Nachgeschrieben am 24.10. von 14:25 – 15:12 Uhr
In der nächsten Woche trafen sich Lena und Anna nach der Sportstunde erneut hinter der Turnhalle. Da es die letzte Schulstunde des Tages war, ließen sie sich Zeit und unterhielten sich etwas.
„Musst du gleich nach Hause?“, fragte die Kurzhaarige, während sie zu ihrem Rucksack ging, der etwas entfernt lag. Lena entdeckte einen Basketball neben ihren Sachen.
„Nein, ich habe noch etwas Zeit.“, antwortete Lena wahrheitsgemäß. Ihre Eltern würden erst spät nach Hause kommen, sodass sie noch viel Zeit haben würde, ihre häuslichen Pflichten wie den Müll herunterzubringen, zu erledigen.
„Cool. Ich hab gesehen, dass du nicht ganz schlecht bist. Hast du Bock ne Runde zu spielen?“, fragte Anna, und sah ihr Gegenüber herausfordernd an.
„Klar, gerne.“, antwortete Lena und lächelte. „Aber ich denke, dass du gewinnen wirst.“ Trotzdem machte sie sich mit ihrer Klassenkameradin auf zum kleineren Sportplatz der Schule, auf dem zwei Basketballkörbe standen.
„Bereit?“, fragte Anna kurz und knapp. „Bereit!“, gab Lena zurück, und warf ihren Zopf über die Schulter nach hinten.
Anna warf den Ball hoch in die Luft. Beide Mädchen sprangen hoch. Lena gelang es, den Ball zu fangen. Sie rannte dribbelnd in Richtung des rechten Korbes, dicht gefolgt von Anna. Doch die Kurzhaarige konnte sie nicht aufhalten, Lena warf, und traf den Korb. Sie sah Anna auffordernd an, diese verstand, und schnappte sich den Ball.
Lena stellte sich ihr in den Weg, und versuchte an den Ball zu kommen, Anna wich ihr jedoch geschickt aus. Gekonnt sprang sie vor dem linken Korb hoch, und traf ebenfalls. So ging es hin und her, beide Mädchen gaben alles.
Schwer atmend ließen sich die beiden am Rande des Platzes ins Gras sinken. Sie hatten gut eine halbe Stunde gespielt, die Zeit war für die Mädchen wie im Flug vergangen.
„Du bist echt besser, als ich dachte.“ Lena freute sich über diese Worte, denn Anerkennung schwang in ihnen mit. „Vielleicht habe ich dich falsch eingeschätzt...“, sagte Anna leise, nachdem sie etwas aus ihrer Flasche getrunken hatte. „Hier.“ Sie wischte über die Flaschenöffnung, und hielt Lena ihr Getränk hin, welches sie dankbar annahm.
„Danke. Ich wüsste gern, was du für schlechte Erfahrungen gemacht hast...“, antwortete Lena vorsichtig. Sie wollte die zarte Sympathie, die Anna für sie zu entwickeln schien, nicht kaputt machen.
„Dann möchte ich dir etwas beichten. Wenn du es für dich behältst, klar?“, sagte sie nochmal nachdrücklich.
„Klar, verstanden.“
„Ich versteh mich zwar super mit Jungs, aber die sind nichts für mich. Ich fühle mich eher… Zu Mädchen hingezogen. Manchmal fühle ich mich selbst, als wäre ich ein Junge.“
„Hast du deshalb kurze Haare und weite Klamotten an, damit man dich für einen Jungen hält?“, rutschte es Lena heraus. Sie sah erschrocken aus.
„Richtig. Ich fühle mich einfach besser so. Solche chicen Klamotten, wie die Weiber sie tragen, könnte ich niemals anziehen. Da würde ich mich total unwohl fühlen.“
„Musst du ja auch nicht. Ich finde dich okay, wie du bist. Naja, du könntest nur etwas netter sein, nicht so… rüpelhaft.“
Anna grinste. „Ist eine Abwehrreaktion. An meiner alten Schule haben sie mich fertig gemacht, besonders die Mädchen. Weil ich nicht so war, wie sie.“
„Das tut mir leid…“, flüsterte Lena betroffen. „Mobbing ist echt unschön...“ Sie griff unbewusst nach Annas Hand, diese ließ es zu.
„Ja. Deshalb sorry, dass ich dich blöd angemacht und geschubst habe. Ich dachte du wärst auch eine von denen, die mich fertig machen wollen.“
„Bin ich nicht, wirklich. Ich finde aber, du solltest unseren Mitschülern eine Chance geben, sie nicht von Anfang an verurteilen.“
„Sie mögen mich nicht.“
„Ja, weil du alle von dir weg stößt. Dabei weißt du gar nicht, ob sie dich so akzeptieren würden, wenn du nur freundlicher wärst.“, sagte Lena eifrig.
„Hmm. Ich denk drüber nach, ja?“ Anna drückte Lenas Hand.
„Es würde mich freuen.“ Die Langhaarige lächelte, und wurde leicht rot, als sie merkte, was sie da taten. Sie zog ihre Hand jedoch nicht zurück.
„Und du hast echt kein Problem damit? Dass ich auf Mädchen stehe, mein ich?“
„Nein, ich finde es okay. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich noch nicht genau, auf welcher Seite ich stehe… Also ob ich Jungen oder Mädchen lieber mag.“ Lena errötete noch etwas mehr.
„Das findest du noch raus, mit der Zeit. Wirst sehen.“ Anna löste ihre Hand, und klopfte dem anderen Mädchen auf die Schulter. Lena empfand es als tröstlich.
„Sind wir nun… Freundinnen?“, fragte sie zögerlich.
„Klar, wenn du mit so jemandem wie mir befreundet sein willst?“, gab Anna ernst zurück.
„Das möchte ich gern.“, antwortete Lena feierlich. Bevor beide grinsen mussten. Dieser Nachmittag hatte etwas für beide verändert.