Wenn Mae nicht Hilfsarbeiten für die Alte erledigte, zog sie sich in ihre versteckte Nische zurück. An einer Seite der Nische war ein schmaler Spalt in den sie sich hinein quetschen konnte. Der Platz darin war gerade mal so groß, dass sie sich drehen konnte. An der Wand lief warmes Wasser entlang. Es war trinkbar. Wenn sie sich unter den Strahl stellte und die Augen schloss, kam es ihr vor wie eine Dusche. In der Ecke war ein Loch, das sie als Toilette benutzen konnte. In einem verbeulten Eimer sammelte sie Wasser um nachzuspülen, es war zwar nicht nötig, da das Wasser immer lief, aber man wusste ja nie. Das Wasser schmeckte leicht schwefelhaltig, schien aber in Ordnung zu sein. Das Wasser, das die Alte nutzte wurde von Lastträgern gebracht. Mae bevorzugte ihres.
Immer, wenn sie nicht arbeiten musste, zog sie sich in ihre Nische zurück um zu duschen und zu schlafen. Leider gab es immer mehr Arbeit. Mae wurde schneller und geschickter. Immer öfter ließ die Alte sie allein das Essen zubereiten. Ihre Entführer sah sie nicht mehr, dafür aber ähnliche Gestalten, die sie heimlich beobachtete. Wo war sie hier nur hingelangt? War das die Hölle?
Selten sah sie Ihresgleichen. Die hübschen jungen Frauen waren verschwunden. Bis auf eine, die mit leerem Blick an einer Leine, gehalten von einem der Schönlinge, den Weg entlang schlurfte, der direkt neben der Küche lag, sah sie keine mehr. Sie wagte auch nicht danach zu fragen, denn selbst wenn die Alte inzwischen mit ihrer Arbeit zufrieden war, gab es für jede Frage, die nichts mit dem Kochen zu tun hatte, einen Hieb mit der knorrigen Faust. Mae wollte nichts mehr als flüchten, aber sie sah keine Möglichkeit. Seit Wochen war sie da und außer Arbeit gab es nichts. Das Schönste in ihrem Leben war die winzige Felsendusche. Die Ketten scheuerten nicht mehr so, seitdem sie sie mit Kräutern gepolstert hatte und inzwischen hatte sie in der Nische auch mehr Platz, da sie abgenommen hatte. Was kein Wunder war. Sie aß nur von dem Gemüse und den Knollen, das Fleisch rührte sie nicht an, sie wusste nicht mal was es war, vermutete aber das Schlimmste. Nach und nach verstand sie auch die seltsame geknurrte Sprache der hässlichen Geschöpfe und einiges an dem Idiom der Schönen. Sie hatte schon immer ein Talent für Sprachen gehabt und nachdem sie ein paar Brocken gelernt hatte, viel es ihr immer leichter, die Wesen zu verstehen. Die achteten nicht auf sie. In ihrem grauen Umhang verteilte sie das Essen, stand herum um nachzuschenken und hörte dabei zu. Einer der kleineren ganz besonders Hässlichen gab ihr dabei manchmal, wenn die Alte nicht da war, Sprachunterricht. Gegen Fleisch, dass sie für ihn zurückhielt. Er war ein ungeduldiger und strenger Lehrer, aber besser als keiner. Manchmal brachte er ihr kleine Geschenke, wie Haarklammern, Lippenstifte und anderes, was aus den Taschen Gefangener stammen mochte. Am besten war ein kleines Notizbuch, in dem sie schreiben konnte. Wie es aussah, war sie in einer Burg gefangen, aber nicht auf der Erde. Sie wusste nicht, wie es draußen aussah, also selbst wenn sie fliehen könnte, wüsste sie nicht wohin. Ihr kleiner Lehrer war in der Burg geboren und wusste auch nichts von Draußen, nur, dass es da richtig schlimm und schrecklich sein sollte.