Ein kalter Lappen auf der Stirn weckte Finn aus seinem traumlosen Schlaf.
Er öffnete kurz die Augen und hustete.
"Du musst trinken!", hörte er Yalhans Stimme, "Hier trink, aber langsam!"
Eine Schale wurde ihm an die Lippen gehalten und sein Kopf leicht angehoben. Finn trank gierig ein paar Schluck, dann wurde die Schale wieder entfernt.
"Langsam, du hast drei Tage hier gelegen!", Yalhan half ihm sich aufzusetzen, Finn kannte diesen Ort.
Das ganze Holz, die Stühle und Tische. Beim letzten mal waren weniger Spinnweben hier gewesen. Badrias Gasthaus.
"Du bist noch hier?", fragte er Yalhan, der schon viel fitter aussah als in der Zelle.
Yalhan nickte eifrig, er schien beinahe beleidigt über diese Verwunderung von Finn zu sein.
"Natürlich, du hast mich im Verlies vor diesem Ding gerettet und mir zur Flucht verholfen, dachtest du ich lasse dich nach unserer Bruchlandung hier liegen und gehe meine Wege? Außerdem: Wo soll ich denn hin? Ich bin in einen Riss gestürzt und hier gelandet! Ich weiß nicht einmal wo hier ist! Ich lernte eure Art zu sprechen und schlug mich irgendwie durch, aber dann wurde alles anders. Es fing an als dieser Typ aufgetaucht ist! Ich wurde von ihm gefangen und in den Kerker dieser komischen Burg geworfen, sie haben mir Fragen gestellt! Vor allem der Blonde mit der schwarzen Maske und den unheimlichen Augen...", empörte sich der Dunkelelf und rannte dabei auf und ab.
Finn erhob sich zitterig, für einen Moment war er nicht sicher ob sein Kreislauf für diesen Schritt bereit war.
"Du hast deinen Körper beinahe zerstört!", hörte er die Stimme des Nachtschattens vorwurfsvoll durch seinen Kopf rauschen.
Kurz musste Finn sich sammeln, dann wendete er sich wieder Yalhan zu: "Wir finden einen Weg damit du wieder nach Hause kommst! Keine Sorge!"
Yalhan blieb stehen: "Was stimmt den mit dir nicht? Ich meine außer das du dich einfach in einen riesigen schwarzen Drachen verwandeln kannst?"
Finn war verwirrt und wischte sich den Schweiß von der Stirn, zu stehen kostete ihn viel Kraft.
"Du hast dich vor mich gestellt und mich gerettet. Und willst mir weiter helfen? Ich fühle mich nutzlos!", Yalhan runzelte besorgt über den Zustand seines Gegenübers die Stirn.
Finn hustete kurz, dann lächelte er: "Ja, so machen wir das! Wir müssen nur aus dem Limbus kommen, Treplew hat hier die Kontrolle übernommen!"
Yalhan versuchte den Namen zuzuordnen: "Treplew... Treplew... Nein das war nicht der Name des Blonden!"
Finn wurde hellhörig, hatte Treplew sich unter einem falschen Namen vorgestellt? Und wenn ja, warum das ganze?
Yalhan begann hinter der Theke des Gasthauses alle Laden zu durchwühlen, dann zog er zufrieden eine leere Glasflasche hervor und verstaute diese in seinem Rucksack.
"Er sagte er wäre der Dunkle, wir sollten ihn mit König Alectos ansprechen!", beantwortete er Finns unausgesprochene Frage und suchte weiter nach nützlichen Gegenständen.
Finn überlegte: "Das ist ein Synonym für den Erzteufel! Warum sollte Treplew diesen Namen verwenden und sich als den Dunklen ausgeben?"
Yalhan lachte auf: "Was dieser Irre tut oder nicht ist seine Sache, ich empfand großes Mitgefühl für die Mädchen an seiner Seite!"
Finn horchte sofort auf, er hätte sich ohrfeigen können nicht früher an sie gedacht zu haben.
"Die Mädchen", er schnellte zu Yalhan, "wie waren ihr Name? Badria? Cecilia?"
Yalhan überlegte: "Badria, ja ihr Name war Badria! Sie war in Ketten gelegt mit einer anderen Frau, sie schienen das mit ansehen zu müssen! Dann noch diese Beraterin mit den unheimlichen roten Augen. Sie hatte so ein eigenartiges Zeichen auf der Stirn und schien nur auf Befehl des Blonden zu sprechen. Als hätte er die völlige Kontrolle..."
Im selben Moment klopfte es an die Türe des Gasthauses, der Dunkelelf und sein Begleiter erstarrten sofort.
Yalhan duckte sich hinter der Theke und Finn nahm die Gestalt des weißen Tigers an um den Eindringling willkommen zu heißen.
Das grelle Sonnenlicht verbarg vorerst das Gesicht der Fremden, ihre Stimme war Finn aber sehr wohl bekannt.
"Kein Grund zur Sorge, Bruder, ich komme um dich um etwas zu bitten!", Mari fixierte den weißen Tiger, der daraufhin wieder zu seiner eigentlichen Gestalt zurück kehrte.
"Du nennst mich Bruder?", fragte Finn überrascht.
Mari lachte verächtlich: "Dachtest du etwa ich hätte es nicht gewusst? Du kannst vielleicht Celles und Saphira, wie auch Vanessa täuschen, aber wir beide sind uns in vielen Bereichen ähnlich, Bruder!"
Finn zuckte zusammen, das konnte nur eines bedeuten.
Mari wusste um sein Geheimnis.
"Wir sollten nicht darüber sprechen!", er deutete in Richtung der Theke, was Mari sofort zum Schweigen brachte.
Yalhan kam hervor und stellte sich neben Finn um sich vor zu stellen.
"Es ist mir egal wer er ist!", Mari schien keine Zeit für den Gast zu haben, "Versprich mir etwas Bruder! Ich werde dich nur einmal in unserem Leben um etwas bitten!"
Finn legte erwartungsvoll den Kopf schief.
Mari atmete tief ein, dann begann sie: "Ich weiß, dass Badria in Sicherheit ist und nichts zu befürchten hat. Aber du wirst sie retten und da raus holen! Meine Tochter wird keine Dienerin sein!"
Finn nickte: "Das war sowieso mein Plan! Ich werde niemanden hier im Stich lassen! Sie ist schließlich meine Nichte!"
Mari war zwar immer noch genervt von seiner Überheblichkeit, aber sie gab sich damit zufrieden.
Sie begab sich wieder zum Ausgang, dann drehte sie sich noch einmal um: "Jemand verfolgt euch! Ihr müsst gehen!"
Finn nickte ihr dankbar zu: "Sag mir noch eines, wo ist Shanora? Ist sie zuhause?"
Mari seufzte: "Auch wenn ihr nicht wirklich verwandt seid, sie benimmt sich dir ähnlich, ist aufgebrochen um nach dir zu suchen. Allister ist ihr Begleiter, du kennst ihn ja!"
Das beruhigte Finn zwar ein wenig, doch gefiel ihm der Gedanke nicht das Shanora in dieser Zeit durch die Weltgeschichte streifen musste.
"Er wird sie nach Illutia bringen!", stellte Finn fest, "Dort wird er sie in Sicherheit vermuten!"
Mari zwinkerte ihm zu: "Du warst immer ihr Vorbild, denkst du wirklich sie wird dort bleiben?"
Finn streckte sich und winkte Mari zum Abschied, er wusste genau das Shanora nicht bleiben würde.
Yalhan schnappte seinen Rucksack und nickte Finn zu: "Ich bin bereit zum Aufbruch! Lass uns noch Wasser holen, ich habe als wir abgestürzt sind einen Fluss gesehen, nicht weit von hier!"
Finn schüttelte den Kopf: "Dafür wird es keine Zeit mehr geben! Wir müssen sofort los! Ich kann die Gestalt des Drachen noch nicht wieder annehmen, aber die des Tigers! Du musst dich gut auf meinem Rücken fest halten!"
Yalhan zuckte mit den Schultern: "Wie dir beliebt, aber wir müssen uns bald um Verpflegung kümmern, das was ich noch habe reicht nicht mehr lange!"
Finn nickte: "Ich bringe dich in Sicherheit, du musst mir einen großen Gefallen tun!"
Yalhan legte den Kopf schief, er fragte sich was er für diesen mächtigen Jungen tun konnte.
"Du musst ein Treffen mit mir und meiner Schwester organisieren! Weit weg von allen anderen! Ich muss ihr ein paar Dinge sagen!", erklärte Finn.
Yalhan verstand den Zusammenhang überhaupt nicht und war verwirrt: "Was ist hier den los? Mir kam es immer recht friedlich vor, aber..."
Finn unterbrach energisch ihn: "Ich bin der Dunkle! Meine Schwester ist eigentlich nicht meine Schwester sondern die weiße Königin von Elensar! Wie du siehst trete ich mein Erbe mit Füßen und will Shanora auf den Thron helfen! Komplizierte Geschichte!"
Yalhan war nur noch verwirrter, er setzte sich auf die Stufe vor dem Gasthaus: "Das klingt alles ziemlich eigenartig! Und warum behauptet der Blonde zu sein was du bist?"
Finn lachte: "Naja, Treplew ist ein wenig... sagen wir wahnsinnig!" Ein eisiger Wind fegte ihnen den Staub des Bodens ins Gesicht, Yalhan fröstelte plötzlich.
Auch wenn er nie eine Begabung für Magie gehabt hatte, so konnte er die düstere Präsenz förmlich spüren.
"Wahnsinnig also", die Stimme schwang voller Dekadenz und Hass zu ihnen, "so nennst du mich?"
Finn verwandelte sich zurück und ballte wütend die Hände zu Fäusten, sie hatten zu lange gebraucht. Aus dem wirbelnden Staub schoss eine gehörnte Gestalt auch Finn zu, durchbohrte ihn mit einem schwarzen Schwert.
Yalhan erschrak als er einen Schwall Blut ins Gesicht bekam. Finns Körper zitterte, für so einen Angriff war er einfach noch zu schwach. Das grinsende Gesicht des Wesens, welches vor lange Zeit, da war Yalhan sich sicher, einmal ein Elf gewesen sein könnte, betrachtete sein Werk voller Zufriedenheit.
Die langen graublonden Haare vielen ihm leicht ins Gesicht und seine gelben Augen erinnerten Yalhan an eine Schlange. "Treplew", keuchte Finn, "wie ich sehe hatte ich was deinen Geisteszustand betrifft recht!"
Treplew zog sich in die Staubwolke zurück, Yalhan starrte Finn hilfesuchend an.
"Verschwinde", zischte dieser ihm zu, "geh aus dem Weg er wird wieder angreifen!"
Yalhans Kopf rauschte, er konnte, und wollte vor allem, nicht aus dem Weg gehen. Auch er hatte das ein oder andere Talent.
Und nur weil er kein Duell der Zaubermeister austragen konnte würde er Finn nicht zurück lassen.
Er fixierte die Wolke, es musste ein Anzeichen dafür geben wann dieses Monster wieder zuschlagen würde.
Und da war es, eine Unregelmäßigkeit in den Wirbeln.
Yalhan riss das Schwert aus Finns Brust und parierte damit den Schlag von Treplew. Aus dessen Fingern waren lange Klauen geschossen, diese schienen so unfassbar hart zu sein, dass sie Kerben auf der Klinge hinterlassen hatten.
Treplew machte einen Satz zurück und schrie wutentbrannt auf: "Der Meister hätte euch töten sollen, schwarzer Elf! Aus dem Weg oder ich zerschmettere euren Leib!"
Yalhan dachte nicht daran auf die Seite zu gehen: "Ha! Ja das hätte dein Meister wohl gerne! Und jetzt hör mir mal genau zu! Ich habe keine Lust ständig Ärger zu bekommen, aber immer zur Seite zu gehen und andere kämpfen lassen ist mehr als unehrenhaft!"
Treplew stürmte auf ihn zu, diesmal würde er keine Chance zum parieren haben.
Finns Stimme klang zwar kläglich, aber seine Worte brachten Treplew zum Stillstand: "Sie haben Allison im Verlies getötet! Hat dein Meister dir das gesagt?"
Dieser Moment reichte aus, Finn konzentrierte all seine Kraft auf seine Hand und schlug damit auf den Boden. Blaue Blitze zuckten um sie herum, Yalhan stürzte ab.
"Sag Shanora das ich sie nicht verlassen habe! Geh mit ihr nach Osilia, dort werde ich euch treffen! In drei Tagen!", hörte er Finns entfernte Stimme noch, dann verschwand er in dem Riss.
"Warum hast du das getan?", Treplew starrte fassungslos auf den blutüberströmten Finn.
Dieser schenkte ihm nur ein verächtliches Lächeln: "Du wirst es nie verstehen! Dieser Yalhan kann vielleicht nicht mit unserer Art von Stärke konkurieren. Aber das ist egal, er ist ein Held! Yalhan der Held! Diese Art der Stärke kannst du nicht würdigen, was Treplew?"
Treplew lachte als Finn nach seinem Vortrag noch eine große Menge Blut ausspuckte. Er war sich seines Sieges sicher. "Du hast recht", er näherte sich Finn langsam, "für Schwäche hatte ich noch nie etwas über!"
Dann schlug er mit seinen Krallen nach Finn und traf ihn am Bauch, diese stießen aber auf einen zu harten Untergrund. "Was...", Treplew zog seinen Arm zurück.
Finns T-Shirt war aufgerissen, darunter konnte man schwarze Schuppen entdecken.
"Du schlägst immer auf die selbe Stelle, Idiot!", schrie Finn ihn an. "Du kannst sie kontrollieren", stellte Treplew ungläubig fest, "die Kraft des Nachtschattens!"
Finn hob seinen Arm, dieser wurde von dunkler Energie umhüllt die an seinen Fingerspitzen Krallen bildeten, so wie bei Treplew. "Ich kann meine Kräfte nicht nur sehr gut kontrollieren Treplew", Finn schlug nach ihm und verpasste ihm eine klaffende Wunde an der Schulter, "ich lerne auch von meinem Gegner! Jetzt lass uns das beenden!"