„Die Liebe ist langweilig“ sagte sie und schmiss den Stein in den See. Wir saßen hier umgeben von Grün und Straßenlärm. Ich wollte schon lange raus aus der Stadt , aber ihr Lächeln hatte mich hier behalten. Und nun sagte sie, sie finde die Liebe langweilig. „Weißt du, man ist eine Weile verliebt und dann langweilt man sich wieder.“ „Aber diese kleinen Momenten sind es doch , an denen wir uns freuen oder nicht ? „ Sie grinste mich belustigt an, wie einen kleinen Jungen, der gerade offenbart hat, dass er Astronaut werden will. Ich mag es nicht, wenn die Leute mich mit diesem Blick bedenken. Ich gelte als ein Träumer, mich hat noch Niemand ernst genommen. Eigentlich tue ich das noch nicht einmal selbst. Ich wollte mich mit der Realität nicht zufrieden geben, nicht solange die Ideen in meinem Kopf und junges Blut durch meine Adern fließt. Der Tag war mild und die Sonne strahlte der Müdigkeit und dem Stress entgegen, den die Leute ausstrahlten. Wir saßen hier an diesem See und bekamen davon für eine kleine Weile nichts mit. Ich hatte noch nie versucht ihre Hand zu nehmen. Sie wusste was ich für sie empfand und deswegen sagte sie all diese Dinge , die mir so wehtaten, damit ich es gar nicht erst versuchte. Damit gar nicht erst Jemand versuchte, sie zu lieben.
Ich verstehe nicht, warum sie es nicht wollte, doch es war wohl nicht meine Aufgabe das zu verstehen. Ich kann mich in Andere nicht einfühlen, ich bin egoistisch. Den Vorwurf hat man mir schon oft genug gemacht, danach saß ich in meinem Zimmer und grübelte darüber nach und kam zu dem Schluss das sie Recht hatten, nur um dann kurz darauf die selben Fehler zu machen.
Obwohl ich so ein Egoist bin, erzähle ich nicht gern über mich selbst. Über die Wahrheit. Ich erzähle nicht gern darüber, dass ich Nächte wachliege, um an jemand bestimmten zu denken, ich möchte auch nicht über meine Unsicherheit reden oder darüber wie absolut unentschlossen und einsam ich eigentlich bin.
Stattdessen rede ich über das wenige Positive oder versuche von meiner eigentlichen Situation abzulenken.
Sie lachte nicht oft. Sie lacht , wenn es draußen ausnahmsweise mal nicht tobte. Sie lacht, wenn die Musik schwermütig und der Text traurig ist. An jedem freien Freitagnachmittag auf dieser Parkbank. Ihr Haar war sehr dunkel und das Weiß ihrer Haut war schon fast unangenehm. Sie hatte schöne Augen und einen schönen Mund. Meistens trug sie eine Lederjacke, selbst an kälteren Tagen. Ihre Haltung war verkrampft, als ob sie versuchte etwas zurückzuhalten.
Meine Gefühle quetsche ich in ein paar Textzeilen, die es nicht beschreiben. Ich hätte gern einmal das kühle Rot ihrer Lippen gekostet. Der See vor uns lag still und unschuldig an seinem Platz. Um uns herum leerte es sich langsam. Ich merkte wie sie unruhig wurde. Wir hatten die übliche Zeit überschritten. Sie war immer die Erste die ging, sie ließ mich die Distanz bei jeder Gelegenheit spüren, doch wir konnten trotzdem nicht ohne einander. Sie brauchte meine Schwärmerei und ich ihre Arroganz. Sie war der Antrieb, doch einmal etwas aus meinem Leben zu machen, aber noch nicht jetzt. Das sie blieb, war für mich die Gewissheit, das es noch keinen Zwang zum Handeln gab. Ich handelte ungern, auch wenn mir die Gegenwart immer verhasst war und der Erfolg selten auf meiner Seite stand. Das Verlieren fühlte sich vertraut und richtig an, wenn ich einmal gewann, traute ich der Belohnung nicht.
Ihr Blick war starr, als wollte sie auf den Grund des Sees schauen. Schon seit Minuten hatte sie kein Wort mehr gesagt und das Schweigen wurde langsam unangenehm. Ein Schweigen in das Niemand hineinreden wollte, denn umso länger man wartete, umso schwerer wurden die Worte auf der Zunge und so fremder wurde ihr Sinn.
Nachdem noch eine kleine Weil verstrichen war, stand sie auf, strich sich den Staub des Tages von ihren Kleidern und verschwand in die Richtung, in die ich nicht musste. Ich hatte nie einen Vorwand ihr zu folgen, wie gern würde ich die vier Wände erkunden, die sie tagtäglich umgaben und in denen sie ihre Gedanken ausbreitete. Ich habe einen Menschen noch nie allein gesehen, oder einen, der alleine zu sein glaubte. Und selbst wenn, dann würde ich nur die schöne Hülle betrachten können, die den Sturm, der in den Meisten von uns tobte schütze.
Es interessierte sie nicht was ich fühlte, sie suchte meine Nähe, um das Fehlen ihrer Eigenen zu kaschieren.
Mich überkam oft die Hoffnung, dass ihr Herz meines mochte, aber sie sich das einfach nicht eingestehen wollte, warum sonst kam sie jeden Freitagnachmittag an diesen See und schenkte mir ihre Worte und ihre Gedanken, die sich über die Woche bei ihr angestaut hatten ? Wir führten eine Beziehung, die rein geistlicher Natur war und in der Platz für andere Menschen war. Selten findet man Menschen, mit denen man sich körperlich und mental versteht, entweder will man den Körper nicht oder die Gesprächsthemen gehen aus. Auch wenn wir oft schwiegen, wussten wir warum wir es taten. Nicht aus Ratlosigkeit oder Peinlichkeit, sondern aus Respekt. Sie spielte gerne mit Gegensätzen, wenn sie redete. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie wollte verwirren und keine Klarheit schaffen. Sie liebte die Kompliziertheit, wenn etwas einfach war, verlor sie schnell das Interesse. Der Klang ihrer Stimme hatte etwas Unschuldiges und ohne sie zu fragen, wusste ich dass sie das hasste.
So lange werde ich sie nicht sehen, noch einmal atme ich ihren Duft ein, der schon verflogen ist, aber ich kann ihn noch riechen.
Ich denke in letzter Zeit oft über das nach, was mir fehlt, vor allem über das Atmen.
Mit jedem ihrer Worte hat sie mir die Luft abgeschnürt, ihr leichter Klang legt sich in meine Gedanken. Sie hat mich aus meinem Körper vertrieben.