"Können wir nicht gleich Richtung Windun aufbrechen?", genervt folgte Shanora Church durch Finns Haus in den Bergen.
Church hatte sie zur Rückkehr gezwungen, er wollte mit Did über Norbert, den Nordmann, sprechen. Und hatte Angst sie könne abhauen, wenn er sie bei Marbas zurücklassen würde. Church verschwand die Treppen hinunter zu dem Labor, wo er Did vermutete.
Shanora setzte sich genervt an den Rand des Schwimmbads und starrte auf die Wasseroberfläche. Diese kräuselte sich leicht, als würde ein Windstoß darüber fahren. Shanora sah noch einmal genauer hin, dann begann es.
Sie sah Ilks brennen, die Straßen waren bis zum Krankenhaus mit Barrikaden versperrt.
"Sie brechen durch!", sie erkannte Lupus, der eigenartige Wesen, die aus den Schatten sprangen, abwehrte. Lange spektrale, schlangenartige, Körper, Säbelzähne und Spitze Augen. Schanolokus, Shanora hatte diese Biester schon einmal gesehen.
Dann dröhnte es, ein Cojomano raste durch die Barrikade und zerbrach sie, er explodierte. Diese abscheuliche Mischung aus einem dämonischem Stier und einem Löwen war ihr ebenfalls in der Armee von Treplew und Suma untergekommen.
Mit ihrem Aufprall auf der Wasseroberfläche verschwand die Vision, sie war in den Pool gefallen.
"Shanora!", Marbas zog sie sofort wieder heraus, "Ist alles in Ordnung?"
Shanora schüttelte den Kopf und stürmte hinab ins Labor, wo Church und Did sie schockiert musterten.
"Ja ich bin nass!", schrie sie die beiden an, "Aber dafür haben wir keine Zeit, Ilks wird von beschworenen Dämonen überfallen!"
Church wurde hellhörig: "Was? Aber..."
Shanora schnitt ihm das Wort ab: "Es sind dieselben, die Treplew beschworen hat! Wir müssen uns beeilen! Du musst sie aufhalten!"
Church eilte mit ihr die Treppen nach oben, wo Marbas wartete. "Geh nach Ilks, berichte mir dann, sofort!", schrie Church ihn an.
Shanora wollte protestieren, aber Church ließ sie nicht: "Marbas Haus ist von einem temporären Schild geschützt, die Statuen waren mit Runen versehen! Ihm kann nichts passieren!"
Shanora rannte zu ihrer Tasche, während Marbas verschwand: "Hier!"
Sie warf Church eine der Masken, die Lupus ihr gegeben hatte, zu dieser betrachtete sie eingehend.
Einen Moment später erschien Marbas wieder neben ihnen: "Ein Cojomano und einige Schanolorkus! Viele verletzte sind in den Wald vor Ilks geflohen!"
Shanora nickte: "Wir müssen uns aufteilen!"
Church schüttelte sofort den Kopf, aber Shanora warf ihm einen flehenden Blick zu.
"Ich habe Allister beim Versorgen von Wunden assistiert. Ich werde in den Wald gehen und sehen ob ich helfen kann! Du musst diese Wesen vertreiben, Church!", flehte sie ihn förmlich an. Church schien darüber nachzudenken.
"Gut, aber warte im Wald, bis ich dich hole, es ist mir sogar lieber dich fern der Stadt zu wissen!", beschloss er dann.
Shanora nickt und setzte sich eine der weißen Masken auf: "Bring uns hin, Marbas!"
Die Porzellanmaske lag eigenartig leicht auf Shanoras Gesicht, sie eilte weiter durch den Wald vor Ilks. Sie konnte nicht fassen, dass in den vielleicht 5 Stunden, in denen sie und Church bei Did gewesen waren, jemand das Dorf zerstört hatte. Sie waren massakriert worden, abgeschlachtet wie wilde Tiere.
Die Überlebenden waren nicht sicher, ob es sich nicht um einen Geist gehandelt hatte. Eine ältere Frau hatte nur gestammelt: "Finsternis! Der Dunkle war hier, er ist zurück! Er wird uns holen!"
Shanora hatte keine Ahnung, ob es sich bei dem Angreifer um den Dunklen gehandelt hatte. Church war sicher damit beschäftigt die Stadt zu sichern, sie hatte schon einigen verletzten helfen können. Manche hatten von maskierten Männern berichtet, die ebenfalls an dem Angriff beteiligt gewesen waren.
Unachtsam durch ihre Gedanken stieß sie beinahe in ein Mädchen, das richtung Stadt lief. Shanora betrachtete sie kurz, ihre Haare waren brombeerfarben, die Spitzen aber schwarz. Sie fielen lang und glatt weit über ihre Schultern.
Violette Augen musterten sie abschätzend: "Kann ich dir helfen, Maskenlady?"
Shanora wusste, dass sie noch nicht einmal ganz erwachsen sein konnte.
"Brauchst du Hilfe? Bist du bei dem Angriff verletzt worde?", fragte sie die junge Unbekannte. Diese riss die Augen auf und rannte an ihr vorbei, murmelte nur irgendetwas von einem Zuhause. Shanora überlegte kurz ihr zu folgen, beschloss dann aber weiter nach Verletzten zu suchen.
Shanora durchkämmte später den Wald, auf der Suche nach Spuren, die auf die Attentäter hinweisen konnten. Sie wusste, dass Church sie dafür hassen würde, aber sie war so wütend auf das, was hier passierte. Sie wollte, dass man die Verantwortlichen fasste, damit sie eine gerechte Strafe erhalten würden.
Plötzlich glaubte sie etwas zu hören, hinter einem kleinen Abhang. Sie verharrte einen Moment, wollte nicht entdeckt werden. Dann schlich sie langsam an den kleinen Abhang heran. Der Geruch von Blut stieg ihr in die Nase und sie konnte die Geräusche, die sie gehört
hatte, als das Keuchen eines Mannes identifizieren.
Langsam schlich sie den Abhang herunter, der Mann schien, was sie seinem schmerzverzerrtem Gesicht entnehmen konnte, kaum älter zu sein als sie. Dann dachte sie an den Raben, denn jeder Mensch auf gerade einmal 20 schätzen würde und beschloss, solange sie hier war kein Alter mehr zu schätzen.
Was ihr sofort auffiel war, dass er eine Elfenbeinhaut wie Allister hatte, glatt und Marklose, wenn man von den vielen Blutspritzern absah. Er hatte graues zerzaustes Haar, welches in sein Gesicht hing. Die Elfenohren fehlten, sonst hätte man ihn auf diese Entfernung glatt für Allister halten können.
Sie glaubte ihn schon einmal gesehen zu haben, war aber nicht sicher da das meiste seines Gesichts verhüllt war.
Shanora überlegte angestrengt, in diesem Zustand schien kaum eine Gefahr, für die zu bestehen also näherte sie sich weiterhin. Seine Kleidung war schwarz und der Überlänge Kragen seines Pullovers, der unter den zerfetzten Wams herausragte, hatte wohl dazu gedient sein Gesicht zu verdecken. Aber zu welchem Zweck? Ein Dieb? Oder schlimmer, einer der Attentäter der Mann sackte weiter zusammen und hielt sich die Brust.
Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Shanora überlegte angestrengt, wenn sie ihn hier zurücklassen würde, dann würde er sterben, mit Sicherheit. Sie hatte von einem Elfen der diesem Mann sehr ähnlich sah einen Basiskurs in erster Hilfe bekommen, war sie nicht
verpflichtet zu helfen? Vor allem konnte es sich auch um einen Dorfbewohner handeln, der bei dem Angriff verletzt worden war.
Sie schob ihre Zweifel beiseite und sprintete zu ihm. Er hatte immer noch seine Hände über die Wunde am Brustkorb gepresst, seine Augen wirkten verschleiert. Er war kurz davor das Bewusstsein zu verlieren.
Shanora schob seine Hände beiseite und legte ihre auf die Wunde.
"Von innen nach Außen", erinnerte sich an Allisters Worte und konzentrierte sich Ihre Kräfte hatten ihr noch nie wirklich gehorcht, sie betete also, dass es klappen würde.
Die ersten Sekunden geschah nichts, aber dann spürte sie die Energie in ihren Händen kribbeln. Sie fokussierte sich auf die Wunde, dachte an nichts anderes als sie zu verschließen.
"Ob er es schaffen wird?", fragte sie sich, "Bei dem Blutverlust ist das trotz meiner Hilfe nicht sicher.
Plötzlich spürte sie kalten Stahl an ihrem Hals. Erschrocken sah sie von ihren Händen auf, in die dunkelbraunen kalten Augen des Mannes, dem sie versuchte zu helfen. Jetzt war sie sicher ihn zu kennen, hatte sie vor dem Bäcker umgerannt.
Ob es sich bei den verschiedenen Augenfarben um Kontaktlinsen gehandelt hatte? Von seiner Freundlichkeit war allem Anschein nach nichts mehr übrig geblieben. Er hatte irgendwie einen Dolch gehoben und hielt ihr diesen jetzt an den Hals.
"Was...", seine zittrige Stimme klang einfach nur hasserfüllt, nicht mehr weich und liebevoll, "was... denkst du was... du hier tust?"
Shanora hielt inne, merkte das die Anstrengungen seinerseits die Wunde wieder aufreißen ließ.
"Ich versuche dir zu helfen!", erklärte sie, "Es wäre also überaus freundlich, wenn du deine Waffe senken würdest!"
Er stöhnte auf, sein Arm zitterte, Shanora spürte die Klinge an ihrem Hals tanzen.
"Nimm die Waffe runter, Idiot, du reißt die Wunde wieder auf!", schrie sie ihn an.
Seine dunkelbraunen Augen fixierten sie weiter: "Türkise Augen... wie er..." dann kippte er unverhofft nach hinten und sein Arm viel zur Seite.
"Idiot!", knurrte Shanora und gab ihr bestes um ihn am Leben zu halten. Was hatte er bloß damit gemeint? Kannte er etwa ihren Bruder? Sie hatte die Kontaktlinsen nach ihrem Sturz in den Chlorhaltigen Pool herausgenommen und ihr Gesicht hinter der Maske verborgen. Shanora hoffte, dass die Rettung dieses Mannes kein Fehler war.
Sie hatte auf dem Weg hier her eine alte Jagdhütte entdeckt. Nachdem sie seinen Zustand unter Kontrolle gebracht hatte, machte sie sich daran ihn da hinzuschleppen.
Er war, trotz des dürren Körperbaus, schwerer als angenommen. Sie beschloss die vernagelte Holztüre einfach einzutreten, Finn hätte das auch so gemacht. In der Hütte war nichts als eine Bank und ein verkümmerter Ofen, also bugsierte sie den Verletzten auf die Bank und richtete sich ein Schlaflager am Boden ein.
"Eine Decke als Matratze und noch eine zum zudecken", Shanora lächelte, "Finn hätte das gefallen!" Müde legte sie sich schlafen, sie war sich sicher, dass Church sie bald finden würde.
Als sie wieder erwachte war es stockfinster, sie erstarrte, spürte warmen Atem in ihrem Nacken. Eine Hand hatte sich um ihren Körper geschlungen und sie konnte Blut riechen. Sie wagte es für einen Moment nicht einmal mehr zu atmen, dann dachte sie an etwas, was ihr Bruder einst zu ihr gesagt hatte. "Angst ist auch nur das kurzfristige Fehlen von Mut Shan! Wenn du mutig bist und nie aufgibst kannst du alles schaffen!"
Shanora atmete tief ein, sie wollte mutig sein. Also packte sie die Hand, die sie in dieser Umarmung gefangen hielt und erhob ihre Stimme: "Was genau soll das hier werden?" Wieder spürte sie den warmen Atem in ihrem Nacken der ihr so großes Unwohlsein bereitete.
"Bleib einfach... liegen bis ich aufstehe... ich werde dir nichts tun! Mir ist so kalt... So furchtbar kalt...", presste der Verletzte hervor. Shanora fragte sich, was mit ihm passiert war seit dem Morgen vor der Bäckerei. Und warum sich jemand wie er auf einmal so sehr nach körperlicher Nähe sehnte, dass er sich halb bewusstlos auf den Boden begeben hatte. Irgendwie tat er ihr Leid, in seiner Stimme lag so großer Schmerz, also blieb sie liegen.
Als sie wieder erwachte war es früh am Morgen, es dämmerte gerade. Aber was war es, was sie weckte?
Ihr Name, gerufen durch den Wald: "Shanora, wo bist du?"
Shanora kannte die Stimme. Chruch, er suchte nach ihr. Gerade als sie sich aufrichten wollte wurde sie zurück auf den Boden gedrückt.
Der Fremde legte ihr einen Finger auf die Lippen, als sie ihn verzweifelt ansah, dann lockerte er seinen Griff und flüsterte ihr ein leises: "Danke" ins Ohr.
Shanora presste sie Augen zusammen, gefasst darauf das sie nun zum Schweigen gebracht werden würde. Aber der feste Griff verschwand, als sie die Augen aufriss war sie alleine. "Shanora!", Church stürmte zu ihr, "Bist du verletzt? Du bist voller Blut!"
Shanora nahm die Maske ab und erhob sich langsam. Sie zitterte immer noch am ganzen Körper: "Das Blut ist nicht von mir!"
Church verschnaufte erleichtert, dann fragte er: "Aber von wem dann?"
Shanora sah sich um, wie schon am Vortag, keine Spur mehr von dem Fremden.
"Von den ganzen Verletzten, die ich versorgt habe!", das war nicht einmal ganz gelogen.
"Die meisten haben es geschafft!", Church klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. Erst jetzt bemerkte Shanora die neue Naht in Churchs Gesicht.
"Was...", entsetzt starrte sie ihn an, er musste wirklich einiges eingesteckt haben.
"Es war hart, aber wir haben es geschafft!", erklärte er schnell und winkte ab.
"Und jetzt?", wollte sie wissen. Church deutete ihr ihm zu folgen und sie spazierten durch den Wald zurück zu der beinah völlig zerstörten kleinen Stadt.
"Jetzt fahren wir solange es eine Straße gibt Richtung Windun!", erklärte Church, "Aber dann musst du alleine weiter, ich muss in Illutia etwas regeln!"
Shanora nickte: "Kein Problem!"
Church deutete ihr sich zu beeilen: "Did meinte, dass es vor Windun eine alte Siedlung im Wald gibt, dort soll sich dieser Norbert zur Zeit aufhalten!"
Dann reichte er ihr noch ein Päckchen: "Darin sind neue Kontaktlinsen! Deine Augenfarbe ist zwar schön, aber ein wenig zu auffällig!"
Shanora dankte ihm und folgte ihm dann brav zurück nach Ilks.
Was sie dort erwartete schockierte sie zutiefst. Die Stadt lag in Schutt und Asche, Marbas Haus war das einzige, was noch im ursprünglichen Zustand verharrte.
"Was...", Shanora starrte verstört auf die Zerstörung vor ihr. Die Bewohner schienen schon damit zu beginnen den Schutt zu beseitigen um ihre Stadt wieder aufzubauen. Shanora hätte ihnen gerne dabei geholfen, aber sie wusste, dass sie Norbert finden musste. Um dem ein Ende zu setzen.
"Sie haben Lupus gefoltert und vor meinem Haus aufgehängt!", Marbas kam ihnen entgegen, er wirkte aufgebracht und nervös.
Shanora lief ein Schauer über den Rücken: "Dann müssen wir sofort her weg! Lupus wusste, was ich suche!"
Church knurrte genervt: "Verdammt! Was hast du sonst herausgefunden? Na los!"
Marbas ließ sich von dem unfreundlichen Ton nicht beeindrucken: "Die Ginn haben etwas gesucht, genauer gesagt jemanden! Aber ich denke nicht, dass es Shanora war!"
Shanora legte interessiert den Kopf schief. Wenn die Diener des Dunklen nicht nach ihr gesucht hatten, nach was dann?
"Ich denke sie suchten einen jungen Mann!", erklärte Marbas weiter, "Es gab Gerüchte über einen Kopfgeldjäger, der sich in der Stadt aufhalten sollte!"
Church schien damit mehr anfangen zu können: "Also waren sie auf der Suche nach Informationen?"
Marbas nickte: "Sie suchen was Finn gesucht hat! Und wer auch immer besagter Kopfgeldjäger war, er hat wohl Informationen die wir brauchen!" Shanora haderte mit sich selbst, aber dann begann sie zu erzählen. Von ihrer Begegnung mit dem eigenartigen Jungen Mann vor Lupus Bäckerei. Von den Ereignissen der letzten Nacht im Wald.