Die Gemeinheiten, die sich Harry und Mads ausdachten, waren kaum erwähnenswert. Neben wenigen Sticheleien schienen sich die beiden hauptsächlich für Steppi und Julia zu freuen, selbst Mads unterließ seine Anmachen gegenüber Julia. Später berichtete sie dem besorgten Steppi alles in einer Nachricht, um ihn zu beruhigen.
Am darauf folgenden Sonntag verbrachten die beiden erst einen gemeinsamen Nachmittag im Neckartal, bevor Steppi seine Freundin wie versprochen mit zu sich nach Hause nahm. Er hatte es nicht geschafft aufzuräumen und hoffte, sich noch ein wenig davonstehlen zu können, um in der Küche das Schlimmste zu beseitigen.
Steppi wohnte ländlich, in einem kleinen Haus in Rot in einer schmalen Seitenstraße. In sein weißes Haus mit den knallroten Ziegeln hatte er sich beim Kauf sofort verliebt. Es war nicht riesig, aber sehr wohnlich und er hatte Ruhe vor Vermietern – der Hauptgrund des Hauskaufs. Hinter dem Haus gab es einen kleinen Garten, der für eine kleine Feier gerade groß genug war, allerdings hatte es bisher keine gegeben.
Nicht weit weg von ihm wohnte Oli, der Teammanager und so hatte er immer jemanden, zu dem er gehen konnte, falls er etwas brauchte.
”Und du hast dir das Haus wirklich gekauft?”, fragte Julia immer noch etwas ungläubig, „wie kommt man denn darauf, sich mit 24 ein Haus zu kaufen? Den meisten in dem Alter fehlt das Geld, aber du weißt ja noch nicht mal, ob du lange hier bleibst – natürlich wünsche ich es mir“, fügte sie dann noch schnell hinzu, nachdem sich Steppis Gesichtsausdruck verfinstert hatte.
„Ja das ist richtig aber ich hatte so viel Geld so ich habe geguckt was ich kann machen und im Internet stand, dass Haus kaufen etwas gutes ist. Wenn ich muss gehen dann ich kann immer noch verkaufen, aber vielleicht ich muss auch gar nicht. Gefällt es dir nicht?“.
Er war von der Skepsis ein wenig gekränkt, eigentlich hatte er sich eine andere Reaktion erhofft. Andererseits hatte Julia auch irgendwie Recht, dass es ungewöhnlich war. Sie war nicht die Erste, die erstaunt darauf reagiert hatte.
„Doch, es sieht süß aus. Es ist nicht sehr groß aber es ist ja auch nur für eine Person. Vernünftig ist die Investition auf jeden Fall. Mit 24 ist eben nicht jeder so vernünftig, vielleicht sind deshalb so viele überrascht von deiner Geldanlage.“
Sie versuchte Steppi damit ein wenig zu besänftigen, denn Julia hatte an seinem Gesichtsausdruck gemerkt, dass ihre Reaktion Steppi nicht glücklich gemacht hatte. Jetzt aber entspannten sich seine Gesichtszüge und wurden sogar von einem kleinen Lächeln geziert.
Julia griff nach Steppis Hand und zog ihn zur Tür. „Komm, jetzt zeig mir mal wie dein Haus innen aussieht, ich bin neugierig. Schließlich soll ich darin ja auch wohnen.“
Steppi wusste nicht Recht, ob er sich darüber freuen sollte, dass Julia zusammenziehen noch in Betracht zog oder dass er sich angesichts seines Chaos in der Wohnung von dem Gedanken lieber gleich verabschieden sollte. Er meinte, sein Herzklopfen sogar im Hals zu spüren, so groß war seine Aufregung, als er die Tür aufschloss und das Haus vor Julia betrat, um sie herumführen zu können.
„Wenn ich viel spiele es sieht immer etwas schlimm aus, es tut mir leid. Ich hatte noch kein Zeit um viel aufzuräumen, nur ein bisschen“, nuschelte er eine Entschuldigung und hoffte, sie damit beruhigen zu können.
Interessiert ließ Julia ihren Blick wandern. Das Haus wirkte von außen zwar klein, aber natürlich war es nichts gegenüber ihrem Ein-Zimmer-Loch. Vom Hausgang aus gingen mehrere Zimmer ab: Küche, Toilette sowie Bad. Der Gang führte auf ein großes, geräumiges und durch bodenhohe Fenster helles Wohnzimmer zu. Durch das Wohnzimmer gelangte man in ein Schlafzimmer, das Julias Schlafcouch in den Schatten stellte.
Grinsend registrierte Julia den sicher ungewaschenen Haufen Wäsche auf dem Bett.
„Das kriege ich irgendwie nie organisiert, mit genug Wäsche meine ich“, grummelte Steppi vor sich hin und machte damit Julias grinsen nur noch breiter.
„Ist okay, du reist viel, ich weiß. Wie wäre es, wenn du eine Wäsche rein machst, die könnte durchlaufen, bis du mir den Rest gezeigt hast oder was du auch immer noch mit mir vor hast?“, schlug Julia vor. Eigentlich wollte sie damit Steppi entgegen kommen, aber sie machte ihn, für sie unverständlich, nur noch nervöser.
„Naja“, murmelte Steppi, versenkte die Hände in seine Hosentaschen und wandte den Blick in die Luft. Er hatte das Gefühl, dass er hätte daran denken müssen, dass Julia ihm helfen wollte. Irgendwie hatte er es erfolgreich verdrängt und den Wäschehaufen deshalb nicht zur Seite geräumt. Jetzt kam die Strafe dafür. Julia runzelte verwirrt die Stirn und nagelte ihn mit ihrem Blick geradezu fest, sodass er ins Schwitzen kam.
„Naja“, begann er wieder, „weißt du, eigentlich mein Wäsche ich mache gar nicht selbst, meistens das macht Eivor für mich oder wenn meine Mama ist da oder meine Schwester.“
Er wurde dabei immer leiser und hatte sich schon damit abgefunden, dass ihn Julia jetzt für völlig unfähig halten und so schnell wie möglich flüchten würde.
Julia wusste nicht, ob sie ungläubig den Kopf schütteln oder Lachen sollte. Das Klischee vom haushaltsunfähigen Singlemann war zwar weit verbreitet, aber sie hatte es Steppi eigentlich nicht zugetraut. Im nächsten Moment schalt sie sich, dass sie Steppi bisher eigentlich noch nie darauf angesprochen hatte, eigentlich hätte sie es also gar nicht wissen können.
„Hast du überhaupt Waschmittel da?“, fragte sie dann. Sie hatte sich entschieden, nicht ungläubig den Kopf zu schütteln, es würde nichts bringen außer Streit.
„Ja, ich glaube schon. Auf der Waschmaschine es steht zumindest irgendeine Verpackung.“
Nun schüttelte sie doch den Kopf, aber lächelnd. „Sag mal, du lebst schon über ein Jahr alleine, wie hast du überlebt?“.
Mit einem nervösen Lächeln tippte Steppi mit seinen Fußspitzen abwechselnd auf den Boden, wie immer wenn ihm etwas unangenehm war. „Naja, meine Frauen in mein Leben waren immer da, so meine Mutter, meine Schwester und Eivor, die Frau von ein Kollege vom Handball, sie ist meine andere Mama.“
Julia seufzte und kuschelte sich nah an Steppi. Sie wusste nicht, ob sie jetzt schon einen Mann zum Haushalt erziehen wollte. Außerdem hatte sie Angst, sich dabei viel zu streiten. Außerdem waren sie gerade mal eine Woche ein Paar, lange war das nicht wirklich. Andererseits hatte sie sich schon ein wenig in das Haus verliebt. Es bot so viel Platz, den sie in ihrem beengten Zimmer nicht hatte. Hier fühlte es sich eher an wie ein Zuhause. Und sie liebte Steppi wirklich, es fühlte sich nicht an wie eine angenehme Freizeitbeschäftigung. Für sie war es etwas Ernstes, etwas Langes.
Die Stille ließ Steppis Anspannung noch weiter wachsen. Er war froh, dass Julia noch nicht weg gerannt war und sich an ihn kuschelte, er schlang beide Arme um sie. Allerdings wusste er nicht, ob es vielleicht das letzte Mal war, dass sie sich an ihn kuschelte. Die Anspannung machte ihn fast verrückt und er überlegte schon, etwas zu sagen, als Julia schließlich doch sprach.
„Es ist schwer gerade. Einerseits denke ich, wir sind nicht lange zusammen und es gibt vielleicht viel Streit wenn ich dir dauernd sagen muss, was du im Haushalt machen sollst, denn ich alleine kann nicht alles machen. Andererseits gefällt mir das Haus wirklich gut und ich habe sehr viele Gefühle für dich, ich will lange mit dir zusammen bleiben und dann sowieso irgendwann mit dir zusammenziehen. Ich weiß nicht, was richtig ist jetzt.“
Erleichtert atmete Steppi auf. Es klang nicht nach einer angewiderten Absage, zumindest nicht ganz, so viel hatte er verstanden.
„Ich möchte auch nicht, dass es gibt Streit. Du kannst mir viel zeigen, ich möchte lernen eigentlich. Aber sonst niemand hat viel Zeit um mir alles zu zeigen, sie machen einfach und dann ich habe keine Arbeit mehr. Bitte bringe es mir bei so wir können zusammen alles machen.“
Seine Unsicherheit in der Stimme brach ihren letzten inneren Widerstand. Ihr war es egal, dass es Hals über Kopf war, ihr war es egal, dass es vielleicht zum Scheitern verurteilt war. Sie wollte Steppi ganz, mit Haus und allem.
„Steppi ich weiß nicht, ob es funktioniert, ich kann nicht hellsehen. Aber ich will es gerne versuchen mit dir. Ich vermisse dich so sehr wenn du nicht da bist und wenn ich weiß, dass du zu mir nach Hause kommst ist es gleich ein ganz anderes Gefühl. Vielleicht geht es auch schrecklich schief, aber das weiß man vorher ja eigentlich nie.“
Steppi küsste Julia überschwänglich auf den Mund, bis beide keine Luft mehr bekamen. Mit einem breiten Grinsen verteilte er Küsse auf ihren Haaren, ihrer Wange, ihrer Stirn, während er ihr Gesicht in den Händen hielt.
„Ich freue mich sehr, dass du hast dich entschieden so“, jubelte er und küsste sie ein weiteres Mal auf die Stirn.
„Das merke ich. Ich denke, das ist die richtige Entscheidung. Mein Herz sagt nicht nein. Ich freue mich, bei dir zu sein.“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Steppi langsam und intensiv. Der Gedanke, seine Lippen bald fast jederzeit spüren zu können, löste wahnsinnige Glücksgefühle in ihr aus.
„Ich muss mich noch darum kümmern, meine Wohnung zu kündigen“, seufzte Julia dann, „zwei Wohnungen kann ich mir nicht leisten. Ich will hier ja schließlich auch etwas bezahlen.“
„Das musst du nicht, ich habe genug Geld für uns beide“, warf Steppi ein, aber Julia schüttelte den Kopf.
„Nein, ich will das machen. Ich bezahle das Essen und die Haushaltssachen oder so, aber ich möchte nicht, dass du mich finanzierst, ich bin alt genug.“
Steppi nickte, er konnte ihren Wunsch nachvollziehen. Obwohl es ihm nichts ausgemacht hätte, alles alleine zu bezahlen, war er stolz darauf, dass Julia sich eine Art Eigenständigkeit bewahren wollte.
„Steppi, hast du Hunger? Ich habe langsam“, murmelte sie dann, ihre Stimme war leise und klang schläfrig.
„Dann wir müssen vielleicht einkaufen. Wenn ich war weg ein paar Tage mein Kühlschrank ist immer leer“, gab er zurück und erntete dafür ein leidendes Seufzen.
„Okay, das ist nachvollziehbar. Dann lass uns einkaufen.“
Steppi konnte sein Glück immer noch nicht fassen, als er Julia nach draußen begleitete, bewaffnet mit Einkaufskorb und Autoschlüssel. Sie hatte tatsächlich zugestimmt!