Die Flammen bewegten sich auf den Kerzen, als ob die Melodie der Violine sie zum Tanz aufgefordert hatten. Warmes Licht erhellte schwach das Badezimmer und färbte die weißen Fließen orange.
Der Duft nach Pfirsichblüten lag in der Luft. Tief einatmend stand ich mit geschlossenen Augen vor dem Wandspiegel. Beinahe geräuschlos glitt der seidige Bademantel von meinen Schultern und legte sich rund um meine Füße. Zögerlich glitt mein Blick über meinen nackten Körper.
Die Luftfeuchtigkeit reichte aus, dass meine Haut anfing, nass zu glänzen.
Das süßliche Parfum, dass ich mir am Morgen auf meinen Halsansatz getupft hatte, umgab mich nach wie vor.
Ich drehte mich zur Ablage, auf dem meine unzähligen Parfümflakons standen. Meine Augen fanden sofort den sternenförmige Verschluss, der im Kerzenschein schimmerte. Schmunzelnd ließ ich meine Gedanken an den Tag zurückkehren, an dem Aramis mich in die Parfümerie gezehrt hatte, um mir von Thierry Mugler »Angel Violet« zu kaufen.
Mein Herz pochte laut in meiner Brust. Kurz übertönte das Blutrauschen in den Ohren, die lieblichen Violinen-Klänge.
Als die Bilder verblassten und die Härchen auf den Armen sich wieder gelegt hatten, wandte ich mich ab. Erneut betrachtete ich meinen Körper.
Durch die regelmäßigen Besuche im Fitnessstudio und den langen Laufrouten, die mir halfen den Kopf am Ende des Tages wieder frei zu bekommen, sah man mir mein Alter nicht an.
Ein Lächeln huschte über meine Lippen, als mir der Gedanke kam, dass ich ohne Schwierigkeiten die Türsteher bei den angesagtesten Klubs dazu bringen könnte, mich hineinzulassen.
Nein, dass ich bereits über Vierzig war, sah man mir wahrlich nicht an. Meine langen blonden Haare umschmeichelten mein schmales Gesicht.
Ich hob die Augen und sah in den Spiegel. Aber anstatt meiner Reflexion sah ich eine beschlagene Oberfläche. Ich streckte meinen Arm aus, führte die wischende Bewegung aber im letzten Moment doch nicht aus.
Auf den Fußballen gehend näherte ich mich der frei stehenden Badewanne. Der luftige Schaum war bereits höher als der goldene Rand.
Ein wenig davon hatte sich neben den Sockeln verteilt, die den Pfoten von einem Löwen ähnelten.
Langsam tauchte ich meinen rechten Zehen ins Wasser. Wegen der Hitze schreckte ich zurück. Mein Mund verzog sich ohne mein bewusstes Zutun. Der Pfirsichduft kitzelte in meiner Nase, als ich mich Stück für Stück tiefer in das heiße Wasser gleiten ließ. Meine Finger krallten sich in den linken und rechten Wannenrand.
Meine Haut begann zu brennen. Trotzdem lief ein kalter Schauer durch meinen Körper.
Stöhnend ließ ich den Rand los. Sofort rutschte ich etwas nach unten.
Mein Gesicht befand sich unter Wasser.
Es wurde still.
Kein Laut war zu hören.
Ich genoss die Ruhe bis
mein Körper –
mein Geist –
mein Überlebensdrang
mich dazu zwang aufzutauchen.
Laut nach Luft schnappend, saß ich nun da und lauschte der Violine.
»Aramis, ich bin zu schwach«, flüsterte ich.
Tränen
der Wut –
der Verzweiflung –
der Hilflosigkeit
sammelten sich in meinen Augen.
Plötzlich hörte ich eine heisere Stimme in mein Ohr flüstern.
»Ev, lebe für mich.«
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Eine weitere Kurzgeschichte über Evoleth findest Du hier ....
Die Zeit heilt nicht immer alle Wunden ...
https://belletristica.com/de/books/19626-die-zeit-heilt-nicht-immer-alle-wunden/chapter/81001-bauen