Und erstens kommt es anders. Das ist tatsächlich so im Leben. Es spielt verrückt und ist unberechenbar. Sowohl von guten als auch schlechten Wendungen kann ich berichten. So werde ich versuchen, Beispiele hierfür zu finden. In der letzten Geschichte (ein Kapitel zurück) ertrank ich fast und wurde nur durch einen Zufall gerettet. Das war Glück im Unglück. Im Nachhinein ist es verantwortungslos, ein dreijähriges Kind unbeabsichtigt in einem Swimmingpool zu lassen. Ich habe meinen Eltern diesbezüglich nie einen Vorwurf gemacht. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich dieses fast ertrinken fahrlässig mitverursacht hatte.
Eine andere Geschichte ist meine Berufswahl, wie ich mit 18 Jahren urplötzlich die Schule aufgab und dadurch auf eine akademische Laufbahn verzichtete. Im Rückspiegel betrachtet, war der Entscheid nicht der Intelligenteste. Ich bewarb mich nur bei einer Firma und wäre ich nicht genommen worden, wäre ich weiter zur Schule gegangen. Das war der Plan.
An den Klassenzusammenkünften dieser Abiturklasse wurde ich immer eingeladen und ein Viertel meiner ehemaligen Klassenkameraden sind jetzt Chirurgen und Hausärzte. Spricht da aus mir Reue? Ein bisschen. Der gewählte Berufsweg war nicht einfacher. Nach der Grundausbildung musste ich jahrelang die Abendschule besuchen, um einen wertvollen Abschluss zu erreichen. Bei der Schlussprüfung fallen über 35 % durch. Ich war mir jahrelang nicht sicher, ob ich es schaffen würde. Und es kam positiv raus. Wir mussten auf eine Telefonnummer anrufen und dann die Kandidatennummer und den Namen nennen. Und dann hiess es: „Glückwunsch, sie haben bestanden!“ Auf jeden Fall war dieser Tag einer der Glücklichsten meines Lebens. Und es hätte nicht viel gefehlt und es wäre anders ausgegangen.
An diesem 6. Dezember 2018 kam es wirklich anders als gedacht. Am nächsten Tag sollten die Beförderungen bekannt gegeben werden. Und ich war mir 100 % sicher, dass ich dabei war. Um 16.00 Uhr wurde ich zum Chef meines Chefs gerufen. Und kurzum wurde mir mitgeteilt, dass es morgen nicht klappen würde. Ich konnte es einfach nicht glauben und war wie im falschen Film. Die Ursache war ein administrativer Fehler. Einfach ein schlechter Witz. Als ich zuhause war, musste ich weinen. Es hatte mir so viel bedeutet. Ich wurde immerhin auf das nächste Jahr vertröstet.
Im Anfang meines Buches die dritte Dimension habe ich dieses Kapitel meines Lebens etwas verarbeitet. 2019 kam dann definitiv anders. Eine komplizierte Netzhautablösung bedingte mehrere mehrstündige Augenoperationen. Das Resultat war ein Sehverlust von 80 %. Und es kam noch schlimmer: zwei Wochen darauf eine mittelschwere Lungenembolie. Mein Alltag war geprägt von Krankenhausaufenthalten und einer längeren Arbeitsunfähigkeit und da fand ich, die Muse zu schreiben, und stellte fest, dass es guttut. Einfach zu schreiben egal was rauskommt. Es wie ein reinigendes Gewitter für die Seele.
Irgendwann war auch die in Aussicht gestellte Beförderung aufgrund der langen krankheitsbedingten Abwesenheit fast Utopie. Aber es klappte dann schlussendlich im Dezember 2019. Im Juni 2020 wurde ich ein drittes Mal am Auge operiert und es kam anders. Die Sicht ist besser als erwartet. Vielleicht gibt es halbwegs ein Happy End und der Sehverlust ist letztendlich verkraftbar.
Es kommt anders, als man denkt. Ich habe mich schon öfters gefragt, wie ich wohl sterben werde. Ich weiß nicht, ob dies normal ist, sich dies zu fragen. Vermutlich kommt es da wirklich anders oder ich sterbe wie die meisten im Bett. Das ist ja eine große Wahrscheinlichkeit, da man ein Drittel seines Lebens im Bett verbringt.
Nun habe ich den Text durchgelesen und es ist anders herausgekommen, als ich es mir vorgestellt hatte. Ist etwas persönlich geworden. Danke fürs Lesen.