Nein, spurlos sind sie nicht verschwunden, die Zweibeiner. Aber das ist nur eine Frage der Zeit. Die Überreste dessen, was sie ihre Zivilisation nannten, ragen noch immer, wenn auch längst vom übermächtigen Grün überwuchert, gespenstisch in die Höhe und mancherorts finden sich noch Spuren ihrer Pfade, die das Erdreich wie Narbengewebe überziehen. Sie selbst sind es, von denen nichts geblieben ist, außer denen, die so sind wie ich, der ich diese Geschichte erzähle. Wolfshybriden: Mächtige, silbergraue Wesen mit blitzenden Augen und wachem Verstand.
In ihrem unbändigen Forschungsdrang und dem Wahn, er könne ihnen die Unsterblichkeit schenken, überschritten sie mehr und mehr die Grenzen dessen, was gut für sie war. Zwar gab es Zauderer, die ihre besessenen Artgenossen warnten, doch all dies war zu nichts nutze. Sie verdammten sich selbst, denn immer hilfloser wurden sie, je mehr sie forschten und je dreister sie in die Natur eingriffen.
Wir beschweren uns nicht, denn sie haben uns erschaffen, und in uns überlebt etwas von ihrer Menschlichkeit, wenn dies auch nur aufgrund unserer veränderten Gene und der in sie gepflanzten Wölfischkeit möglich ist. Diese, unsere stärkste Eigenschaft, war den Zweibeinern stets unheimlich. Wir waren ausdauernd, strotzten vor Kraft, besaßen besonders ausgeprägte Sinne und, mehr als alles andere, einen Drang nach Freiheit. Wir waren nicht leicht zu kontrollieren. Deswegen hielten sie uns in Gefangenschaft, fütterten uns mit hingeworfenen Brocken ihrer Gutmütigkeit und begannen, uns zu fürchten. Es war die Generation unserer Großmütter und Großväter, die dies am eigenen Leib erfuhr.
Doch wie schnell kann sich das Schicksal einer ganzen Spezies wenden?
Rasend schnell.
Es begann wie das, was sie eine Grippe nannten und es kam aus einem dieser Drecksnester, die sie Städte nannten. Und es war unaufhaltsam. Zuerst glaubten sie noch, sie könnten ein Mittel finden und bis dahin hätte es nur die Alten und Schwachen dahingerafft. Und die auf diesen Verlierer-Kontinenten, die längst abgehängt vom Rest der Welt sich selbst überlassen blieben. Doch bald war klar, so würde es nicht sein. Sie gerieten in Panik, wurden unvorsichtig und machten Fehler.
Das war der Zeitpunkt, zu dem alles versagte. Ihr Handel, ihre Kommunikation, ihr Strom, ihre Sicherheit, ihr ganzes Sein.
Sie begannen, um alles, was übrig war, Kriege zu führen. Einer tödlicher und Seuchen-bringender als der andere. Gleichzeitig vergaßen sie uns. Doch wir vergaßen sie nicht. Mehr noch, die, von denen wir abstammen fanden heraus, dass man von ihren Leibern zehren konnte, ohne sich an ihrer Schwäche oder ihrer Krankheit zu infizieren. Und während die Zweibeiner dahinsiechten, gedieh unser Geschlecht.
Die sengenden Strahlen der Sonne verbrannte uns nicht, der widerliche Gestank ihrer Ozeane vergiftete uns nicht. Ohne ihre versagende Technologie waren sie keine Gegner für uns und so zogen wir in die verbliebenen Wälder und Gebirge ein, in denen fruchtbares Leben noch möglich war. Und wir passten uns an. Wir leben. Wir sind frei.
In manchen Nächten, wenn der Regen die Luft in den riesigen Ruinen gesäubert hat, ziehen wir dort umher und genießen unsere Freiheit, singen unser Lied im Schein des Vollmonds, wie es unserer wölfischen Natur entspricht. Und wir erzählen diese Geschichte als Warnung, damit unsere Kinder und Kindeskinder sie nicht vergessen.