*Peng* *Peng* *Peng*
Schon seit einer Weile drang das nervige Geräusch an Felix' Ohr.
Schließlich wurde es ihm zu bunt. Er stand auf und öffnete das Fenster um der Ursache auf den Grund zu gehen.
*Pong*
Der Ball erwischte ihn geradewegs im Gesicht.
Seine Brille wurde unangenehm hart auf seine Nase gedrückt und hinterließ dort zwei Druckstellen, wo die Bügel auflagen.
Der Ball war wieder aus dem Fenster nach unten gefallen.
"Sag mal geht's noch?!" rief Felix nach unten, kurzzeitig blind, weil seine Augen sich reflexartig geschlossen hatten.
Als er sie wieder öffnen konnte, war der Ballwerfer schon weg.
Mann! Seine Nase tat echt weh. So ein Vollidiot.
Wer hatte bitte nichts besseres zu tun, als einen Ball an anderer Leute Fenster zu schmeissen? Genervt schloss er das Fenster wieder und setzte sich zurück an seinen Schreibtisch.
Er war gerade dabei den Artikel für die Online Zeitung fertig zu schreiben, den er heute Abend noch posten wollte.
Die Recherche dafür hatte ihn die ganze Woche beschäftigt.
Es war kein leichtes Thema: "Fehlendes Vertrauen - Wie Eifersucht Beziehungen zerstört".
Neben den üblichen Fällen von Ehefrauen und Ehemännern, die Detektive anheuerten um ihre vermeintlich untreu gewordenen Partner zu entlarven, hatte er auch krankhaft eifersüchtige Machos ins Visier nehmen müssen, die ihre Freundinnen nicht als Partnerinnen, sondern als persönliches Eigentum betrachteten.
Natürlich gab es sowas auch bei Frauen, die ihre Männer so behandelten, häufiger war jedoch die erstere Konstellation.
Felix hatte gemischte Gefühle, was das Schreiben des Artikels anging.
Er selbst war noch nie eifersüchtig wegen einer Frau gewesen.
Wie sollte er den Artikel glaubhaft formulieren?
Natürlich hatte auch er sich schon mal unsicher gefühlt, ob ein Freund ihn wirklich so sehr wertschätzte, wie er ihn.
Aber dabei handelte es sich um Freundschaft.
Konnte man das wirklich vergleichen?
*Peng* *Peng* *Peng* *Peng*
Jetzt hatte der Journalist wirklich die Schnauze voll.
Anstatt nochmal ans Fenster zu gehen, lief er die paar Stufen ins Erdgeschoss und stürmte zur Tür hinaus.
Da stand Luisa, die Schwester seines Junior-Chefs, und warf den Fußball mit Karacho gegen das Fenster.
"Was zur Hölle machst du denn da?"
Luisa erschrak, als Felix wütend auf sie zustampfte.
Aber sie blieb trotzig stehen, fing den Ball ein letztes Mal und wollte gerade wegrennen, als Felix sie am Arm zu fassen bekam.
"Lass mich los! Oder ich erzähls meinem Bruder!"
Der Journalist lockerte den Griff, gab das Mädchen aber nicht frei.
"Ich frage dich nochmal: Was machst du um diese Zeit hier und warum wirfst du einen Fußball an mein Fenster?"
Die 12-Jährige zog einen Schmollmund und sah demonstrativ weg von Felix.
"Na gut. Wenn du nichts sagen willst, bring ich dich eben zu Markus. Der wird schon wissen, was los ist."
Wie von einer Biene gestochen, riss sich Luisa plötzlich los.
Schnurstracks lief sie von dem Mitarbeiter ihres Bruders weg, drehte sich im Laufen noch mal um und streckte ihm die Zunge raus.
Dann ging alles sehr schnell.
Die Lichter, Hupen, Reifen quietschten erbärmlich.
Als Felix wieder klar im Kopf war, spürte er einen stechenden Schmerz an der rechten Seite.
Ohne zu überlegen hatte er das Mädchen aus der Bahn des herannahenden Autos an sich gezogen und war mit ihr zusammen auf den Bürgersteig gefallen.
Ihr war nichts passiert, aber Felix hatte sich den rechten Arm und das rechte Bein an der Kante des Bordsteins aufgeschlagen.
Minuten später war ein Krankenwagen und die Polizei vor Ort.
Luisa stand unter Schock.
Felix hatte sich bereits wieder erholt und konnte der Polizei Markus' Kontaktdaten geben.
Dieser kam und erfasste die Situation mit einem Blick.
Er bedankte sich überschwänglich bei seinem Freund.
Sagte, der Artikel habe Zeit bis morgen und dass Felix sich erstmal erholen solle. Der Journalist nickte nur.
Dann schimpfte Markus halbherzig seine Schwester aus, nahm sie in den Arm und brachte sie nach Hause.
Nachdem alle Formalitäten mit dem Fahrer des Unfallwagens und der Polizei erledigt waren, stieg Felix die Treppe zu seiner Wohnung wieder hinauf.
'Was für ein verrückter Tag.'
Das Adrenalin in seinem Blut machte ihn hellwach.
Seine Verletzungen pochten dumpf vor sich hin. Die Schmerzmittel der Sanitäter wirkten bereits.
An Ausruhen oder gar Schlaf war dennoch nicht zu denken.
Also setzte er sich trotz allem wieder an seine Arbeit.
Seufzend lehnte er sich zurück. Der Bürostuhl knarzte gefährlich.
Plötzlich fragte er sich, warum Luisa sich so energisch losreissen wollte, als er ihr androhte, sie zu ihrem Bruder zu bringen.
Hatte sie etwa Angst vor Markus? Unsinn, er war doch ihre Familie.
Aber etwas begann in Felix zu nagen. War es fehlendes Vertrauen?