»Bitte triff mich auf dem Weihnachtsmarkt an der Eislaufbahn. Du wirst mich erkennen, wenn du kommst!«
Ich knüllte den Zettel in meiner Hand zusammen und sah mich um.
Jetzt ließ ich mich also schon auf Spielchen ein, die irgendein Mädchen mit mir trieb? Na ja, Fakt war jedoch, dass meine Neugier gesiegt hatte, oder? Ich war auf dem verdammten Weihnachtsmarkt, obwohl ich dieses pseudofröhliche Getue mehr hasste als alles andere und blickte zur Eislaufbahn rüber, ob ich jemanden kannte.
Und tatsächlich ... dieses glänzende Rot dort drüben kannte ich. Es gab nur ein Mädchen an der Schule, das eine solche Haarfarbe hatte. Und ihre war im Gegensatz zu meiner zu hundert Prozent echt.
Ich schob meine Hände in die Jackentaschen und versuchte, das verräterische Grinsen aus meinem Gesicht zu wischen. Ich freute mich ehrlich, sie zu sehen.
Ich stand auf sie, aber ich würde mir lieber ins Knie schießen, als ihr das zu sagen. Immerhin war ich immer noch Castiel, der Eisprinz, der niemanden leiden konnte oder ein Mädchen an sich heranließ. Liebe war für andere, nicht für mich.
Ich ging auf sie zu und warf ihr den zusammengeknüllten Zettel an den Kopf.
»Stalkst du mich jetzt schon, dass du geheime Botschaften schreibst?«
Sie drehte sich um und lächelte. Ich war gut darin, mein Gesicht unter Kontrolle zu halten, aber meine Knie wurden trotzdem weich.
»Du konntest der Neugier also nicht widerstehen?«, fragte sie und schob sich eine ihrer Haarsträhnen unter die Mütze. Ihre Wangen waren gerötet, ebenso ihre Lippen und sie war so verdammt hübsch, dass ich sie hätte küssen wollen. Doch stattdessen legte ich mein übliches Grinsen auf und konterte nur:
»Und du musst ganz schön verzweifelt sein, wenn du nicht mal deinen Namen unter die Nachricht schreibst. Kein Wunder, so wie du gebaut bist.«
Sie neigte ihren Kopf und verzog ihre süßen Lippen.
»Charmant, Castiel, wirklich. Aber ich bin nicht hier, um zu streiten, ich wollte gern Schlittschuhlaufen mit dir ...« Sie wandte das Gesicht ab und ich war mir nicht sicher, ob die Röte ihrer Wangen von der Kälte kam oder wegen mir.
Konnte es sein, dass sie mich mochte? Eigentlich kabbelten wir uns in der Schule nur. Ich mochte das, weil sie nicht gleich zu schreien begann, wenn man mal einen Scherz machte. Anders als Amber.
Also zuckte ich nur die Schultern. »Mir ist kalt, ich würde lieber was Warmes trinken. Aber diese Weihnachtsdudelei geht mir auf die Nüsse.«
»Dann komm mit, Schlittschuhe ausleihen, dann wird dir auch warm.« Sie ging voran und ich konnte einfach nicht anders und folgte ihr. Diese Winterkleidung verdeckte zu viel ihres Körpers, aber sie erschien trotzdem ungeheuer elegant. Ich sagte zwar immer gern, dass sie flach wie ein Brett war, aber eigentlich fand ich ihre Figur echt toll.
Murrend nahm ich die Schuhe entgegen und setzte mich zu ihr. Sie lächelte, während sie ihre Kufen umlegte, als hätte sie den ganzen Winter nur darauf gewartet, hier zu sein. Mit mir.
»Also? Denk nicht, dass ich dich auffange, wenn du auf deinen Hintern fällst.«
Sie stand auf und betrat das Eis. »Ich mache mir, was dich angeht, schon lange keine Vorstellungen mehr, Castiel. Du bist eben so. Und das ist schade, wirklich.«
Sie stieß sich ab und glitt über das Eis, während ich sitzenblieb und ihrem wehenden Haar nachsah.
War es wirklich so? War ich unverbesserlich, wenn es darum ging, jemandem zu zeigen, dass ich ihn mochte? Als ich sie im Sommer am Strand traf und dieser Australier Dakota sie angemacht hatte, wäre ich vor Hass auf diesen Kerl beinahe geplatzt. Ich hatte mich für eine Sekunde hinreißen lassen, ihn angebrüllt und sie von ihm befreit. Und dann?
Hatte ein blöder Spruch von mir es zunichte gemacht. Das war ein halbes Jahr her und sie war immer noch dasselbe für mich wie damals.
Ein heimlicher Schwarm und das nur, weil ich immer wieder den Schwanz einkniff!
Ich folgte ihr auf das Eis und holte sie ein. Als ich zu ihr aufschloss, drehte sie das Gesicht weg.
»Bist du sauer?«
»Nein. Ich hatte nichts anderes erwartet. Du bist eben ein Arsch. Eigentlich...« Sie verstummte.
»Eigentlich?«
»Vielleicht ... du willst doch eigentlich gar nicht hier sein. Geh einfach wieder, wenn ich dir so auf die Nerven gehe ...«, flüsterte sie und ich stoppte meine Fahrt.
Sie war verletzt. Ich zog sie gern damit auf, dass sie ja nur auf mich stehen konnte, so wie sie mich in der Schule stalkte, aber wirklich daran geglaubt hatte ich nie. Und nun ... war es vielleicht doch so?
Ich blickte auf die weihnachtlichen Buden und versuchte, das jämmerliche Gedudel zu ignorieren, als ich das Eis wieder verließ. Ich spürte ihren Blick in meinem Nacken, aber mir war soeben eine Idee gekommen.
Ich wollte nicht mehr feige sein. Ich wollte, dass sie meine Freundin wurde. Und das noch heute!
Ich gab die Schuhe zurück und machte mich auf die Suche nach einer ganz bestimmten Bude. Ich ließ eine Menge Kohle da, aber das war sie mir wert.
Mit einer Tüte bewaffnet sah ich mich nach ihr um. Sie war nicht mehr auf dem Eis, also suchte ich sie, während es zu schneien begann. Ich fand sie auf einer Bank sitzend, unter einem großen Baum und zarte Schneeflocken hatten sich auf ihren glänzenden Haaren niedergelassen. Sie saß zusammengekauert da und hatte die Hände im Schoß verkrampft. Mir lief es kalt den Rücken runter, als ich sah, dass sie weinte.
»Hey, Mina ...«, sprach ich sie leise an und sie begann hektisch, ihre Wangen abzuwischen, bevor sie mich ansah.
»Du bist noch da?«, murmelte sie verstopft.
»Ja ... und ... ich bin ein Idiot. Ich hab dir was mitgebracht, denn ich muss dir was sagen ... schon eine ganze Weile eigentlich.«
Sie sah mich skeptisch an, als ich das erste Lebkuchenherz aus der Tüte zog. Es war ein kleines mit der Aufschrift Es tut mir leid!. Sie schmunzelte, sah aber noch immer traurig aus.
»Das wolltest du mir sagen? Danke ... das wäre das erste Mal.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein ... das war das erste von dreien.« Ich reichte es ihr und sah sie einen Moment unentschlossen an. Mein Herz hämmerte so hart gegen meine Brust, dass es wehtat. Weitere Schneeflocken schmückten ihr wundervolles Haar und ihre braunen Augen lagen noch immer auf mir.
»Also?«, fragte sie und ich schluckte. Mit zitternden Händen griff ich wieder in die Tüte und zog das zweite Herz heraus. Ihre Augen wurden groß, als sie las, was darauf stand.
»Meinst du das ernst?« Ihre Stimme zitterte und sie fuhr mit ihrem Zeigefinger über die geschwungenen Worte Ich liebe Dich.
Ich nickte und es war nicht nötig, ihr das dritte Herz zu geben, das sie eigentlich auffordern sollte, mich zu küssen. Sie war aufgesprungen und tat es völlig von sich aus.
Und plötzlich war die Winterkälte verschwunden.
~~ ENDE ~~