Onia atmete tief durch und richtete ihren Blick erst auf die Zielscheibe in einigen Metern Entfernung und dann auf ihre Pfoten. Sie stellte diese etwa hüftbreit auseinander und verlagerte ihr Gewicht leicht nach vorn, wie sie es gelernt hatte. Sie achtete darauf, dass sie ihre Knie nicht zu steif durchgedrückt hatte und überprüfte dann, dass sie seitlich zur Zielscheibe stand.
Den Blick nun fest auf diese heftend hob sie nun ihren Bogen und hakte den Pfeil direkt oberhalb des kleinen Nockpunktes ein. Ihren Zeigefinger oberhalb und die anderen Finger unterhalb des Pfeilendes einhakend zog sie die Sehne zurück, bis ihr Zeigefinger ihren Ankerpunkt - ihr Kinn - erreicht hatte. Onia achtete währenddessen penibel darauf, ihre Krallen nicht auszufahren, um die empfindliche Sehne nicht zu beschädigen und schlug einen ruhigen, gleichmäßigen Atemrhythmus an.
Ein letztes Mal überprüfte sie, dass alles passte - Stand, Bogenhaltung und Zielen - und dann ließ sie die Sehne los und der Pfeil schoss Richtung Scheibe.
Onia verzog enttäuscht das Gesicht als der Pfeil nur den äußeren Ring der Zielscheibe traf und sah sich verlegen zu den anderen um. Einige hatten schon deutlich bessere Ergebnisse erzielt und zumindest den zweitkleinsten Ring getroffen, doch es gab auch welche, deren Pfeil die Zielscheibe überhaupt nicht getroffen hatte.
„Ach komm schon, das kannst du doch wohl besser.“ Sie spürte, wie sich ihre Wangen erhitzten, als Rhiu neben sie trat. Onia mochte den Truppenleiter nicht, der seit einigen Tagen ihr neuer Ausbildungsleiter war. Irgendwie schien er von ihr zu erwarten, dass sie alles spielerisch leicht erlernte, nur weil ihr Bruder für seine kämpferischen Fähigkeiten bekannt war.
„Aus der Entfernung treff‘ ich ja sogar mit ‘nem Messer die Mitte.“
Onias Schwanz zuckte wütend von links nach rechts doch sie hielt lieber ihren Mund. Die Truppenleiter waren hoch angesehen und sie war noch in der Ausbildung. Trotzdem ärgerte es sie, dass der Ältere so hohe Anforderungen an sie - und vor allem nur an sie - stellte.
Also schloss sie kurz die Augen und blendete Rhiu aus. Dann griff sie nach einem zweiten Pfeil, spannte die Sehne erneut, zielte und hielt den Atem an, als der nächste Pfeil Richtung Zielscheibe segelte.
Zwar war er immer noch leicht nach links verzogen, aber diesmal blieb er im Ring nahe der Mitte stecken.
Sie sah zu Rhiu auf und konnte sich ihr Grinsen nicht verkneifen. Der Truppenführer verengte seine Augen und zog seine Oberlippe zurück, sodass Onia seine langen Schneidezähne sehen konnte, bevor er zu einem anderen Schüler sah, bei dem gerade die Sehne gerissen war.
Zufrieden beobachtete sie ihn dabei, wie er mit angespannten Schultern durch den Raum marschierte und sie ohne ein weiteres Wort stehen ließ.