Ich komme damit nicht klar!“, bellte er.
Mehr nicht.
Die Fee schwieg einfach und wartete, bis er soweit war, weiterzusprechen.
Es dauerte wieder eine ganze Weile, bevor er sich durchringen konnte, mehr zu erzählen.
„Dieses blöde Blut. Ich hasse es!“
Die kleine Frau nickte, als hätte er damit nur das bestätigt, was sie bereits geahnt hatte. „Es widerstrebt dir, dass du es den Menschen nehmen musst, indem du an ihnen saugst, habe ich recht?“
Widerwillig nickte er zögernd.
„Das ist doch nicht schlimm, Damian“, widersprach sie sanft.
„Nicht?!“ Unsicher starrte er das winzige Wesen an. Machte sie sich etwa über ihn lustig?
„Hör zu, mein Freund“, bat sie, während sie etwas näher flog. „Du brauchst das Blut, um zu existieren. Deshalb beantworte mir folgende Frage: Hast du schon mal jemanden so viel abgenommen, dass er gestorben ist? Oder ihn ohne seine Einwilligung in einen Vampir verwandelt?“
„Was?!“ Erschrocken wich der Untote ein wenig von ihr ab. „Das denkst du von mir?“
„Hast du oder hat du nicht?“, fuhr sie unbeirrbar fort.
„Natürlich nicht!“, knurrte der Mann empört. „Das würde ich nie tun.“
„Na also.“ Zufrieden lächelte sie und bewegte sich erneut in seine Richtung. „Du bist nicht böse, Damian.“
„Aber was ich tue, das ist es.“, widersprach er.
Leise seufzte sie. „Höre zu. Menschen tun viele Dinge, um zu leben oder es sich gut gehen zu lassen. Du warst selbst einmal einer, also brauche ich dir nicht zu erzählen, was sie alles machen. Solange du nicht das absichtlich tust, was ich dich gefragt habe, hast du dir nichts vorzuwerfen. Deine Handlungen sind harmlos zu denen, die die Sterblichen jeden Tag vollbringen.“
„Aber ich schäme mich so. Ich will das nicht“, flüsterte er. Wieder kamen diese verfluchten Tränen aus seinen Augen.
„Du musst aber, kleiner Vampir. Aber wenn du willst, kann ich dir helfen.“
„Wie willst du das denn anstellen?“, zweifelte er.
„Komm mit mir“, schlug sie vor. „In meine Heimat.“
„Wo ist das?“, kam es nun zögerlich über seine Lippen. Wovon sprach sie nur?
„Das Land, von dem ich rede, heißt Belletristica. Du wirst da viele Feen, so wie ich eine bin, finden können. Aber auch andere freundliche Wesen. Wir alle können dich dabei unterstützen, einen Weg zu finden, an Blut zu kommen, ohne dass du dabei jedes Mal ein schlechtes Gewissen bekommst.“
„Alles zurücklassen? Hier?“ Zögerlich schaute er sich um. „Ich bin aber hier zu Hause. Und Richtung Norden, einen Kilometer von hier, da wohnen meine Eltern.“
„Hast du sie denn besucht, seit du ein Vampir geworden bist? Nein, sag es nicht, ich sehe es an deinem Gesicht. Damian, du bist unglücklich hier. Komm mit mir. Wenn du erst mal in Belletristica angekommen bist, werden wir auch eine Lösung finden, was deine Eltern angeht.“
„Versprichst du es mir?“, bat er leise.
„Ja, du hast mein Wort. Und nun komm. Streck deine rechte Hand aus.“
Nach einem Nicken tat Damian schließlich, worum ihn die kleine Frau gebeten hatte. Die Fläche zu einer Schale geformt, beobachtete er fasziniert, wie sie sich darin niederlies.
„Bereit?“, flüsterte die Elfe und blickte ihn auffordernd an.
Wie seltsam sie sich in seiner blassen Hand anfühlte. Leicht warm und weich wie eine Feder.
„Ja, bin ich.“
„Dann komm mit. In dein neues Leben.“.
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Was nun genau geschah, wie der Vampir in die Welt der Bücher und Geschichten kam, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Genauso der Name der kleinen Fee, die Damian das Leben rettete – im übertragenen Sinne natürlich.
Bedauerlicherweise kann ich auch nicht darüber Auskunft geben, welchen Ausweg die Belletristianer fanden, was den Vater und die Mutter von Damian betraf – ich habe mir aber sagen lassen, dass es zur Zufriedenheit aller gelöst würde.
Gestern erfuhr ich weiter, dass Damian ein sehr glücklicher Vampir geworden ist. Er hat viele Freunde gefunden, mit denen er oft abends in der Taverne lange Gespräche führt. Er lacht viel und ist durch seine feinfühlige Art beliebt bei Jung und Alt.
Ach ja, fast hätte ich es vergessen, da war ja noch das Problem mit seiner „Nahrungsaufnahme“.
Der Untote hat in seiner neuen Heimat eine Reihe von Spendern gefunden, von denen er regelmäßig trinkt – in einer festgelegten Reihenfolge und keiner wird dazu gezwungen. Da Damian jedoch stets sehr behutsam vorgeht und die meisten dieses leichte kurze Ziehen an ihrem Hals als angenehm, maximal leicht kitzelnd empfinden, war es wohl auch kein größeres Problem, für ihn entsprechende Helfer zu finden.
So lebt er nun hier unter all den Feen und netten Wesen… und da er nicht gestorben ist, so lacht und trinkt er auch noch heute.