Am nächsten Morgen schliefen die beiden aus, um dann gemütlich mit der ganzen Familie zu frühstücken. Nachdem das Abendessen so gar nichts mit deutscher Küche zu tun hatte, geräucherter Rochen, war das Frühstück sehr vertraut. Isländer aßen hauptsächlich süß zum Frühstück, aber es gab auch Käse und Wurst zum Brot.
Nach einem ausgiebigen Frühstück verabschiedeten sich Steppi und Julia zu einem Tagesausflug, auf den sich Steppi schon lange gefreut hatte.
Sie hatten sogar das Familienauto bekommen und konnten damit nun richtung Osten ruckeln. Steppi war gerade dabei, auf die Landstraße abzubiegen, dann überlegte er es sich anders und fuhr noch einmal stadteinwärts.
Er bemerkte den irritierten Blick von Julia.
”Ich möchte dir noch etwas kurz zeigen so ich bin neugierig was du dazu sagen wirst. Es dauert nicht lange.”
Mit diesem Satz hatte er die Neugier in Julia angefacht. Sie konnte sich überhaupt nicht vorstellen, was er ihr zeigen wollte und auch als sie gestern durch die Stadt gefahren waren, war ihr nichts besonderes aufgefallen. Dennoch fuhr Steppi zielstrebig stadteinwärts und hielt am Randstreifen eines sehr großen Kreisverkehrs.
Immer noch wusste Julia nicht, was das sollte, aber da Steppi ausstieg, tat sie es ihm gleich und kam zu ihm. Steppi legte einen Arm um ihre Schultern und zeigte in die Mitte des Kreisverkehrs.
”Das ist das, was ich dir wollte zeigen. In der Mitte.”
Julia kniff die Augen zusammen, um dort etwas besonderes zu erkennen. Allerdings sah sie dort außer ein paar Steine auf der großzügigen Grünfläche nichts.
”Was genau meinst du denn?”, fragte sie deshalb nach einer Weile.
”In der Mitte das ist die Elfenhügel hier. So wir glauben, dass dort wohnen Elfen und deshalb wir bauen da nichts. Was sagst du dazu? Ich will es wissen.”
Einen Moment lang wog Julia ab, ob Steppi sie gerade verschaukeln wollte. Einerseits klang die Geschichte weltfremd, andererseits hatte Steppi eigentlich gar keinen Grund, ihr etwas vorzulügen.
”Das ist dein Ernst?”, fragte sie trotzdem nach und warf einen skeptischen Blick nach oben, zu ihm.
”Natürlich. In Island es geht viel um Elfen.”
Steppi war von der Skepsis nicht überrascht, eher belustigt. Er hatte ihre Reaktion sehen wollen, gerade weil er wusste, dass ein solcher Glaube in Deutschland nicht verbreitet war.
”Vielleicht kommen solche Sachen ja davon, dass man verrottetes Zeug isst, so wie gestern”, neckte Julia ihn, lächelte aber dabei.
”Ehrlich, es ist vielleicht ein bisschen verrückt, aber sympathisch. Lieber das als etwas schlimmes”.
Steppi grinste und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. Er fand, mit der Reaktion konnte er zufrieden sein, sie hätte ihn auch für verrückt erklären können.
„Du Steppi? Was passiert eigentlich wenn man diese Elfen ärgert? Wenn man zum Beispiel die Straße hier einfach durch die Hügel gebaut hätte?“.
„Dann sie sind wütend auf uns und es passiert etwas. Vielleicht es gibt viele Unfälle auf die Straße oder so, bis dann die Straße weg gemacht wird.“
Julia konnte sich ein Grinsen nicht ganz verkneifen. Um in diesen paar Brocken Vulkangestein Elfenwohnungen zu sehen, fehlte ihr die Vorstellungskraft. Für sie war es schwer vorstellbar, dass sogar Behörden davon beeinflusst wurden, aber so war nun einmal jede Nation ein wenig anders.
„Ich glaube, ich finde das süß. Es ist ein wenig verrückt, aber man tut ja damit niemandem weh, irgendwie ist das schon süß“, kommentierte sie das Ganze abschließend.
Steppi nickte zufrieden. „Möchtest du noch ein wenig hier bleiben oder wir fahren weiter?“.
„Ehrlichgesagt ist es hier durch die Autos schon ziemlich laut, ich hätte nichts dagegen, weiter zu fahren.“
Sie stiegen wieder ins Auto und Steppi lenkte den Wagen nun endlich doch aus der Stadt hinaus. Die Ebenen waren verschneit, nur selten ragte ein großer Gesteinsbrocken aus dem Weiss hervor.
„Steppi“, meinte Julia nach einer Weile, „du musst mir jetzt nochmal erklären warum wir schwimmen gehen. Es ist Dezember und du hast gesagt, das ist alles im Freien?!“.
„Ja, aber du wirst nicht frieren. Es werden viele Menschen da sein weil es ist ein Tourist spot, aber ich kenne auch ein geheimes Ort dort so wir können ein bisschen alleine sein. Ich glaube, dass es wird dir gefallen.“
Auch damit hatte Steppi Julia noch nicht überzeugt. Zwar vertraute sie ihm, dass sie dort Spaß haben würde, aber skeptisch war sie trotzdem.
Es dauerte nicht allzu lange, da sah man in der Ferne schon weißlich wabernde Dämpfe aufsteigen. Julia hatte von heißen Quellen gehört, die solche Dämpfe produzieren, aber nicht, dass es hier auf Island welche geben sollte.
„Da vorne man sieht schon die Dampf. Wir sind gleich da“, erklärte Steppi und Julia runzelte die Stirn.
Sie konnte sich nicht vorstellen, in einer heißen Quelle zu baden, sie kannte sie nur als viel zu heiße Quellen zum Baden.
Nach ein paar Straßenabzweigungen hatten sie einen Parkplatz erreicht, der weitläufig und sehr voll war.
„Wenn du sagst dass das eine Touristenattraktion ist, nehme ich an, dass wir da sind?“, bemerkte Julia trocken, während Steppi nach einem Parkplatz Ausschau hielt. Er nickte nur knapp und konzentrierte sich auf das Einparken.
„Ja, wir sind da“, sagte er schließlich, stellte den Motor ab und griff auf den Rücksitz, nach seiner Badetasche. „Komm, wir gehen.“
Julia griff nach ihrer Badetasche und folgte Steppi durch die schier endlosen Reihen parkender Autos. Das Schwimmbad oder was auch immer es nun war, musste gigantisch sein, wenn so viele Leute dort Platz fanden, schoss ihr durch den Kopf.
Steppi führte sie eine breite Steintreppe hinauf zu einem komplett verglasten Eingang. Das Glas spiegelte zwar, aber Julia konnte erkennen, dass es drinnen von Menschen nur so wimmelte.
„Willkommen an der blauen Lagune, ein Thermalbad. Glaube ich zumindest, das Wort habe ich extra nachgeschaut...“.
Julia lachte kurz auf. „Okay, zumindest gibt es das Wort und es klingt sehr entspannend. Lass uns reingehen.“
Steppi nahm Julias Hand und gemeinsam betraten sie den großen Eingangsbereich. Es wimmelte tatsächlich nur so von Menschen und auch wenn es viele Schalter für die Tickets zu geben schien, waren die Schlangen lange.
„Steinunn hat uns Tickets hinterlegen lassen, ich muss sie nur noch bezahlen gehen. Dann müssen wir nicht so lange hier anstehen“, verkündete Steppi und deutete dabei auf eine deutlich kleinere Schlange ganz links.
„Hat sie? Oh, deine Schwester ist großartig, da müssen wir uns nachher noch bedanken. Dann lass uns da an die Kasse gehen.“
Die Schlange wurde deutlich schneller kürzer als ihre Nachbarschlangen und dass Steppi die Landessprache beherrschte, half bei der Buchung natürlich auch. Schneller als selbst er erwartet hätte, hielten sie ihre Tickets in der Hand und gingen zum Drehkreuz.
Auch die Kabinen erinnerten sehr an ein Schwimmbad- mit der Ausnahme, dass sie zum Großteil wesentlich geräumiger waren, sodass sich Steppi und Julia gemeinsam umziehen konnten.
Nachdem die Taschen in Schließfächern verstaut waren, gingen die beiden durch getrennte Duschen und trafen sich dann an einer Glastür wieder, die nach außen führte.
Ein wenig irritiert runzelte Julia die Stirn. Sie hatte erwartet, im Inneren zumindest ein oder zwei Becken vorzufinden, für die nicht ganz so Hartgesottenen.
Steppi umarmte sie von hinten und tropfte ihr dabei auf die Haare.
„Gehen wir?“, fragte er und nickte zur Glastür.
„Aber… es ist kalt dort draußen“, murrte Julia unwillig und entlockte Steppi damit ein kurzes Lachen.
„Ja, aber nur kurz. Wenn wir uns beeilen es wird gleich warm.“
Unwillig, aber still ließ sich Julia von Steppi mit nach draußen ziehen. Die Kälte und der Schnee traf die beiden nach einer warmen Dusche wie eine Wand, gegen die sie liefen.
Mit schnellen Schritten eilten sie zum Beckenrand und Steppi versank sofort im Wasser. Julia betrachtete das Wasser noch einen Augenblick. Es dampfte und schimmerte dabei türkisbläulich, aber es schien warm zu sein. Davon, dass sich so viele Touristen, die hier schwammen, nicht irren konnten, ließ sich Julia schließlich überzeugen und glitt in das warme Nass.
Augenblicklich wurde ihr wärmer und am ganzen Körper kribbelte es angenehm. Das Wasser roch ein wenig salzig und wenn Julia sich konzentrierte, meinte sie, kleine Partikel auf ihrer Haut spüren zu können, vielleicht war das ja Salz? Ihre Gedanken wurden von Steppi unterbrochen, der sie an sich zog und umarmte. „Und, ist dir jetzt warm? Ist es besser?“.
„Ja, warm ist es. Was ist das genau für Wasser?“.
„Es ist voll mit Vulkan und Salz so es ist sehr gesund auch für die Haut, ich weiß dass es gibt viele Kranke die hier her kommen für ihre Haut wieder gesund zu machen oder dass es nicht mehr juckt. Aber so es entspannt auch, finde ich auch und es sagen auch alle.“
„Ja, das glaube ich, dass es entspannt“, grinste Julia. „Aber die vielen Leute entspannen mich nicht so sehr. Hattest du nicht mal gesagt, du kennst einen Platz, an dem es ruhiger ist?“.
„Ja, ich hoffe er ist noch da, man muss ein wenig zwischen Felsen sich quetschen, aber dann man kommt in ein kleines Lagune. Komm, ich zeige es dir.“
Es war ein wenig mühsam, sich halb schwimmend, halb laufend durch die Menschen zu schlängeln, aber schließlich hatten sie es an den Rand des Beckens geschafft, der von großen Vulkangesteinsbrocken markiert wurde. Die Lücken waren relativ groß, aber die wenigsten waren so groß, als dass man sich hätte hindurchquetschen können.
Steppi nahm Julia an die Hand und führte sie zu einer Lücke, die auf den ersten Blick zwar schmal war, wenn man aber seitlich hindurchging, war es erträglich. „Wenn du gehst hier durch es gibt ein kleines Lagune, du musst aber mit die Schulter zuerst und den Kopf zur Seite, sonst du steckst fest.“
„Na hoffentlich nicht“, murmelte Julia mehr zu sich selbst, folgte aber Steppi, der sich schon mit einer Schulter in dem Spalt befand.
Für sie war es einfacher, weil sie natürlich schmaler als Steppi gebaut war, aber auch Julia passte gerade nur so bequem hindurch.
Diese kleine, abgegrenzte Lagune war tatsächlich, bis auf Steppi und sie, Menschenleer und Julia seufzte zufrieden. Der Lärm war durch die großen Felsen ein wenig abgeschirmt, sodass sie sich zum ersten Mal wirklich entspannen konnte.
„Und, findest du es gut hier?“, wollte Steppi wissen.
„Ja, sehr, es ist gleich viel entspannter ohne die Leute. Die Idee war großartig Steppi, vielen Dank.“
Er lächelte glücklich und küsste Julia erst sanft, dann fordernder, während er sie eng an sich zog. Das Wasser erlaubte es ihm, ihre Beine um seine Hüfte zu schlingen und sie so fest an sich zu klammern.
„Ich liebe dich“, hauchte sie zwischen zwei Küssen, ließ aber Steppi nicht zu Wort kommen.
Genau so hatte er sich seinen Urlaub vorgestellt.