Sie erwachte mit einem tiefen Atemzug, der in einem kurzen Husten endete. Ihr Hals kratze und obwohl ihre Augen noch geschlossen waren, war ihr, als würde sich alles um sie herum drehen. Sie wollte ihre Augen öffnen, doch alles war sie erkennen konnte, war allumfassende Schwärze.
Was war passiert? Sie wollte sich umsehen, doch das harte Pochen in ihrem Kopf hinderte sie an der Bewegung. Ächzend hob sie eine Hand, wollte ihre Schläfen massieren – griff aber ins Leere.
Verflucht, dachte sie und stöhnte. Offenbar war ihr Körper so benommen wie ihr Geist.
Was war nur passiert? Obwohl ihr Verstand sich wehrte, versuchte sie sich daran zu erinnern, wo sie war, wie sie hierherkam und was überhaupt zuvor passiert war.
Zuerst war da nur allumfassendes Nichts, wie um sie herum, doch nach ein paar angestrengten Minuten stahlen sich erste Bilder vor ihr inneres Auge.
Ein Club. Elegant, jung, sowohl für Mensch, als auch die Kinder der Nacht. Ein Ort, zu dem sie ging, wenn sie entfliehen wollte. Doch wohin?
Ein junger Mann, gutaussehend, freundlich. Eisblaue Augen, denen ein hinterlistiges Funkeln innewohnt. Sie hatten miteinander geredet, ein bisschen getanzt, gelacht, getrunken. Was hatte sie alles getrunken? Was hatte er ihr bestellt? Ein Glas mit einer ungewöhnlich dunklen Flüssigkeit tauchte für einen Moment vor ihren Augen auf. Sie kannte diesen Cocktail nicht. Er hatte ihn ihr ausgegeben… um etwas abzuschalten.
War sie hier bei ihm? Nein.
Araz war auch dort gewesen, fiel ihr ein. Er hatte den Fremden vertrieben. Hatte die Stimmung zerstört, ihren Plan ruiniert.
Sie spürte, wie ihr die Hitze bis in die Wangen hinauf schoss.
Sie war so wütend auf ihn gewesen. Auf die dreiste Art, wie er sich eingemischt hatte. Sie sah vor sich, wie er einen Streit mit dem Fremden begonnen hatte – oder war es andersherum gewesen? Es hatte aber nicht lange gedauert, bis der Fremde abgezogen war. Mit Furcht im Gesicht – Araz musste ihn eingeschüchtert haben. Wie hatte er sich nur einmischen können?!
Doch danach…
Wieder spürte sie die Hitze in ihren Wangen.
„Na? Wieder bei Bewusstsein?“
Rove zuckte für eine Sekunde zusammen und wandte ihr Gesicht in die Richtung der männlichen Stimme. Sie konnte ihn zwar nicht sehen, doch das hatte sie nicht daran gehindert, dem Impuls nachzugeben. Sie spürte Araz‘ sanfte Hand über ihre Wange und Kinn streifen.
„Wir haben nicht…?“, Rove wagte es nicht, die Frage zu beenden.
„Ich habe es dir heute Nacht schon gesagt: Ich werde nicht zu deiner Selbstzerstörung beitragen, Rove.“
„Und warum sind wir dann…?“
„Frag mich wieder, wenn die Sonne aufgegangen ist.“ Sie hörte, wie es neben ihr raschelte und sich Bett und Decke bewegten – er drehte sich von ihr weg, wollte wohl wieder schlafen.
Erleichtert stieß sie ihren angehaltenen Atem aus. Ein Glück… Die Sache war ohnehin schon kompliziert genug. Doch hatte sie wirklich einen Grund zur Erleichterung? Wie sie sich in der Nacht zuvor verhalten hatte… lächerlich.