Fingerübungen Mantel – auch nebenher geschrieben, ohne Korrekturlesen.
Diese Party ist absolut der Reinfall.
Meine beste Freundin ist krank, Corinna hustet ununterbrochen und gehört wohl ebenfalls ins Bett, statt hier zu sein. Und Manu hat einen alten Freund getroffen und sich mit ihm zurückgezogen.
„Ich gehe dann mal“, erklärt mir Corinna. „Ich fürchte, ich bekomme eine Erkältung.“
Meine Antwort ist ein Nicken. Offensichtlich.
Ich sollte auch gehen.
Rasch drehe ich mich zu dem jungen Mädchen hinter der Bar und winke ihr mit dem Glas. Sie sieht wirklich lustig aus mit dem pinkfarbenen Body. Schade, dass ich so etwas nicht mehr tragen kann. Ich habe eine gute Figur, aber das Alter hinterlässt nun mal Spuren und ich bin nicht mehr so hager und schlank wie einst.
Endlich blickt das rosa Knallbonbon – also sie – in meine Richtung. Wenigstens versteht sie meine Geste, nimmt mir kommentarlos das Glas ab und drückt mir einige Münzen in die Hand.
Da ich nun mein Pfandgeld zurück habe, kann ich endlich gehen.
Suchend schweift mein Blick über die Menge.
Verdammt, wo ist Corinna? Ich wollte sie doch mit auf denn Parkplatz begleiten.
Wie es scheint habe ich nur vergessen, das ihr zu sagen.
Letztendlich spielt es keine Rolle. Weit ist es nicht, und unerwartet früh uns Bett zu kommen, hat auch seine Vorteile.
Noch immer versuche ich, meine Freundin doch noch in der Menschenmenge ausmachen zu können und achte weniger auf meine unmittelbare Umgebung.
Plötzlich stoße ich mit jemanden zusammen.
„Entschuldigung“, murmle ich und wende mich peinlich berührt der Person zu, die ich in meiner Unachtsamkeit angerempelt habe.
Es ist ein Mann, als Vampir verkleidet, der mir num viel zu nahe steht. Erschrocken weiche ich zurück.
Verdammt! Hoffentlich denkt er nicht, dass ich es absichtlich getan habe und ihn anmachen will.
Denn es ist ein äußerst attraktiver Mann, der mir freundlich entgegenlächelt. Trotz seines Kostüms – oder gerade deshalb?
Seine künstlichen Fangzähne – nicht nur oben, sondern auch im Unterkiefer hat er sich welche angeklebt – sehen verdammt echt aus. Nicht glänzend weiß, sondern in einem natürlichen gelb unterscheiden sie sich überhaupt nicht von den übrigen Gebiss. Und dazu sind sie gar nicht besonders lang, eher kurz und spitz.
Echt professionell. Überaus sexy.
Seine Haare verbirgt er unter einer Perücke. Stattdessen blicke ich auf langes weißes Haar, welches mit einzelnen schwarzen Strähnen durchzogen ist und sich in leichten Wellen um seinen Kopf bis etwas über die Schultern schmiegt.
Wie auch immer seine echten Haare aussehen mögen, diese stehen ihm ausgezeichnet und passen perfekt zum schwarzen Zylinder, den seinen Kopf ziert.
„Alles in Ordnung. Es ist ja nichts passiert“, höre ich ihn antworten.
Seine Stimme ist warm und heiser zugleich.
Man denke an ein Hörspiel, in dem der Erzähler einem sofort in seinen Bann zieht.
Genauso ergeht es mir.
Ich starre nur blöde in dieses freundliche Gesicht, unfähig, ein Wort herauszubringen, während diese Stimme eine hypnotische Anziehungskraft zu haben scheint.
Der Mann scheint weder überrascht darüber zu sein noch es mir übel zu nehmen, dass ich stumm bleibe, sondern streckt mit seine rechte Hand entgegen. „Darf ich Sie auf den Schreck zu einen Drink einladen?“
Ich kann nicht anders, als meine Finger auf die seinen zu legen. Der dünne weiße Stoff seiner Handschuhe fühlt sich ungewöhnlich kühl an.
Diese Kälte verwirrt mich für einen Moment, ehe ich diese Gedanken beiseite schiebe. Ich werde sein Angebot annehmen – alles weitere sieht man. Wie schon erwähnt, sieht der Mann sehr attraktiv aus, da kann man sich schon mal zu einem Getränk an der Bar einladen lassen. Er ist sehr stark geschminkt – etwas weniger der weißen Farbe hätte auch ausgereicht – aber diese Aufmachung passt zu ihm. Ich vermute, dass er sonst eine gesunde Gesichtsfarbe hat und deshalb mehrere Lagen Schminke notwendig waren.
Mit dem Gehstock in der linken Hand hat er etwas aristokratisches an sich, und dieses Bild wird von seinem Mantel unterstützt, der so geschneidert ist, dass man ihn auch offen tragen kann. Mit einem großen sichtbaren Knopf hat er ihn nur oben verschlossen. Kein klassischer Vampirumhang, aber dieser Mantel hat etwas Edles an sich und passt daher perfekt zu seinem Auftreten. Man könnte sogar sagen, er verleiht ihm etwas Geheimnisvolles und Düsteres.
Es ist schon erstaunlich, welche Umstände sich die Gäste hier machen, um sich stilecht in Szene zu setzen. Unter dem Stoff ist es sicher viel zu warm, und tanzen kann er damit sicher auch nicht besonders gut.
Vielleicht möchte er es ja auch nicht. Eine gute Ausrede für Tanzmuffel.
Während er mich so galant zur Bar geleitet, fällt mein Blick auf seine Schuhe. Wie es scheint, hat er wirklich an alles gedacht – keine Sneakers oder Turnschuhe, sondern Gamaschen zieren seine Füße. Die Hose scheint aus Stoff zu sein, und das Rüschenhemd samt zugeknöpfter roter Samtweste fügt sich ebenfalls wunderbar in das Gesamtbild ein. Am liebsten würde ich über den Stoff streichen, um zu fühlen, wie er sich anfühlt.
Ich habe heute wirklich seltsame Gedanken.
„Ich heiße übrigens Thomas“, erklärt er mir, als wir beide an der Bar angekommen sind.
„Simone“, antworte ich mit trockenem Hals, während ich nach dem Sekt greife, den er mir hinhält. Rot perlt die Flüssigkeit in dem schmalen Glas.
Er selbst hat sich das Gleiche bestellt.
Ein schmales Lächeln umspielt seine Lippen, ehe er mit mir anstößt. Mit den spitzen Zähnen wirkt das erotisch und gefährlich zugleich.
„Auf uns! Schließlich werde ich heute noch dein Blut trinken“, prostet er mir scherzhaft zu, während er etwas von seiner Flüssigkeit nippt.
Ich kichere. Warum weiß ich selbst nicht, da ich bisher kaum etwas getrunken habe. Trotzdem ist mir nach Albern zumute.
Wir stehen dicht nebeneinander, als er nun seinen rechten Arm um meine Schultern legt, während er gleichzeitig einen Teil seines großen Mantels um mich legt. Es ist, als würde er mich dadurch von der realen Welt abschirmen und mich mit in die seine nehmen. Wie eine zweite Haut legt sich der schwere Stoff um mich, und obwohl er seltsam schwer auf mir lastet, fühle ich mich unter ihm auch auf seltsame Weise geborgen.
Fast bin ich verführt, für einen kurzen Moment die Augen zu schließen und mich treiben zu lassen.
„Was hälst du von der Nacht?“, fragt mich Thomas wie aus heiterem Himmel.
„Wie meinst du das?“, fragte ich verwirrt.
„Die Dunkelheit ist faszinierend weißt du das? Trink in Ruhe aus, dann werde ich dir zeigen, wie schön sie ist.“
Statt einer direkten Antwort nicke ich nur. Schwach warnt mich mein Verstand, nicht mit einem Fremden einfach fortzugehen – doch als ich in seine Augen blicke, die seltsam schimmern, weiß ich, dass ich diesem Unbekannten bis ans Ende der Welt folgen werde.
Hintergrund:
Wie kam es zu der Idee?
Vor kurzem habe ich bei einen Zunftball habe ich einen ‚Vampir‘ gesehen, der in etwa so ausgesehen hat - Gotik-Perücke, Gehstock, Zylinder, Hemd mit edler roter Weste. Der Mantel war natürlich leichter und seine Vampirzähne hatte er zu diesem Zeitpunkt nicht im Mund.
Dieser hat mich inspiriert.
Ich hatte noch eine andere ‚Vampirgruppe‘ gesehen, die hatten alle einen gefüllte Blut-Plastikbeutel umhängen, der unten zwei verschließbare Öffnungen hatte. Es dürfte sich wohl um Rotwein gehandelt haben – auf jeden Fall wurde davon getrunken (sie hatten kleine Plastikbecher dabei) und anderen auch spendiert. Diesen Gag fand ich echt gut.
Persönlich faszinieren mir Vampire einfach, ich finde auch, sie haben einen großen Sex- Appeal. Ich bevorzuge dabei klar die klassische Variante, also der erfahrene Gentleman, der die Kunst des Verführens perfektioniert hat und nicht zwingend gut sein muss – es aber sein kann. Natürlich schreibe ich auch gerne über sensible Blutsauger, die auch Fehler machen. Was mir nicht gefällt sind Vampire, die wie Teenager aussehen und sich so verhalten – Twillight habe ich daher nie gesehen (glitzernde Vampire im Sonnenlicht finde ich übrigens auch albern).
Der Mantel ist entweder eher ein Umhang (a la St. Marin) oder es ist einfach (Vampir-) Magie dabei, dass er ihn so einfach um ihre Schultern legen kann - vielleicht schlüpft er auch aus einem Ärmel und öffnet den Knopf, der den Mantel oben zusammenhält. Jeder darf sich "seinen" Lieblingsmantel vorstellen, daher habe ich das ein wenig offengelassen.