Der Whiskey machte es einfacher zu reden, als er endlich kam. Jack genoss das Gefühl, wie die brennende Flüssigkeit seine Kehle hinabrann zu sehr. Genau deswegen hatte er eigentlich nichts trinken wollen, doch zur Hölle: Es ließ die Nervosität von ihm abfallen. Und das war etwas wert.
"Datest du viel über Grindr?“, fragte er, während er das Glas mit einer Hand schwang.
Arjun zuckte vage mit den Schultern. "Na ja, ich bin schon länger auf der Suche.“
"Und bisher nicht fündig geworden?“
Ein weiteres Schulterzucken. "Es ist halt nicht so leicht. Die Szene hier ist nicht so groß.“
"Na ja, in Joburg definitiv größer, als in anderen Städten.“ Zumal sie ja noch Pretoria direkt nebenan hatten. "Ich könnte mir schlimmeres vorstellen.“
"Dann tust du dich damit einfacher“, seufzte Arjun und trank noch einen Schluck von seinem eigenen Whiskey.
Jack winkte ab. "Nein. Nicht wirklich. Ich tue nur gerne so.“ Er lächelte matt und betrachtete das Glas. "Ich bin gut darin Leute kennen zu lernen, weißt du. Aber schlecht damit daraus mehr werden zu lassen.“
"Also …“ Arjun unterbrach und räusperte sich. "Also eher Sex?“
Jack wich seinem Blick aus und schüttelte den Kopf. "Nein. Genau das ist eins der Probleme.“
"Inwiefern?“
Ach, verflucht. Wie sollte er es ausdrücken? Er wollte nicht über die Dinge wie sein vergangenes Trauma reden. Es war nicht das beste Thema für ein Date. Am Ende verschreckte er Arjun nur damit. "Sagen wir es mal so. Ich tue mich schwer Leute zu finden, die mehr wollen. Und ich will nicht einfach nur ein One-Night-Stand sein.“ Das klang wie eine gute Begründung, oder?
"Ah, verstehe.“ Arjun schien ein wenig verlegen ob des Themas. Dabei hatte er es doch selbst angefangen. "Also suchst du schon etwas …“
"Ich will eine richtige Beziehung“, erwiderte Jack und leerte sein Glas. Ein wenig jämmerlich kam er sich bei diesen Worten schon vor. Er wollte nicht darum bitten oder betteln. Doch verflucht noch mal: Hatte er es nicht irgendwie verdient?
"Verstehe. Ich …“ Jetzt zögerte Arjun etwas, streckte dann aber eine Hand aus, um sie auf die Jacks zu legen. "Ich denke, dahingehend haben wir ähnliche Vorstellungen.“
Ein wenig brannten Jacks Wangen bei diesen Worten. Er wagte einen Blick auf den anderen Mann und lächelte. "Das … das ist gut.“
Die Berührung ihrer Hände fühlte sich gut an. Arjun hatte kräftige, aber auch überraschend langgliedrige Hände. Sein Daumen strich vorsichtig über die Seite von Jacks Hand.
Jack wusste nicht genau, wie er darauf reagieren sollte. Er mochte die Berührung. Aber ein Teil von ihm fürchtete, dass es auf Dauer seltsam werden könnte. Was sollte er tun?
Schließlich zog er seine eigene Hand zurück, um nach dem zweiten Whiskeyglas zu greifen – dem Honey Jack. Ein angenehm süßlicher Drink. Er nahm einen Schluck und ließ ihn sich auf der Zunge zergehen. Dabei war es zwischen ihnen vielleicht schon etwas zu lange still.
"Was würdest du davon halten, noch etwas zu essen zu holen?“, schlug er vor, als er das Glas absetzte. "Ich meine, das hier hat Stil. Aber wenn ich ehrlich bin, könnte ich noch eine Kleinigkeit zu essen vertragen.“
"Schwebt dir etwas besonderes vor?“, fragte Arjun. Noch immer klang da eine gewisse Unsicherheit in seiner Stimme mit.
"Keine Ahnung.“ Jack hielt inne. "Ich weiß, dass es hier in der Nähe einen guten Burgerladen gibt.“
Arjun presste die Lippen aufeinander und lächelte verlegen. "Weißt du, wie deren vegetarische Karte aussieht?“
Jack brauchte einen Moment, um die Frage zu verstehen. "Oh, nein.“ Er lächelte verlegen. "Du bist Vegetarier?“
"Ich fürchte schon“, erwiderte Arjun. "Ich hoffe, dass ist für dich kein Problem.“
"Nein. Nicht wirklich. Solange du kein Problem damit hast, dass ich dennoch Fleisch esse.“
"Nein. Überhaupt nicht.“ Arjun schenkte ihm ein zurückhaltendes Lächeln und trank nun selbst einen weiteren Schluck. Es war eine gute Methode, um sich einen Moment des Schweigens zu erkaufen.
"Was sagst du dann zu italienisch? Ich kenne nicht zu weit weg auch noch einen ganz guten Italiener. Pizza und so. Die haben auf jeden Fall auch vegetarische Sachen da.“
"Das klingt gut“, antwortete Arjun. Eine gewisse Anspannung fiel von ihm ab. Er hob eine Hand, um den Kellner zu ihnen zu winken.
Jack schwieg und wartete, während sein Begleiter die Bezahlung übernahm. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen. Zugegebenermaßen war er durchaus froh, wenn er hier unten heraus kam. Auf irgendeine Art wirkte dieser Keller auf ihn klaustrophob. Vielleicht war es auch nur eines dieser komischen Gefühle.
Manchmal konnte er ihnen einfach nicht entgehen.
"Darf ich dich zum Italiener einladen?“, fragte er dann.
"Ähm.“ Arjun zögerte. "Natürlich. Wenn dir daran liegt.“
"Ich denke, es wäre nur fair“, erwiderte Jack.
Arjun lachte, wenngleich sein Lachen noch immer angespannt klang. „In Ordnung, Jack.“
So standen sie auf und verließen den Whiskey-Keller. Jack atmete auf, als er an die frische Nachtluft kam. Auch wenn es später Sommer war, hatte es sich nun, da die Sonne untergegangen war, doch zu genüge abgekühlt, als dass man durchatmen konnte. Auch wenn der staubige Geruch des Sommers noch immer in der Luft lag.
„Du lebst in Joburg, oder?“, fragte Arjun, als Jack sich nach links wandte, um ihn zu der erwähnten Pizzaria zu führen.
„Eigentlich in Pretoria“, erwiderte Jack. „Aber ich habe es nicht weit, nein.“ Er hielt inne. „Und du lebst aber hier.“
„Ja, sogar nicht weit von hier – also wie genau hier – entfernt.“ Er gestikulierte in Richtung des Bodens, um sein „hier“ zu untermauern.
„Bessere Gegend“, kommentierte Jack.
„Ja. Man verdient ganz gut in der IT.“
Jack lächelte nur verlegen. Als Polizeikonsultant, der sonst abseits von einzelnen Söldnerei- oder Privatermittlungsaufträgen wenig verdiente, könnte er sich diese Gegend nicht leisten. Erneut etwas, das ihn besorgte, denn es ließ ihn sich fühlen, als wäre er nur wegen dem Geld hier. Aber nein. Er war hier, weil Arjun ihm sympathisch gewesen war. Online, aber auch hier.
Und vielleicht konnte daraus ja mehr werden.
Wieso nur machte dieser Gedanke ihm dennoch Angst?
Vielleicht bemerkte Arjun seine Anspannung, während sie nebeneinander die Straße hinabgingen, doch er wechselte das Thema. „Und was machst du, wenn du nicht für die Bullen arbeitest?“
Jack war dankbar. „Na ja. Wenn es sich einrichten lässt, versuche ich Sport zu machen. Sonst hänge ich faul vorm Fernseher und zocke irgendwas.“ Er sollte sich vielleicht nicht so viele Gedanken machen. Doch verdammt. Nach allem, was in seinem Leben passiert war, war das gar nicht so leicht …