Ein sanfter Wind strich über die Wiesen, die teilweise von Schnee bedeckt und von Raureif überzogen waren. Einen Hauch von Frühling brachte er mit sich. Wie davon angelockt reckten sich auf einmal zartweiße Blüten aus dem Schnee empor. Zuvor waren sie kaum zu sehen gewesen, doch jetzt strahlten sie wie kleine Sterne in dieser eisigen Nacht. Das nächtliche Himmelszelt war noch von schweren Wolken bedeckt, die den letzten Schnee diesen Winters mit sich bringen würden. Wie um dies zu beklagen, stieg das traurige Heulen eines einsamen Wolfes zum Himmel, zum silbernen Mond hinauf. Und als das Lied verstummt war, schien es doch so, als würde sein Nachhallen noch viele Winter später zu dieser Zeit erklingen, denn ganz verschwand es nie aus dieser Welt.
Kurz blitzten die hellen Augen des Wolfes in den tiefen Schatten des Tannenwaldes auf, dann verschwand der Wolf fast lautlos zwischen zwei verwitterten Felsen. Nun hatte die Stille wieder die Nacht ergriffen, breitete sich aus, bis der gesamte Wald in erwartungsvolles Schweigen gehüllt war. Kein Luftzug regte sich, keine Eule ließ ihren Ruf erklingen und kein Rascheln zeugte von Leben in der ganzen Umgebung. Alles schien auf etwas zu warten. Still. Schweigend.
Nach einer Ewigkeit, die Welten umfassen könnte, geschah endlich etwas – lautlos schwebten funkelnd-weiße Sterne gen Boden und hüllten die Welt in ein noch tieferes Schweigen. Und aus der Stille des Schnees erklang auf einmal ein Lied, gewoben aus des Himmels Musik und dem Schweigen der Nacht. Erst war es noch leise und zögerlich, doch mit jedem Atemzug, den die Welt tat, wurde es entschlossener, bis es einem Orchester gleich bis zum Meer hin schallte. Beim höchsten Ton verharrte es plötzlich, als würde es auf etwas warten. Und tatsächlich – als es wieder anfing, sangen die Tiere und Pflanzen mit ihren vielfachen Stimmen mit. Und das Lied verstummte erst, als die letzte Schneeflocke vom Himmel fiel und die Wolken auseinanderbrachen. Doch keine Sterne blickten vom Himmelszelt hinab. In stummer Trauer um den scheidenden Winter waren sie vom Himmel gefallen. Zusammen mit ihren eisigen Ebenbildern ruhten sie nun auf Erden. Langsam schmolz jetzt der Schnee und mit ihm stieg die Sonne in strahlendem Schein über den Horizont, tauchte die Welt in leuchtende Farben und kleidete die Wiesen und Wälder in eine duftende Blütenpracht. Beschwichtigung und Hoffnung für das Leben der Welt. Denn manch einer liebte den Winter, ein anderer fürchtete ihn. So fand auch der einsame Wolf Hoffnung und Glück, und niemals wieder würde er ein trauriges Lied anstimmen, denn das Leben war ihm heilig geworden, in der Nacht als die Sterne vom Himmel fielen.