Heute ist wieder einmal eins der grossen Feste der Awrighas. Wie immer, haben wir uns alle um ein riesiges Feuer versammelt. Der Rhythmus der vielen Trommeln, die im Einklang miteinander schlagen, bringt mein Blut in Wallung und ohne grossen Einfluss darauf zu haben, beginnt mein ganzer Körper in diesem Rhythmus mitzuschwingen. Die Awrighas lachen und nehmen mich an den Händen. Zusammen tanzen wir nun zu der kraftvollen Musik, dem sanften Klirren der edlen Schmuckstücke, welche die meisten Anwesenden tragen und dem Gesang der vielen, wundervollen Stimmen. Das Feuer lodert golden und sendet ab und zu kleine Glutpartikel in den sternenübersäten, nachtschwarzen Himmel.
Durch den Rhythmus und den Gesang, gerate ich irgendwie in einen tranceartigen Zustand. Auf einmal scheint alles um mich herum, wie in Zeitlupe abzulaufen. Ich stampfe wild mit meinen Füssen und doch ist mir, als würde ich schweben und in diesem Augenblick spüre ich ganz deutlich den Herzschlag, von Mutter Eden und… ich begreife, wie die Awrighas die Welt wahrnehmen. Dieser eine Moment, ist der entscheidende Moment, der einzige Moment der wahrlich zählt und dieser Moment ist das Hier und Jetzt!
10. Kapitel
Jael und Jaella waren Hals über Kopf, aus ihrem Heim geflohen. Sie liefen und liefen, bis sie nicht mehr konnten. Im Schutz einiger Felsen, liessen sie sich zu Boden fallen und beobachteten, ob man sie noch verfolgte. Entsetzen und Angst erfüllte ihre Seelen. Wie hatte es nur so weit kommen können? Warum wurden sie auf so schrecklicher Weise von Heliel verfolgt? Sie hatten doch nichts Böses getan, sie waren nur nicht mit seiner Art des Regierens, einverstanden gewesen. Für sie war klar, dass kein Wesen über ein anderes herrschen sollte. Dass sie nun verfolgt wurden, nur weil sie diesen Standpunkt klar vertreten hatten, verstanden sie beim besten Willen nicht. Zum Glück hatte sie ihre Kaiserin noch früh genug gewarnt. Tiefe Zuneigung zu Helala, stieg in ihnen auf. Sie war wahrlich eine reine, wundervolle Seele, ohne Falsch und noch immer mit ihrer einst himmlischen Heimat, verbunden, ein Leuchtfeuer der Hoffnung, für alle Lebewesen! Und von dieser hohen Seele waren sie auserwählt worden, mit ihr ein neues Leben zu beginnen. Was hatte sie noch zu ihnen gesagt: «Wir treffen uns beim heiligen Kirschbaum, welcher Blüten und Früchte, gleichermassen trägt!» Es gab nur einen solchen Kirschbaum in der Gegend und dieser lag auf einem Felsplateau, nicht weit von hier.
Sie blickten nach oben, über ihnen ragten die Berge auf. Irgendwo gab es einen schmalen Pfad der zu dem, als heilig geltenden Kirschbaum, führte. Doch es war ein anstrengender Aufstieg und manchmal nur schwer begehbar. Der Vorteil davon war, dass sie so nur schwerlich, von einer Armee verfolgt werden konnten, denn dafür war auf diesem Pfad schlicht nicht genug Platz.
Ziemlich bald hatten sie den Pfad gefunden und begannen nun mit dem Aufstieg. Dieser dauerte eine ganze Weile und der Abend brach schon langsam wieder herein. Der glühende Schein der Abendsonne beleuchtete die Berge und ihr einstiges Heimatdorf. Je tiefer die Sonne jedoch sank, desto mehr breitete sich der Schatten über das Tal aus. Von hier aus, wurde dieses Schauspiel erst richtig sichtbar. Einen Moment lang, blieb das junge Paar stehen und schaute wehmütig zurück. Ein tiefer Schmerz und ein Gefühl von Endgültigkeit, ergriff auf einmal ihre Herzen, hielt sie in eisigem Griff umfangen. Würden sie ihre Heimat jemals wiedersehen oder würde dies das letzte Mal sein? Tränen stiegen plötzlich in ihre Augen und Jael umarmte seine Gefährtin tröstend. «Was auch immer vor uns liegt, es wird das Richtige sein! Wir dürfen den Mut nicht verlieren. Wenn Helala die Wahrheit gesprochen hat, wartet ein neues, wunderbares Leben auf uns.» Jaella nickte zustimmend.
Eine Weile noch, standen sie so da, ein stilles Abschiednehmen, von ihrem alten Leben. Dann setzten sie ihren Weg fort.
Als die letzten Sonnenstrahlen erloschen waren und sich der klare Himmel, mit unzähligen Sternen, über ihnen ausbreitete, erreichten sie das Hochplateau mit dem besonderen Kirschbaum. Leider war es schon zu dunkel, um ihn noch zu sehen und sie beschlossen, im Schutze seines mächtigen Stammes, eng zusammengekuschelt, die Nacht zu verbringen. Es schien, als ob Heliel die Verfolgung aufgegeben hätte und schliesslich fielen ihnen vor Müdigkeit, die Augen zu.
Durch ein sanftes Anstupsen wurden die beiden am nächsten Morgen wieder geweckt. Die Sonne war bereits hinter den Bergen am Aufgehen und sie öffneten sofort die Augen. Die Angst vor Heliel und seinen Männern, sass ihnen noch immer in den Knochen. So waren sie zutiefst erleichtert, als sie in das sanft lächelnde Gesicht, von Helala blickten. Diese hatte sich umgezogen und trug nun eine schwarze Hose aus sanft fliessendem Stoff und einen blau- weissen Wams mit weiten Ärmeln, welcher mit goldenen Stickereien verziert war, die einen Kranich und eine Lotusblume darunter formten.
Auch in dieser, eher praktischen Kleidung, wirkte ihre Kaiserin noch immer sehr anmutig. «Aufwachen ihr Schlafmützen!» rief sie fröhlich und reichte ihnen etwas zu trinken und dazu etwas Brot. Dankbar nahmen die beiden dieses Frühstück entgegen. «Ich hoffe, die Nacht hier war nicht allzu unbequem. Ich musste aufpassen, dass mir Heliel nicht noch folgt, darum bin ich erst heute hierhergekommen. Es tut mir sehr leid, was ihr da erleben musstet, das hat euch bestimmt sehr schockiert.» «Ja… das kann man wohl sagen!» sprach Jael zwischen zwei Bissen. «Wie nur konnte es so weit kommen?» «Heliel ist leider viel zu verblendet. Er liess mich zwar von mir davon abhalten, euch sogleich weiter zu jagen, aber ich weiss nicht, ob er es wirklich aufgibt. Es ist gut, dass ihr den heiligen Kirschbaum aufgesucht habt. Er hat euch beschützt.»
Erst jetzt fiel dem Fürstenpaar wieder ein, dass sie sich noch gar nicht richtig umgeschaut hatten. Sie liessen ihre Blicke nach oben wandern und sahen tief beeindruckt, die rosafarbenen Blüten des Sakura Baumes über sich. Es war jedoch kein normaler Sakura Baum, sondern eben einer, der gleichzeitig auch noch Kirschen trug.
Diese Kirschen waren jedoch keine normalen Kirschen, sie waren herzförmig und von einer ziemlich hellen Farbe, welche sich den wundervollen Blüten harmonisch anpasste.
Jaella erhob sich und nahm eine der Blüten liebevoll in die Hand. «Sie sind wundervoll! Darf ich auch eine Kirsche probieren?» Jael zuckte zusammen. «Das kannst du doch nicht tun! Dieser Baum ist heilig!» Helala lachte und sprach: «Ach was, der Baum schenkt euch gerne von seinen Früchten. Nimm nur eine. Sie schmecken wahrlich herrlich!» Mit diesen Worten, pflückte sie zwei Kirschen und reichte eine davon Jaella. Die andere ass sie selbst. Entzückt schloss sie die Augen und seufzte. «Es gibt keine besseren Kirschen als diese hier!» Jaella nickte eifrig. Jael versuchte nun auch eine der süssen Früchte und musste zugeben, dass sie wirklich aussergewöhnlich gut schmeckten.