschen hinüberschlängelten.
Die knarrenden Bretter beunruhigte Marie ein wenig, als sie über die Menschenüberfüllte Brücke schlenderten. Die meisten von ihnen waren aber keine Einwohner sondern Touristen. Vor allem aber Japaner, die jeden weiteren Schritt mit ihren neuen Kameras festhalten mussten. „Oje“, murmelte Amy und rückte näher zu Ellen. Zwei grosse Kampfhunde steuerten direkt auf sie zu. „Keine Angst“, beruhigte sie Marie. „Sie sind fest angeleint.“ Doch die Hunde verhielten sich so, was Amy an Hunden so gefährlich empfand. Der erste weiss Hund knurrte feindselig, legte seine spitzen Ohren an und zeigte seine gelben Zähne. Während der zweite Hund ebenfalls den Katzengeruch roch und bellend auf sie zu preschte. Automatisch fauchten die Mädchen drohend, wie sie es bei der Fuchsattacke gelernt hatten, worüber der Weisse zurückwich und der andere von seinem bärtigen Besitzer zurückgehalten werden musste. „Luna, Peggy was ist in euch gefahren!“, schimpfte der alte Mann zu seinen kläffenden Monstern. „Pass sie das nächste Mal besser auf ihre Kampfköter auf!“, fuhr Ellen den bärtigen Mann. Arrogant machte sie kehrt und Marie knurrte, gemeinsam mit Amy den winselnden Hunden entgegen. Dies soll euch gefälligst eine Lehre sein, Werkatzen anzugreifen!
„Der Mann hat ganz entgeistert gewirkt“, meinte Amy amüsiert. „Unser Fauchen hat ihm, sowie den Hunden, die Sprache verschlagen“, kicherte Marie und drückte die gläserne Bibliothekseingangstür auf.
In der grossen Bibliothek war es mucksmäuschenstill, einige Leute lassen in der Ecke, während andere mit leisen Schritten über den Boden huschten. Hinter der Informationsstecke sass eine hübsche, blonde Frau und bediente den Computer. „Was darf es denn sein?“, fragte sie mit einer süssen Stimme. „Hätten Sie ein historisches altes Buch über die Geschichte von Madagaskar?“, erwiderte Marie. Die junge Frau nickte: „Im Antiquariat, Reihe D, gleich neben dem Abschnitt altes Ägypten.“ „Vielen Dank“, sagte Amy freundlich.
Das Antiquariat war menschenleer und roch nach alten Büchern. „ Hier, Reihe D“, Marie bog in die Büchermauer ein. Schnell suchte sie die vielen braunen Bücher ab und entdeckte das gesuchte Buch neben einer Spinnwebe. „ Scheint schon seit Jahren verstaubt zu sein.“ Auf Zehenspitzen angelte Ellen das Buch, blies die Staubschicht weg und schlug es auf. Die Schrift konnte sie einigermassen gut Lesen und die vielen vergilbten Seiten machten einen nützlichen Eindruck. Unterdessen betrachtete Amy neugierig die Titel der Ägyptenabteilung. Das alte Ägypten und ihre Götter, Ägypter und der Tod, das grosse Geheimnis um die Pyramiden, las Amy gedanklich vor. Ein Buch entflammt ihre Neugier am Meisten. Die Rolle der Katzen im alten Ägypten und ihre Geschichte. „ Amy, kommst du?“, fragte Ellen mit dem Buch unter dem Arm. „ Einen Moment noch“, mit den Fingerspitzen zog sie das dicke Buch aus dem Regal. „ Was für einen Schmöker hast du denn aufgegabelt?“ Marie rückte näher um das Buch zu betrachten. „ Die Rolle der Katzen im alten Ägypten und ihre Geschichte“, antwortete sie und setzte sich an den nächsten Lesetisch. Interessiert sich beugten Ellen und Marie über ihre Schulter und lasen zusammen die erste Seite.
Im der Blütezeit des alten Ägyptens wurden Mäuse von den Kornkammern des Landes reichlich überfallen worüber ganze Ernten in Mäusemägen verschwanden. Die Mäuse lockten wiederum wilde Katzen an. Die Nahrung wurde durch die sanftmütigen Jäger schliesslich wieder gesichert. Kein Wunder, dass die Katzen verehrt wurden und als lebendige Vertreter der Göttin Bastet galten, die Göttin der Furchtbarkeit und der Liebe. Nach Legenden hatte Batet, welche eine Katze mit goldenem Fell war, andere Menschen das Geschenk gegeben eine Katze zu werden.
Ellen hörte mit Lesen auf. „ Amy, du hast doch eine Bastet in einem Traum gesehen, ist sie war sie eine Göttin der Ägypter oder eine Katze, die Hexenstein verstreute?“ „Beides zugleich“, antwortete sie. „Eine goldfarbene Göttin und eine Hexenstein Verstreuerin.“ „Lesen wir weiter“, drängte Marie und blätterte mit einem Rascheln auf die nächste Seite.
Die heiligen Vertreter in Tempel gehalten oder im Kornspeicher gezüchtet. Wer damals eine Katze tötete, konnte deswegen selber zum Tode verurteilt werden. Die Verehrung reichte so weit, dass Katzen nach ihrem Tode einbalsamieren wurden. Auch Pharaonen wurden Katzen mit ins Jenseits gegeben.
Auf den Handelskolonien der Ägypter wurden Katzen verkauft und als Mäusejäger auf Schiffen gehalten, gelangten die Katzen von Ägypten nach Europa und Asien. Vorerst aus allgemeinnützlichen Gründen, schnell fand die Katze durch ihre Geschicklichkeit bei der Jagd, durch ihr liebes und verschmustes Wesen, durch die Treue, Sauberkeit und Schönheit einen festen Platz im Leben der Menschen in Europa. Im frühen Mittelalter wendete sich der friedlicher Ruf der Katze. Vor allem schwarze Katzen galten nun als Verkörperung des Bösen mit zahlreichen magischen Fertigkeiten, sowie als Gefährten von Hexen und Auslöser von Krankheiten und Unfällen. Unzählige Tiere wurden als vermeintliche Unglücksbringer verfolgt und auf grausame Weise getötet, was negative Folgen für den Mensch hatte, dessen Städte ohne Katzen von den Ratten heimgesucht wurden, die vielfach die Pest mit sich brachten. Auch unzählige Frauen wurden angeklagt einen Pakt mit dem Teufel geschlossen zu haben und in Katzengestalt ihr Unwesen zu treiben. Es gab auch eine andere Sorte von Werkatzen, die gutmütigen Werkatzen, welche Bastet vertreten sollten. Aber auch die Gutmütigen wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Bis heute sind Werkatzen, gefolgt von Werwölfen immer noch angstverbreitende Mythenwesen.
Amy schluckte einen dicken Kloss und klappte das Buch zu. Was wäre passiert wenn Herr Müller sie gesehen hätte?
„Eines ist sicher, wir müssen besser aufpassen, dies müsst ihr mir versprechen“, murmelte Ellen, die offenbar von den gleichen schlimmen Gedanken geplagt wurde. „Natürlich, von jetzt an sehen wir uns zuerst um, bevor wir uns verwandeln“, schlug Marie vor. Im nächsten Moment kam eine alte Frau mit krausem Haar und dicken Brillengläsern um die Ecke. Die Mädchen verstummt, klappten hastig das Katzenbuch zu und verschwanden hinter dem nächsten Regal.
„Noch eine zweite Regel, wenn wir über übernatürliche Dinge sprechen, prüfen wir zuerst die Umgebung“, Amy spielte auf die alte Frau an. „Klar wie Klossbrühe“, unter Maries Arm klemmte das schwere Madagaskarbuch. Gerade wollten die wilden Krallen aus dem Antiquariat Torbogen verschwinden, stiessen Marie und Amy mit zwei Jungs zusammen und Ellen konnte gerade auf die Seite hüpfen. Marie fiel rücklinks auf den Allerwertesten und Amy purzelte gegen den hölzernen Torbogen. „Die Welt ist wirklich sehr klein“, brummte eine bekannte Stimme, die nur zu Sascha gehören konnte. Levin und Nino lagen ebenfalls niedergestreckt auf dem Boden und hielten sich ihre brummenden Schädel. „Tut mir leid“, nuschelte Levin beschämt, reichte Marie das Buch und anschliessend die verschwitze Hand. Nino machte es Levin mit roten Backen nach und reichte Amy ganz anständig die kleine Hand. Marie wurde es etwas warm ums Herz, als sie seine Hand fühlte.
Anstand haben sie also doch, dachte Ellen belustig, als sie ihre guten Manieren beobachtete. Noé starrte ihr in die blauen Augen und fuhr sich durchs Haar. Es machte Ellen verlegen und zugleich störte sie sein Verhalten. Ellen wolle von seinen Blicken fliehen aber Sascha schob seinen Körper dazwischen. „Genug geplaudert, jetzt lasst uns vorbei.“ „Genau, wir brauchen unbedingt ein Buch über Italien“, Noé änderte sein Verhalten. Auf Befehl von Sascha drängte er Levin und Nino voran und schenkte Ellen keine weitere Beachtung. „Bis auf Sascha und Noé haben sie sich heute anständig verhalten“, in Gedanken versunken blickte sie Nino nach, wie er hinter dem nächsten Regal verschluckt wurde.