Stephanie schleppte sich mit letzter Kraft die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf. Sie schaffte es mit Mühe und Not ihre Schuhe auszuziehen, und die Tür aufzuschließen. Ihr war heiß und sie fühlte sich elend.
Beutel sowie Tasche wurden an die Garderobe gehängt, ihnen folgten kurz darauf Mantel und Schal. Die Temperaturen waren zwar noch im zweistelligen Bereich, doch die Brünette wurde auch von Schüttelfrost geplagt, weshalb sie sich warm angezogen hatte, um den Arzt aufzusuchen.
Wie sie dies geschafft hatte, war ein kleines Wunder für sie, so schwach wie sie auf den Beinen war. Stephanie beschloss, sich erst einmal hinzulegen, um neue Kraft zu sammeln. Die Medikamente konnte sie auch später noch nehmen.
Antibiotika. Sie hatte etwas Ansteckendes.
„Gute Frau, Sie haben eine Krankheit, die sonst eher Kinder erwischt.“, hatte der Doktor, ein älterer Herr mit einer Halbglatze gesagt. Er hatte sie besorgt durch seine Brillengläser gemustert, als er die Diagnose gestellt hatte. Er war Stephanie nicht unsympathisch. Er war ein netter Arzt, bei dem sie schon seit vielen Jahren in Behandlung war.
„Was habe ich denn?“, hatte sie mit kratziger Stimme gefragt, und danach gehustet. Das Schlucken fiel ihr sehr schwer.
„Sie haben Scharlach. Ich verschreibe ihnen ein Antibiotikum, welches Sie in der Apotheke bekommen. Hüten Sie das Bett, solange bis es Ihnen besser geht.
„Sind Sie sich sicher?“, krächzte Stephanie.
„Sehr sicher. Sie haben sicher schon ihren Ausschlag bemerkt? Dies ist ein typisches Anzeichen. Genauso wie unter anderem Erkältungssymptome, Schwellung der Lymphknoten, sowie die so genannte „Himbeerzunge“. Diese nennt man so, weil sie stark gerötet ist. Und man sieht die Geschmacksknospen.
Stephanie zog ihr Handy aus der Hosentasche, bevor sie sich entkräftet auf ihr Bett fallen ließ. Sie öffnete die Kamera App und begutachtete ihr Gesicht und den Hals nochmal genauer. Ja, sie hatte lauter scharlachrote Pünktchen, nur der Mund- und Kinnbereich war blass, und ohne Ausschlag. Sie streckte dem Handy die Zunge heraus, und besah sie sich genauer. Auch die sogenannte Himbeerzunge hatte sie.
Müde legte sie ihr Handy beiseite, und kuschelte sich gleich mit ihren Sachen in die weiche Decke. Sie begann wieder zu frieren. Da war ihr alles Recht, was zusätzlich Wärme gab.
Die Brünette erwachte schweißgebadet. Es war also mal wieder umgeschlagen, und nun schwitzte sie. Stephanie zog ihren Pullover und die Jeans aus, und schlüpfte in ihr Nachtzeug. Es war hellblau, mit kleinen Sternen darauf. Sie erwartete heute niemanden mehr, und irgendwo hin musste sie auch nicht. Stephanie fühlte sich gleich etwas wohler. Etwas wackelig ging die junge Frau zu ihrer Kommode, und holte ein Paar gestrickte, dunkelblaue Wollsocken von ihrer Oma hervor – für den Fall, dass der Schüttelfrost zurückkehrte… Lange hatte sie die Socken nicht getragen, doch sie hatte sie stets in Ehren gehalten.
Nun beschlich Stephanie eine ungewisse Angst vor ihrer Krankheit. Was würde sie anrichten, wenn sie die Antibiotika nicht nahm? Die junge Frau nahm die Medikamente, die sie bekommen hatte, aus dem Beutel, und ging in die Küche. Mit dem Gedanken, es lieber nicht ausprobieren zu wollen. Der Doktor hatte sie vor Komplikationen und Spätfolgen gewarnt.
Sie füllte ein Glas Wasser, und nahm eine der Tabletten dazu. Zehn Tage würde sie nun diese Tabletten schlucken.
Sie hörte ihr Handy im Schlafzimmer summen. Neugierig trank sie das Wasserglas leer, und schleppte sich zurück zum Bett.
„Hey meine Gute, klappt es heute mit unserem Treffen? - Kathrin“, las sie leise, und seufzte dann. Sie hatte ja doch noch etwas vorgehabt, heute! „Das hab ich ja total vergessen… Aber so kann ich nicht hingehen.“
Stephanie beschloss, ein Foto von sich mit herausgestreckter Zunge zu machen, als Erklärung und Entschuldigung. Darunter schrieb sie: Sorry, wie du siehst bin ich krank und ansteckend… Das mit dem Treffen müssen wir leider verschieben. - Grüße von Stephanie
Als die Nachricht fertig getippt war, schickte die Brünette sie auf die Reise zu ihrer Freundin. Sie würde sicher Verständnis haben, für ihre Situation. Noch bevor die Antwort auf ihre Nachricht eintraf, versank Stephanie wieder in ihrem Fieberschlaf.