~*~
Altbekannt, ein schleichender Tod.
~*~
Von wem wurde das Gift als Pfeilgift verwendet?
Von Schierling auf Pfeilspitzen wurde von alt-griechischen Autoren berichtet. Es ist möglich, dass die Skythen Schierlingsgift als Teil ihrer Pfeilgifte verwendeten. Des Weiteren verwendeten amerikanische Ureinwohner einen Schierlingsextrakt als Pfeilgift.
Woraus wird das Gift gewonnen?
Das Gift wird aus dem gefleckten Schierling (Conium maculatum), in Amerika auch aus dem Wasserschierling (Cicuta virosa) hergestellt. Alle Pflanzenteile sind giftig, die giftigsten Teile sind die Samen und die Wurzeln.
Zum Vergiften der Pfeilspitzen wurde ein Extrakt aus der Pflanze verwendet.
Wie wirkt Schierlingsgift?
Bei der Einnahme von Schierling sind erste Symptome ein Brennen in Mund und Rachen, gefolgt von Brechreiz. Dem folgen Sehstörungen, Schwäche, Verlust des Sprech- und Schluckvermögens und Muskelkrämpfe. Der Tod tritt durch Atemlähmung ein, das Opfer erstickt bei vollem Bewusstsein.
Die Lähmung (Paralyse) beginnt bei den Beinen und breitet sich nach oben hin aus, bis es die Brust erreicht (und der Tod durch Ersticken eintritt). Bei der Paralyse spürt ein Mensch nichts mehr von den betroffenen Körperstellen.
Wird das Gift oral eingenommen, tritt der Tod nach 0,5-5 Stunden ein. Lähmungserscheinungen treten binnen einer halben Stunde auf.
Vom griechischen Philosophen Sokrates wird berichtet, dass ihm zunächst die Beine schwer wurden. Er legte sich hin und bald darauf spürte er an den Beinen nichts mehr. Dieses Gefühl breitete sich von unten nach oben aus – es wird beschrieben, dass die Körperteile erkalteten und erstarrten. Kurz vor seinem Tod soll Sokrates nochmal gezuckt haben.
Manche Autoren meinen, dass die Darstellung von Sokrates Tod geschönt sei oder er zusätzlich zum Gift ein Beruhigungsmittel verabreicht bekam.
Zum Vergiftungshergang durch vergiftete Pfeile (also im Blutkreislauf) habe ich nichts finden können.
Was passiert im Körper?
Der Haupt-Wirkstoff beim gefleckten Schierling ist das Piperidin-Alkaloid Coniin, neben weiteren giftigen Substanzen. Bei den weiteren Substanzen handelt es sich ebenfalls um Piperidin-Alkaloide.
Coniin blockiert den Acetylcholinrezeptor (eine Andockstelle für Acetylcholin) zwischen Nervenzellen und Muskelzellen. Acetylcholin ist ein wichtiger Botenstoff (Neurotransmitter) im Körper. Bspw. sorgt er dafür, dass sich Muskeln anspannen und die Reize von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen werden.
Durch das Blockieren des Rezeptors sorgt das Gift dafür, dass die Signale des Nervensystems nicht mehr bei den Muskeln ankommen. Das Ersticken tritt ein, weil das Zwerchfell gelähmt ist. Der Tod tritt durch Sauerstoffmangel im Gehirn (und im Herzen) ein. Ohne Sauerstoffversorgung im Gehirn verliert ein Mensch nach spätestens 20 Sekunden das Bewusstsein.
Durch eine akute Unterversorgung mit Sauerstoff im Gewebe bzw. in den Zellen (Hypoxie) kann es zu Krämpfen kommen. Durch die gleichzeitige Lähmung der Muskeln äußern sich diese Krämpfe als Zittern oder Zucken.
Das zentrale Nervensystem wird von Coniin nicht beeinflusst. Dies ist der Grund, warum ein Vergiftungsopfer bis zum Schluss bei Bewusstsein bleibt.
Ab wann ist Schierling tödlich (Dosis)?
6-7mg Coniin pro Kilogramm Körpergewicht wirken, oral eingenommen, tödlich (Kennzahl: LD50). Für einen erwachsenen Menschen reichen 1-2g Coniin aus, um zum Tod zu führen.
Der Gehalt an Coniin im gefleckten Schierling ist 1,5-2%. Von der Pflanze sind 6-8 Blätter oder eine kleinere Dosis der Wurzeln oder Samen tödlich.
Anekdoten und Wissenswertes
Gefleckter Schierling zählt zu den giftigsten Pflanzenarten Europas.
Der Wasserschierling (Cicuta virosa) ist ebenfalls hochgiftig. Er wird u.a. in Kamtschatka als Pfeilgift verwendet. Antike Quellen, welche von Cicuta sprachen, dürften jedoch den gefleckten Schierling gemeint haben.
Die Wurzel des Schierlings soll nach Mäusen riechen; Reines Coniin soll scharf nach Mäusehaaren riechen und schmecken.
Coniin ist das erste Alkaloid, welches synthetisch hergestellt wurde (1886).
Im Athen des 5. und 4. Jahrhunderts v.Chr. wurde Schierling zur Hinrichtung verwendet. Der griechische Philosoph Sokrates wurde durch einen solchen Schierlingsbecher getötet. Sollten die Verurteilten schmerzlos getötet werden, wurde dem Giftbecher ein betäubender Mohnextrakt beigemengt.
Quellen
[1] „Greek Fire, Poison Arrows and Scorpion Bombs: Biological and Chemical Warfare in the Ancient World“; Adrienne Mayor; 2009
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Gefleckter_Schierling – aufgerufen am 11.02.2020
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserschierling – aufgerufen am 11.02.2020
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Schierlingsbecher – aufgerufen am 11.02.2020
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Coniin – aufgerufen am 11.02.2020
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Nikotinischer_Acetylcholinrezeptor – aufgerufen am 11.02.2020
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Motorische_Endplatte – aufgerufen am 11.02.2020
[8] https://en.wikipedia.org/wiki/Coniine – aufgerufen am 11.02.2020
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Hypoxie_(Medizin) – aufgerufen am 11.02.2020
[10] https://jeffellismanagement.com/glossary/Hypoxic-Convulsions – aufgerufen am 11.02.2020
[11] https://www.thieme.de/viamedici/vorklinik-faecher-physiologie-1509/a/grenzen-des-menschlichen-koerpers-30370.htm?p=all – aufgerufen am 11.02.2020
[12] https://en.wikipedia.org/wiki/Conium_maculatum – aufgerufen am 11.02.2020
[13] https://natoxaq.ku.dk/toxin-of-the-week/coniine/ – aufgerufen am 11.02.2020
[14] https://www.chemistryworld.com/podcasts/coniine/3005742.article – aufgerufen am 11.02.2020
[15] https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%A4hmung – aufgerufen am 11.02.2020
[16] http://www.philosophie-der-stoa.de/sokrates-tod.php – aufgerufen am 11.02.2020
[17] https://extension.oregonstate.edu/crop-production/pastures-forages/poison-hemlock-western-waterhemlock-deadly-plants-may-be-growing – aufgerufen am 11.02.2020
[18] https://wiki.bugwood.org/Conium_maculatum – aufgerufen am 11.02.2020
[19] „Poison-Hemlock (Conium maculatum L.)“; Larry W. Mitich; 1998; (https://ucanr.edu/repository/fileaccess.cfm?article=167062&p=PLQCSV – aufgerufen am 11.02.2020)
[20] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29135964 – aufgerufen am 11.02.2020