Tessa
Als ich zu den anderen zurückkehre, haben meine besten Freundinnen die Neuen bereits in die Mangel genommen. Thalia hat sich rechts von der bebrillten Blondine fallen gelassen, während sich Jil neben der etwas mutigeren von beiden postiert hat.
Möglichst selbstbewusst laufe auf meinen schwarzen High Heels auf die vier Mädchen zu. Gespielt freundlich reiche ich ihm jeder der Neuen einen Drink.
Beide wirken ziemlich misstrauisch und eine von schnüffelt sogar vorsichtig an dem Getränk. “Kommt schon, Ladys“, ich setze ein falsches Lächeln auf: “Ich vergifte euch doch nicht.“ “Ach nein? Irgendwie würde ich dir das aber zutrauen“, faucht die Brünette regelrecht.
Ich lege den Kopf schief und beiße mir auf die Lippe. Irgendwie muss ich sie dazu bringen zu trinken, sonst können wir unsere ‘Willkommensprüfung‘ vergessen. In meinem Kopf rasen die verschiedensten Gedanken umher.
“Wir hatten wirklich keinen guten Start und ich denke, dass wir nochmal neu anfangen sollten“, ich strecke dem Mädchen meine Hand hin:“Ich bin Tessa Grayham. Und ihr?“ Die Frage schiebe ich hinterher, weil ich wirklich vergessen habe, wie sie heißen.
“Mit Sicherheit n…“, setzt die Braunhaarige an, wird allerdings von ihrer Freundin unterbrochen. “Ja, ich glaube, dass es eine gute Idee wäre, nochmal neu anzufangen. Ich bin Carly Shaffer“, stellt Carly sich vor, bevor sie auch die Dunkelhaarige zeigt: “Und das ist Isabelle Alici.“ Isabelle starrt das andere Mädchen ein wenig beleidigt an: “Also ich vertraue ihr nicht, Carly.“
Ich muss mich wirklich bemühen, um nicht mit den Augen zu rollen. Wie kann ein Mensch nur so stur sein. Trotzdem versuche ich nett zu bleiben. Die Tatsache, dass ‘nett‘ die kleine Schwester von ‘ scheiße,‘ ist, blende ich zu diesem Zeitpunkt lieber einfach mal aus. “Großartig, wäre es dann nicht eine gute Idee auf unsere neue Bekanntschaft anzustoßen?“, starte ich einen neuen Versuch sie endlich zum Trinken zu bringen.
“Ich weiß ja nicht“, Carly kratzt sich unsicher am Hinterkopf, doch Thalia schreitet ein: “Ach komm schon. Nur Langweiler trinken auf Partys nicht und ihr wärt ja nicht alleine. Wir machen mit.“ Auf ihre Lippen schleicht sich teuflisches Grinsen. Langsam beginnt es mich zu verwundern, dass sie viel eifriger bei der Sache ist, als ich selbst.
“Na gut“, Isabelle beißt sich auf die Lippe. Wahrscheinlich war es das Wort ‘Langweiler‘, dass sie überzeugt hat. Schließlich würde keiner gerne direkt in der ersten Woche von allen in der Stufe als langweilig abgestempelt werden wollen.
“Großartig“, schalte ich mich nun wieder ein und gieße Thalia und auch mir selbst ein Glas Hugo ein. Dass ihre Getränke viel stärker sein werden, als unsere eigenen, ahnen die Neuen zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise noch nicht.
Als ich auch Jil einen Drink hinhalte, schüttelt sie abwehrend den Kopf: “Ne, heute trink ich nicht mit, Leute. Tut mir leid.“ Ein wenig enttäuscht blicke ich sie an, respektiere aber ihre Meinung. Schließlich will ich sie auch nicht zwingen. Sowas machen Freunde nicht.
“Gut, dann halt nur mit Thalia“, ich reiche meiner Freundin ihr Glas, bevor ich mein Eigenes an die Lippen setze. “Auf eins“, verkündet sie sofort und beginnt runter zu zählen: “Drei!“
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie die beiden sich unsichere Blick zu werfen. Fast hat es den Anschein, dass sie noch nie etwas getrunken haben, aber sicher liege ich, was das betrifft falsch. Schließlich gibt’s an normalen Schulen mit Sicherheit auch mal ab und zu Hauspartys. Besonders in unserem Alter. Da kommt man ja kaum noch um sowas herum.
“Zwei“, zählt meine Freundin weiter, während die anderen die Behältnisse ebenfalls zu ihrem Mund führen. Völlig bereit wirken sie allerdings nicht. Stattdessen könnte man sogar sagen, dass sie sich nicht sicher zu sein scheinen, was in solch einer Situation zu tun ist.
“Eins“, die letzten Buchstaben des Wortes gehen ein wenig unter, weil sie bereits zu trinken begonnen hat. War ja klar, dass sie auf diese Aufgabe am heißesten ist.
Auch ich beginne zu trinken, beobachte die anderen beiden allerdings dabei aus dem Augenwinkel.
Sie halte die Augen so fest geschlossen, dass man denken könnte, sie würden gerade versuchen aus einem Albtraum aufzuwachen. Trotzdem kippen beide alles konsequent hinunter.
Natürlich ist Thalia – wie sollte es auch anders sein – als erste fertig. Darauf folge ich, dann Carly und zu guter Letzt Isabelle. Ich hätte zwar gedacht, dass Carly die Letzt wäre, doch so soll es mir auch recht sein.
“Sagt mal Mädels“, setzt Thalia, mit einem breiten Grinsen auf den Lippen, an: “Habt ihr Lust auf ein Spielchen?“
Etwa eine halbe Stunden später sitzen wir mit einigen anderen Jungs auf dem Teppichboden im Wohnzimmer und spielen ‘Ich hab noch nie‘. Normalerweise muss man bei dem Spiel einen trinken, wenn man es doch schon gemacht hat, doch glücklicherweise kannte sowohl Isabelle als auch Carly das Spiel nicht. Das hat uns die Möglichkeit gegeben die Regeln ein wenig abzuändern.
Anstatt Shots zu trinken, muss man nun Kleidungsstücke ausziehen. Doch dies geschieht nicht, wie normalerweise, wenn man es schon gemacht hat, sondern, wenn man es noch nie gemacht hat. Mir persönlich spielt das ungemein in die Karten. Schließlich habe schon fast alles gemacht, was einem vielleicht spontan einfallen könnte.
“Ich habe noch nie …“, beginne ich nun schon zum dritten Mal:“ … das Auto meiner Eltern zerstört.“ Normalerweise würde ich damit echt nicht prallen, aber in diesem Spiel kommt mir dieser, zugegebenermaßen nicht gerade einmalige, Fehler zu Gute.
Ich trage noch fast all meine Kleidung, was irgendwie schade ist. Nur meinen Schuhen musste ich mich bisher entledigen. Im Gegensatz zu mir tragen Carly und Isabelle viel weniger Kleidung. Gerade jetzt in diesem Moment zieht Carly ihr graues T-Shirt aus, sodass sie nur noch in ihrem BH und ihrer Hose da sitzt, während Isabelle nicht mal mehr diese geblieben ist.
Anfangs haben beide sich zwar kräftig geniert, doch mehrere Drinks später, waren sie so entspannt, wie zwei Kiffer in den Niederlanden.
“Hey, Isabelle. Gib mal dein Handy her“, meldet sich Thalia nun zu Wort: “Wir sollten ein paar Bilder für Instagram machen. Als Erinnerung.“ Zwar hat Thalia bereits so viel gesoffen, dass ich mich frage, warum sie nicht schon lange kotzen im Bad sitzt, scheint aber selbst in diesem Zustand noch total besessen darauf zu sein, unseren Plan durchzuziehen.
Wir haben uns nämlich gedacht, dass sie in diesem Zustand nur zu gerne ein paar Bilder mit uns machen und sie dann auch mit der Welt teilen werden. Schließlich hat jeder so einen Fehler schon mal gemacht, als er das erste Mal betrunken war. Zwar waren meine Bilder nicht schlimm, aber das heißt nicht, dass ich die Neulinge verschonen werde.
So lernen sie schonmal, wie schnell sich Gerüchte an dieser Schule verbreiten. Man könnte sogar schon sagen, dass ein Patzer in unserer Stufe schneller zum Gespräch wird, als die neue Folge ‘Keeping up with the Kardashians‘.
Mir unbekannte Worte vor sich hin lallend, reicht Isabelle meiner Freundin das Handy, nachdem diese verlangt hat. Schnell drapieren Carly, Isabelle und auch ich selbst um die Schwarzhaarige herum, um mit aufs Bild zu kommen.
Ohne um Erlaubnis zu bitten, öffnet Thalia Instagram und anschließend die Fotofunktion, bevor sie zu posieren beginnt. Isabelle legt ihren Kopf auf die Schulter meiner besten Freundin, während Carly sich im Hintergrund bemerkbar zu machen versucht. Irgendwie ist mir in diesem Moment die Lust auf ein Foto vergangen. Viel lieber beobachte ich das ziemlich bescheuerte Verhalten der anderen.
Isabelle tut erst so, als würde sie mit dem Handy flirten, während Thalia Bilder von ihr macht, tauscht dann ein paar heiße, ausgiebige Zungen sowohl mit Carly, als auch mit Thalia aus. Nicht, dass das etwas Besonderes wäre.
Das wirklich Lustige folgt aber erst einige Sekunden später, als Isabelle versucht sich von ihrem BH zu befreien, der sie einzuengen scheint. Im betrunkenen Zustand ist das allerdings gar nicht so leicht. Das weiß ich aus Erfahrung selbst gut genug.
Mit einem gütigen Lächeln auf den Lippen reicht die Dunkelhaarige, die nun die Kontrolle über das Ganze übernommen zu haben scheint, mir das Handy und zwinkert mir verschmitzt zu. Sofort ist mir klar, was sie von mir verlangt. Ich soll unbedingt Fotos machen.
Vielsagend wirft mir Thalia erneut einen Blick zu, während sie versucht Isabelle ihren BH zu öffnen.
Genau in diesem Moment ereignet sich etwas, was viel Foto-reifer ist, als das, was Thalia geplant hat. Erst hält Isabelle sich die Hände vor den Mund und lässt einige Würgegeräusche verlauten. Dann verändert sich Isabelles Gesichtsausdruck wie in Zeitlupe und wenige Sekunden später erbricht sie auf das Oberteil meiner besten Freundin.
Das ist der Augenblick, an dem ich mich nicht mehr beherrschen kann. Ich beginne laut loszuprusten und nutze die Gelegenheit, in der alle Umstehenden auf die Szene starren, aus, um eine ganze Serie an Bildern schieße. Das ist echt die beste Party seit langem.