Huhuu, ihr alle!
Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden.
Ja -
denn -
schaut -
Als damals der erste Schnee fiel, kam Shari und machte mich, den Schneemann. Sie war voller Begeisterung. Sie zeigte mir die Taverne, wo ich viele tolle Menschen und Wesen kennenlernte. Sie nahm mich mit zum Wachturm. Auch dort verbrachte ich eine aufregende Zeit, sie wird euch noch davon berichten.
Damit ich all diese Erlebnisse überhaupt überleben konnte, versah mich Shari mit einem Zauber. Dieser bewirkte, dass ich gar nicht schmelzen konnte, auch nicht in geheizten Räumen oder in der Nähe eines Feuers.
Doch seit der Frühling vor der Türe steht, begann ich mich zusehends unwohler zu fühlen. Erst dachte ich, es liege an den Temperaturen. Doch daran lag es nicht, denn nachts war es ja noch sehr kalt.
Ich streifte durch Belletristica und dachte viel nach. Immer noch fand ich keine Antwort auf mein Unwohlsein. So legte ich mich neulich auf eine Wiese und schaute in den Himmel. Ich sah den Wolken zu, wie sie sanft ihres Weges gingen.
Eine Wolke blieb genau über mir stehen. Sie war gross, rund und unendlich weich, das sah und spürte ich auch von meinem Platz auf dem Erdboden aus. Als ich genauer hinsah, merkte ich, dass dies die grosse Mutterwolke war. Aus ihr waren wir Schneeflocken damals, anfangs Winter, gefallen, und aus ihnen bestehe ich.
Eine grosse, unerklärliche Sehnsucht begann mich zu erfassen. Tränen liefen mir übers Gesicht.
So fand mich Shari. Natürlich wollte sie gleich wissen, was denn geschehen sei.
Ich erzählte ihr von dem tiefen Sehnen, das mich erfasst hatte und zeigte ihr die Mutterwolke.
«Möchtest du zurück nach Hause, Snowheart?» fragte mich Shari sanft.
Ich brauchte nicht lange zu überlegen. Tief in mir drin wusste ich, dass dies die Antwort war auf all das, was ich in der letzten Zeit gespürt hatte.
«Ich weiss, dass nichts ewig dauert, Snowheart. Und es ist gut, wenn wir darüber sprechen. Der Zauber damals kam wohl etwas im Übermut zustande. Eigentlich bin ich trotzdem froh darum, denn wir hatten ja einen schönen Winter zusammen, nicht wahr?»
Ich nickte. Wieder wurde ich traurig, denn ich spürte, dass dies unser letztes Gespräch sein würde.
«Alles Leben hat seinen Kreislauf», fuhr Shari fort. «Der Kreislauf des Schnees ist jener, sich wieder in Wasser zu wandeln, später zu verdunsten und dann wieder aufzusteigen. Dort wird dich die grosse Mutterwolke einmal erwarten. Doch vorher wirst du wohl in Wasserform noch einiges erleben dürfen! Vielleicht wirst du in einem Bach mitfliessen. Vielleicht landest du in einer Giesskanne und wirst Blumen tränken.»
Shari lächelte mich aufmunternd an.
«So ist es, das Leben. Ein Kommen und Gehen, Werden und Vergehen. Nie zu Ende, sich äussernd in stets ändernder Form. Rund – ein vollkommener Kreis.»
Lange sassen wir dann einfach da, ohne Worte.
Nach einer Weile begann Shari in ihrer Tasche zu kramen. Ein altes, recht zerfleddertes Buch kam zum Vorschein, welches sie schweigend aufschlug.
«Ich danke dir für alles, Snowheart. Für all die fröhlichen Momente, für deine Spässe, für - na ja, du weisst schon. Ich entzaubere dich jetzt wieder und entlasse dich zurück in den natürlichen Kreislauf des Lebens.»
Shari stand auf und wir nahmen uns in die Arme. Ich weiss nicht, ob da ihr Gegenzauber bereits wirkte, aber aus ihren Augen tropfte Wasser.
Und nun -
bin ich am Zerfliessen -
und ich kann euch kaum beschreiben, wie wohl mir ist …
Ich werde euch zuraunen aus dem Bächlein durch die Frühlingswiese, ich werde euch ein bisschen anspritzen beim Blumen giessen – und ich werde euch zuwinken von der Mutterwolke aus!
Wer weiss – vielleicht bis nächsten Winter?
Euer S-n-o-w-
h-e-
a
r
t