Dark saß nachdenklich an einem Bistrotisch in der Ecke.
Er hatte sich von Viktoria verabschiedet, auch wenn sie gerne mit ihm zusammen auf die Suche gegangen wäre. Aber da sie noch andere Zutaten als er benötigte, und er lieber alleine unterwegs war, hatte er abgelehnt.
Seine Maske hatte er abgelegt und so beobachtete er unbemerkt das Treiben um ihn herum. Er saß im Schatten und hatte somit die Ruhe, ein wenig über das weitere Vorgehen nachzusinnen. Sein Talisman weigerte sich weiterhin, ihn zu anderen Orten zu bringen, also war guter Rat teuer.
Er war so in Gedanken, dass er die Gestalt erst spät bemerkte – fast zu spät.
Ein schwarzer Schatten, der von hinten angeschlichen kam mit der Absicht, ihn am Hals zu packen und ihn gewaltsam zu sich zu ziehen.
Dark rettete sein Instinkt – das unerklärliche Verlangen, den Kopf umzudrehen.
Ein Mann mit Kapuze stand direkt hinter ihm und streckte die Hände nach ihm aus, zögerte jedoch.
Es war dieser Augenblick, der Dark das Leben rettete – sofern man das bei einem Untoten sagen konnte.
Der Stuhl fiel polternd auf den Boden, während der Vampir auf die Seite sprang und sich im Angesicht der Gefahr sofort verwandelte – seine Hände wurden zu langen Krallen und die vier Reißzähne schoben sich hervor.
Ohne weiter zu zögern, rammte er seinen Angreifer mitten in den Bauch, so dass dieser zu Boden fiel.
Dies blieb nicht unbemerkt. Einige Partygäste kamen voller Neugierde langsam näher, während sich die ängstlicheren in Sicherheit brachten.
Der Vampir hatte die Lage bereits unter Kontrolle – dank seiner übermenschlichen Kräfte drückte er den Angreifer mit dem Gewicht des Körpers auf dem Rücken zu Boden und stellte sicher, dass sich dieser nicht bewegen konnte.
Trotzdem empfand er keinen Triumph.
„Seth!“ Die Stimme des Blutsaugers war betrübt. „Warum?“
Der Assassine spuckte seinem Schöpfer wütend ins Gesicht. „Ich hasse dich!“
Die kalten blauen Augen glänzten und vergeblich versuchte sich der Attentäter aus dem Griff zu befreien.
„Ich habe dich erschaffen, verdammt! Und sogar bevor ich dich im Lebensfunkentempel erscheinen ließ, gab es bereits Geschichten von dir.“
Seth knurrte statt einer direkten Antwort. „Ja, leider. Mich gab es schon in deinem Kopf, bevor ich real wurde.“
Wider Erwarten huschte kurz ein Lächeln über Darks Gesicht. „Hast du deshalb für einen Moment gezögert?“
„Ich weiß nicht, warum. Vermutlich bin ich einfach ein Idiot. Aber das nächste Mal werde ich es nicht tun. Man sieht sich immer zwei Mal im Leben, elender Vampir.“ Der Auftragsmörder lachte gehässig auf. „Mit deiner Verkleidung dachtest du wohl, ich erkenne dich nicht, du Dummkopf?!“
Ehe der Unsterbliche darauf reagieren konnte, erschien Viktoria in seinem Blickfeld. „Dark – denk an die Träne.“
„Keine Sorge, ich habe alles unter Kontrolle. Seth wird mir nicht entkommen.“
„Wir sind noch nicht fertig miteinander, du elender… Typ.“
Obwohl ihm der Assassine den Satz bösartig entgegenschleuderte, meinte der Vampir dennoch, eine Art Hilflosigkeit herauszuhören.
Spürte Seth, dass er fremdgesteuert war, und versuchte im Unterbewusstsein, dagegen anzukommen? Hatte er deshalb kurz gezögert?
Diese Frage blieb vorerst unbeantwortet.
Dark konnte nur den Mann weiter festhalten, während Viktoria auf seine Anweisung das Fläschchen mit dem türkisfarbenen Verschluss hervorholte und eine der blauen Tränen, die wütend aus den Augenwinkeln des Gefangenen hervorquollen, darin einfüllte.