Meine beiden Freundinnen und ich sitzen am Kaffeetisch. Der Kaffee duftet herrlich, und der Apfelkuchen sieht köstlich aus. Wir wollen uns unterhalten, und in Ruhe Kaffee trinken, aber das gelingt uns nicht.
Die Tür fliegt auf, ein Knäuel unentwirrbarer Gliedmaßen wälzt sich ins Zimmer. Wir wissen, es müssten drei Jungs sein. Jede von uns hat einen Sohn. Aber im Moment sind sie nur durch ihre Haarfarbe zu unterscheiden. Wir sehen zwei blonde und einen braunen Schopf. Unsere Jungs sind wieder auf dem Kriegspfad.
Langsam löst sich das Knäuel auf. Benjamin stürmt weinend auf seine Mutter zu. "Mami, der Bernd hat mich gebissen!" " Ich war es nicht, das war Thorsten „schreit Bernd empört. Gleichzeitig versucht er vergeblich das neue Loch in seiner Hose vor seiner Mutter zu verbergen. Bernds Mama seufzt und versucht, ruhig zu bleiben. Die Hose war ja schon drei Tage alt. Bernd nimmt den Finger aus dem Loch und sagt: "Der Benjamin hat mich gestoßen." Thorsten, mein Sohn, hat sich in der Zwischenzeit erhoben und setzt sich Schutz suchend auf meinen Schoß. "Bernd hat Benjamin gebissen, das habe ich genau gesehen“, stellt er fest.
Damit ist für die Jungs alles erledigt. Wir Mütter versuchen, so neutral wie möglich zu bleiben. Schließlich wollten wir in Ruhe Kaffee trinken. Nach einigen Gläsern Apfelsaft, drei Tüten Gummibärchen und fünfzehn Minuten Pause beschließen die Helden Cowboys zu spielen. Ihr Kampfgeist lebt wieder auf. Sie wollen die Mädchen überfallen, die sich im Kinderzimmer am Ende des Flurs aufhalten. Jede Mutter hat noch eine Tochter. Jeder der Jungs hat eine Schwester. Die kreischen so schön, wenn man sie erschreckt. Wir Mütter versuchen sie davon abzuhalten, aber die Jungs sind nicht zu überreden, sie sind in ihrem Element. Bernd erklärt sich zum Anführer und setzt den beiden anderen seinen Kriegsplan flüsternd auseinander. Wir hören nur Worte wie: "Pistolen" und „an schleichen." Das Beißen und Löcher reißen von vorher ist vergessen. Nachdem sie sich alle drei vom perfekten Sitz ihrer Cowboyhüte und Gürtel überzeugt haben, stürmen sie los.
Wir setzen unsere Unterhaltung fort und trinken noch eine Tasse Kaffee. Doch bald darauf kommen die Jungs mit hängenden Mundwinkeln zurück. "Mami, wir haben unsere Pistolen vergessen, die Mädchen haben uns ausgelacht, blöde Gänse“, murmelt mein Sohn in seinen aufgemalten Bart. Nun beginnt die Pistolensuche. Bernd und Benjamin kriechen unter die Eckbank und suchen nach den Kampfwerkzeugen. Thorsten öffnet den Kühlschrank und findet darin die erste Pistole. Die zweite und dritte finden sich im Schuh eines Mädchens und hinter dem Ofen wieder. Nachdem unsere Helden einen Liter Saft und drei Tafeln Schokolade verschlungen haben, versuchen sie die Munition in die Pistolen einzulegen. Benjamin versucht es allein. "Ich hab’s ich hab’s, „ schreit er und hüpft aufgeregt im Zimmer auf und ab. Dabei lässt er die Pistole fallen und die Munition fällt auf den Boden.
Nun laden wir Mütter unseren Söhnen die Pistolen. Wieder wird der Hut aufgesetzt, der Sitz des Gürtels überprüft, der Bart gestrichen. Die Helden der Prärie pirschen langsam und leise in Richtung Mädchenzimmer.
Lange Zeit bleibt es ruhig, und wir hoffen dass sie friedlich mit den Mädchen spielen. Es gelingt uns ein Stück Kuchen zu essen, bevor das unvermeidliche Gebrüll erneut ertönt. Diesmal stürmen die Mädchen kreischend zu uns ins Zimmer, um Hilfe zu holen. Die Jungs sind auf Bauch, Knien und Ellbogen durch den Garten gerobbt, um die Mädchen hinterrücks zu erschrecken. Dabei stießen sie auf eine schlammige Stelle. Sie sind nicht nur dreckig, sondern auch nass. Nun dürfen wir Heldenmütter unseren Söhnen die schlammigen Hosen ausziehen. Nebenbei müssen wir die aufgebrachten Mädchen beruhigen. Nachdem alle drei Jungs in Unterhosen dastehen, ziehen sich die Mädchen befriedigt zurück. Sie sind die moralischen Sieger.
Unsere Helden beschließen nun, mit Autos zu spielen. Erschöpft setzen wir Mütter uns auf unsere Plätze.
Nach einiger Zeit hören wir ein leises Tuscheln. Der nächste Kriegsplan wird geschmiedet. Aber dann erinnern die Jungs sich ihrer fehlenden Hosen. Die hängen im Garten auf der Wäscheleine. "Wir können die Mädchen nicht in Unterhosen überfallen" stellt Bernd fest. "Einen Cowboy in Unterhosen habe ich noch nie gesehen“, gibt Thorsten zu, und Benjamin nickt zustimmend. So fällt für diesmal ihr Plan ins Wasser. Denn Heldentum und Kampfbereitschaft erfordern nicht nur Mut, sondern auch Bekleidung.
Wir Heldenmütter aber werden tapfer, einig und treu die dreckigen Hosen in die Waschmaschine stecken, und die aufgeschlagenen Knie der Jungs bepflastern.
Und wir werden uns fragen, ob das wohl noch lange so weitergeht. Vielleicht wird unser heldenhafter Einsatz auch einmal belohnt?
Nun habe ich keine Zeit mehr um weiter zu schreiben. Denn eben ist mein Sohn in den Goldfischteich gefallen. .der Held von Morgen braucht meine Hilfe.