Sie saß in der kleinen Runde zusammen mit acht weiteren Mädels. Sie trug einen gelben Wollpulli, der ihren Karamell-Hautton hervorragend zur Geltung brachte. Ihre langen, gepflegten braunen Haare lagen elegant auf ihren Schultern. Ein Lächeln auf den Lippen und stets einen flotten Spruch, so lernte ich sie kennen. Ich sah sie an diesem Tag zum ersten Mal. Sie wirkte selbstsicher und stolz. Ihr geschminktes Kunstwerk glich der Arbeit von vier Stunden, wenn ich selbst den Versuch wagen würde, mich auffallend ansprechend zu schminken. "Schatz..?", sagte sie später zu jedem von uns.
Nach einiger Zeit kamen wir zu einem ernsten Gesprächsthema: Sie erwähnte flüchtig, dass ihr Bein wehtat. Es schmerzte immer wieder... eigentlich die ganze Zeit. "Warum?", hatte ein anderes Mädchen interessiert gefragt. Es war ein Knochenbruch kurz nach ihrer Geburt. Erst mit einem Jahr wurde sie operiert. "Zu spät.", schluchzte sie mit einem Lächeln. Sie saß im Rollstuhl. Bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr musste sie lernen, dass sie kein Kind sein durfte. Sie musste lernen, Einschränkungen zu akzeptieren. Sie musste lernen, zu leben. Und sie musste lernen, dass nur eins half, sich zurück ins Leben zu kämpfen.
Mit 16 Jahren, sie hatte ihre Schule beendet, beschloss sie entschieden, eine Reha zu machen. Sie kämpfte sich Schritt für Schritt aus dem Rollstuhl heraus. Der erste Erfolg waren fünf kleine Schritte zwischen zwei Balken und mit Hilfe der gesamten Kraft ihres Physiotherapeuten. Sie war so stolz auf sich, genauso wie ihre Eltern, die so unendlich glücklich waren, dass ihre Tochter wieder Lebensmut fasste. Nach eineinhalb Jahren war die Arbeit geschafft und sie kann laufen. Sie kann rennen. Sie kennt sich top aus in den neuesten Trends und hat mir prompt erklärt, dass lila und gelb DIE Trendfarben 2019 seien. Sie sorgt sich um ihre Zukunft, nimmt ihr Leben in die Hand. Und ist stolz, zurück im Leben zu sein.