Chris
Ich lag wach in meinem Bett und konnte nicht schlafen. Durch die großen Fenster schien Mondlicht in mein Zimmer und beleuchtete den Raum, doch trotzdem war es mir zu dunkel.
Schon seit ich klein war, mochte ich die Dunkelheit nicht und hatte daher in meinem Zimmer kleine, leuchtende Sterne über meinem Bett angebracht.
Genau diese Sterne betrachtete ich jetzt.
Ich hatte sie gestern Abend mit Hope angebracht und nun beruhigte mich ihr leuchten.
Ich lag schon seit einiger Zeit wach in meinem Bett und wiederholte in meinem Gedächtnis den gestrigen Tag.
Es war so viel Geschehen.
Nach dem Essen war ich zusammen mit Hope zu den Umkleiden gegangen, um unsere Trainingsanzüge anzuprobieren und Notfalls noch Änderungen vorzunehmen. Auf dem Weg dorthin war Hope mit Clayton Hunter zusammengestoßen.
Er war richtig wütend.
Er war ihr sogar mit Absicht auf die Finger getreten!
Trotz dieses Zwischenfalles waren wir zu den Umkleiden gegangen und hatten alles anprobiert.
Jedes Team hatte einen Dunkelgrauen Trainingsanzug bekommen. Wir sollten ihn Anprobieren und die fertige Version würde uns dann später zugeschickt werden.
Der Anzug passte sich wie eine zweite Haut an meinen Körper an. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
Auch Hope war erstaunt gewesen.
Das hatte ich an ihrem überraschten „Wow" hören können.
Ich wusste nicht genau wofür wir diesen Anzug benötigten. Es ging hier doch nicht ums Kämpfen, oder?
Ich sah auf die Uhr neben mir. 02:45.
Ich seufzte. Es war zu spät um nochmal einzuschlafen. Ich drehte mich wieder auf den Rücken.
Um 06:00 mussten wir alle zum Frühstück erscheinen. Ich dachte noch nach, was ich jetzt machen sollte, als ich ein Geräusch hörte.
Es klang wie eine Tür, die aufgeschlossen wurde und kurz darauf hörte ich eine männliche Stimme, die zu telefonieren schien. Ich setzte mich in meinem Bett auf. Ich hatte diese Stimme noch nie gehört.
Sie war tief und leicht rau. Es war keine Stimme, die man so leicht vergaß.
Ich stand auf und schlich mit leisen Schritten in den Flur.
In der Küche brannte Licht und auch die Geräusche kamen aus dieser Richtung.
Ich ging die kleine Treppe hinunter und sah vorsichtig um die Ecke. In der Küche stand ein Junge und telefonierte. Er war groß und hatte braune Haare.
Das musste wohl Hunter sein. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, da er mit dem Rücken zu mir stand, doch was ich erkennen konnte, war sein muskulöser Rücken.
Es war der Rücken einer Person, die nicht nur ab und zu ins Fitnessstudio ging, sondern aktiv Leistungssport betrieb.
Er war muskulös, doch ohne protzig zu wirken. Ich hörte wie er sich von der Person am anderen Ende der Leitung verabschiedete und auflegte.
Danach schaltete er das Licht aus.
Als er sich umdrehte und sich auf den Weg in sein Zimmer begeben wollte, entdeckte er mich und blieb stehen.
Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, was er gerade sehen musste.
Ich stand ihm gegenüber, in einem viel zu großen Mickey Mouse Shirt und zerzausten Haaren. Es musste aussehen, als wäre ich gerade aus dem Bett gefallen.
Naja, irgendwie war ich das ja auch.
Ich hoffte, dass er mich in der Dunkelheit nicht klar erkennen konnte. „Hey", sagte ich leise, drehte mich um und rannte die Treppe zu meinem Zimmer hoch.
„Hey, wie geht's, wie steht's? ", antwortete er, als ich die Tür bereits geschlossen hatte. Ich musste kichern. Was war das denn?
Als ich meine Augen öffnete, stand die Sonne bereits hoch am Himmel.
Ich war doch noch einmal eingeschlafen.
Ich sah auf die Uhr. 10:30. Oh nein! Ich hatte das Frühstück verschlafen.
Schnell stand ich auf, zog eine Jeans und ein schwarzes Shirt an und rannte die Treppe hinunter, während ich versuchte meine Haare zu bändigen.
Unten angekommen blieb ich stehen.
Hope und Neo standen in der Küche und machten Frühstück, während Kirian den Tisch deckte.
„Ähm, Leute? Ich dachte es gibt um Sechs Frühstück?" Ich blickte die anderen verwirrt an. „Guten Morgen, Chris", sagte Hope, die mich gerade erst bemerkt hatte.
„Das Frühstück wurde abgesagt, da es einen Zwischenfall gab. Wir werden uns erst zum Mittagessen treffen."
Plötzlich klirrte es. „Pass doch auf!", schrie Neo und lief in Richtung Esstisch.
Kirian hatte aus Versehen ein Glas fallen lassen und die Scherben waren nun über den gesamten Boden verteilt. „Entschuldigung", sagte Kirian und ging in die Hocke um die Scherben aufzusammeln. „Ihr seit auch zu nichts gut. Ihr könnt nur Ärger machen!", sagte Neo lautstark und ging drohend auf Kirian zu.
„Wenn du zu blöd bist um den Tisch zu decken, wie willst du es dann überhaupt nach OBEN schaffen?"
Neo drängte Kirian zurück.
„Es wahr ein Versehen. Das Glas war noch nass und ist mir aus den Händen gerutscht", sagte Kirian ängstlich.
„Okay, Leute. Es reicht. Es war doch nur ein Glas. Kein Grund sich aufzuregen."
Ich ging in die Hocke und sammelte die letzten Scherben auf. Dann ging ich in die Küche und warf sie in den Müll.
Auch Neo sah ein, dass sein Verhalten übertrieben war und setzte sich an den Tisch.
Hope kam mit einem großen Tablett voller Teller aus der Küche und ließ sich auf den Platz gegenüber von Neo nieder.
Kirian setzte sich neben sie.
„Wie gehts euch?", fragte ich, nachdem ich mich hingesetzt hatte.
„Ganz gut, aber ich bin müde", sagte Hope und gähnte. Ich musste lachen.
„Lach nicht. Du hast genauso wenig geschlafen." Hope sah mich vorwurfsvoll an. „Was hast du heute früh gemacht? Ich habe dich gehört."
„Ich konnte nicht schlafen und habe mir ein Glas Wasser geholt", log ich.
Ich wusste nicht warum, doch aus irgendeinem Grund wollte ich ihr nicht von meiner Begegnung mit diesem Hunter erzählen.
„Der letzte aus unserem Team, sollte doch eigentlich auch schon da sein. Hat ihn einer von euch gesehen?", fragte Kirian. Ich war froh über den Themenwechsel.
„Nein, keine Ahnung wann der kommt", sagte Neo. Er hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und aß einen Apfel.
„Er ist bestimmt auch so respektlos und unhöflich wie Clayton Hunter. Scheint ja sowohl bei den Hunters, als auch bei der allgemeinen Bevölkerung von OBEN in den Genen zu liegen", erwiderte Hope.
Sowohl Kirian als auch ich stimmten ihr zu. Neo knurrte und wollte etwas sagen, als sich oben eine Tür öffnete.
Es war der Typ von heute Morgen.
Er schien länger geschlafen zu haben. Kein Wunder, wenn er erst heute Morgen angekommen war.
„Hey Leute, ich bin Ash. Tut mir leid, dass ich erst so spät angekommen bin. Ich hatte noch etwas zu tun."
Er ging die Treppe hinunter und setzte sich neben mich an den Tisch. Er roch gut.
Sein Geruch schien nicht von einem Parfum zu kommen, sondern eher von ihm selbst. Merkwürdig.
Kurz darauf klingelte es an der Tür. Kirian sprang auf und ging zur Tür um aufzumachen. Kurz darauf kam er mit einem großen Paket in der Hand zurück.
Hope stand auf, riss es ihm aus den Händen und stellte es neben den Tisch, wo sie es zugleich öffnete. In diesem Momente erinnerte sie mich an ein kleines Kind.
Ich ging zu den anderen hinüber und sah in das Paket.
Es war riesig, mindestens so groß wie Ash, der übrigens die gesamte Zeit im Hintergrund gestanden hatte. Das Paket sah von innen aus, wie ein kleiner Kleiderschrank.
Es gab Hacken, woran Kleidersäcke hingen und auf dem Boden stand eine längliche Box.
Kirian nahm die Box heraus und öffnete sie. In der Box lagen, fein säuberlich zusammen gefaltet, fünf Trainingsanzüge.
Sie sahen so ähnlich aus wie die, die wir bereits am Vortag anprobiert hatten.
Die Anzüge waren in einem Dunkelgrau gehalten und hatten jeweils einen cremefarbenen Streifen an der Seite.
Auf der Brust befanden sich zwei Streifen in derselben Farbe, welche von den Schultern bis zum Bauchnabel verliefen. Auf dem Rücken stand unsere Teamnummer: 4.
Als wir die Anzüge aus der Box genommen hatten, bemerkte ich noch etwas darin.
Fünf cremefarbene Gürtel mit schwarzen Gürtelschlaufen und Karabinern.

Ich legte sie bei Seite und ging zu Hope, die bereits die Kleidersäcke aus dem Paket genommen hatte.
Sie öffnete den ersten und zum Vorschein kam ein teuer aussehender Anzug mit einer Krawatte in unserer Teamfarbe.
„Wow, die haben sich echt übertroffen", staunte Kirian.
„Der ist für Neo", sagte Hope mit dem Blick auf eine kleine weiße Karte in ihren Händen. „Wofür brauchen wir das alles?", fragte ich. „Ich habe keine Ahnung", sagte Hope und begann die nächsten Beutel zu öffnen.
Wie im ersten befanden sich in den Kleiderbeuteln teuer aussehende Anzüge. „Und was ist mit uns?", fragte Hope mit einem nervösen Unterton in der Stimme und sah mich an.
Ihre Augen blitzten hoffnungsvoll auf.
„Ich weis nicht, mach mal die letzten beiden auf." Ich ging zu den Beuteln und Hope folgte mir. Wir machten beide einen Beutel auf und ich erstarrte.
In meinem Beutel befand sich das schönste Kleid, das ich je gesehen hatte. Hope atmete geräuschvoll aus. „Wow!", sagte sie und bestaunte ihr Kleid. Mir hatte es die Sprache verschlagen.
Ich betrachtete Hopes Kleid.
Es war ein Empireschnitt, endete jedoch eine Handbreite über dem Knie.
Der gesamte obere Teil war aus weißer Spitze und die Träger waren mit kleinen Strasssteinen besetzt. Das Oberteil, welches an einen weich fallenden, leicht ausgestellten Rock mit Spitze anschloss, war kurz gestellt und der Rock war im gleichen Ton wie die Krawatten der Jungs gehalten.
Die erhöhte Taille, wurde von einem weißen, mit Spitze besetzen Band betont.
Während Hopes Kleid sexy und niedlich zugleich war, ähnelte mein Kleid einem Vintage Hochzeitskleid.
Es war eine bodenlange A-Linie und hatte eine kurze Schleppe. Genau wie das von Hope, hatte mein Kleid eine erhöhte Taille, welche von einem weißen Band betont wurde.
Das Oberteil hatte einen tiefen V-Ausschnitt und es war schulterfrei mit durchsichtigen Ärmeln. Der Rock war ein einziger Traum.
Er bestand aus vielen Schichten cremefarbenem Tüll, welcher mit weißen Blüten bestickt war. Beide Kleider waren unbeschreiblich schön und ich wollte mir gar nicht erst vorstellen, wie teuer sie waren.
„Ähm Mädels, wir möchten ja nicht stören, aber wir sollten uns in 20 Minuten vor der großen Halle einfinden und wir müssen uns noch Umziehen."
Die Jungs sahen uns mitleidig an und wir packten unsere Kleider schnell wieder ein. Fünf Minuten später saßen wir alle in einem großen schwarzen Mercedes und fuhren in Richtung Treffpunkt.
Der Wagen hatte, kurz nachdem wir unsere Trainingsanzuge angezogen hatten, vor unserem Haus gehalten und wir waren aufgefordert worden einzusteigen. Ich wusste nicht genau was uns erwartete, aber ich war nervös. Ich musste bis zum Ende bleiben. Ich musste nach OBEN!