Die Erinnerungen an die Jugend und Ausbildung lasteten mal wieder auf Harro. Er sah zum Himmel und sah keine einzige Wolke. In seinen Gedanken formte sich der Hass gegen dieses Land und seine Skalverei. "In Friesland bedeutet Himmelblau einen angenehme milde Wärme, aber hier in dieser Hölle bedeutete der blau Himmel nur Hitze und Auslaugung." Er spuckte auf den Boden. "Chalid und Mussa, bewegt endlich eure Ärsche. unser Herr will Taten sehen und ihr tut den ganzen Tag über nichts, als Wasser zu saufen und Brot zu essen. Schaffen wir es nicht, die Windmühlen aufzubauen, dann erlangt keiner von uns die Freiheit zurück. Nur wenn die Pumpen laufen können wir dieser elendigen Wüste Nahrung abgewinnen." Träge antwortete Mussa in seiner schläfrigen Art. "Der Gott hat das Land verflucht und mir ist es zu warm, um zu arbeiten. Allah hat nicht gewollt, dass wir verbrennen, also warte bis es kühler ist und frische Sklaven eintreffen." Einmal mehr kochte in Harro das Blut hoch. "Verdammter Ziegenbock, außer schlafen und essen kannst du nichts, aber ich mache weiter." Mit einer Handbewegung winkte Mussa ab. "Hätte Allah gewollt, dass hier Gras wächst, dann ließe er es regnen. Und hätte Allah gewollt, dass hier ein blasser Kerl hier das Sagen hat, dann hätte er dich zum Kämmerer oder sonst etwas gemacht. Aber Allah sprach bisher nicht zu mir, so dass wir alle nur dumme Sklaven sind." Mürrisch wandte Harro sich von dem Faulenzer ab. Er schaute sich um: Im Westen der Djebel Onk, im Süden die Wüste und im Osten das Land eines anderen Stammes. Im Norden sah man an guten Tagen das Atlas Gebirge. Aber hier an der Grenze zur Wüste, gab es nichts, außer Hitze und Wadis. "Eine Flucht war Aussichtslos, denn wohin konnte man schon in dieser Ödnis ohne Ausrüstung und Wasservorräte fliehen."
Stunde um Stunde nähte Harro das Segeltuch mit gewachstem Zwirn zusammen. Stellenweise mussten noch Lederverstärkungen ergänzt werden, um die Tuchbahnen leichter an den Holzrahmen zu binden. Am Abend waren die ersten beiden Bespannungen der Flügel fertig. Besessen von dem Ziel ackerte er unermüdlich weiter, bis auch die letzten beiden Bespannungen fertig waren. Gekonnt hatte er die ersten Bespannungen aufgezogen und erfuhr dabei als erster, dass der Herr einen Tag später erscheinen würde. Die Staubwolke verriet die kleine Truppe, die sich näherte. Die Pumpe war längst an das große Königsrad und die Transmission angeschlossen, um die Arbeit nach der Ausrichtung der Flügel aufzunehmen. Die halbe Nacht über pumpte er Wasser in die Zisterne, Vorratsbehälter, Wasserbecken und auf die kargen Weiden. Erst danach konnte er sich guten Gewissens zur Ruhe begeben.
Mit seiner zahlreichen Gefolgschaft traf der Emir ein. "Emir Ali ben Kasim, seid gegrüßt. Gott hat uns ein Geschenk bereitet. Die Pferde hier müssen nicht länger dürsten und auch die Äcker werden bald erblühen. So es den euer Wunsch ist, könnt ihr nun auch an diesem verlassenen Ort ein Bad nehmen." Wohlwollend nahm der Emir die Nachricht auf. "Wo sind die anderen?" Vorsichtig musste Harro antworten. "Es könnte sein, dass sie sich noch dem Schlaf der Gerechten hingeben. Aber ich denke ich gehe einmal nachschauen, wo sie sich gerade befinden." Der Emir winkte streng ab. "Meine Männer schauen nach. Ich kenne die verlausten Brüder, denen der Fleiß und die Hingabe schon längst abhanden kam." Mit einem Wink rief er einen Reiter und beauftragte den Krieger mit der Nachforschung.
Neugierig sah sich der Emir um. "Erklärt ihr mir bitte was das für ein fürchterliches Gerät ist?" "Herr es ist eine Windmühle, die nun das Wasser aus dem Brunnen pumpt. Jede Stunde mehr als 1000 Liter und das von nun an an jedem Tag, der uns ausreichend Wind beschert. In meiner Heimat haben wir viele dieser Windmühlen, um das Wasser zurück in das Meer zu pumpen. Hier dienen diese Geräte um das Wasser aus den Tiefen des Bodens zu uns zu bringen. Gerne zeige ich euch die Anlage, damit wir noch mehr von diesen Windmühlen aufstellen können. Schließlich ist Wasser in diesem Land ein Segen." Aufmerksam hatte der Emir zugehört. "Ich nehme an, mein junger Freund, dass ihr die Arbeit geleistet habt. Wie viel Pumpen benötigt man, um hier einen kleinen Palmenhain wachsen zu lassen und um Getreide anzubauen? Also in der gesamten Senke?" Vorsichtig gab Harro die Antwort. "Herr man bräuchte schon fünf oder sechs Pumpen mehr. Und natürlich müssten mehr Windmühlen errichtet werden, denn nur mit der Kraft des Windes lässt sich das Wasser in ausreichender Menge aus dem Untergrund heben. Ja, dann könnte man hier etwa fünfzig Hektar Land urbar machen und verschiedene Palmenhaine anlegen. Aber mir alleine fehlt dazu die Kraft. Für diese eine Mühle habe ich drei Jahre gebraucht." Erstmals nickte der Emir aufmerksam. "Ich habe kluge Schmiede und Baumeister. Und an Arbeitskräften soll es nicht mangeln. Aber erklärt mir zunächst woher ihr das Wissen habt. Schließlich besitze ich viele gelehrte Männer, die keinerlei Wissen über diese fremdartige Technik besitzen?"
Harro ahnte, dass er jetzt die Aufmerksamkeit des Emirs gewonnen hatte. Mit aller Vorsicht sah er zum Emir. "Mein Herr Vater ließ mich in den Niederlanden die Kunst des Wasserbaus studieren. Ich war auf dem Weg nach Spanien, als uns die Piraten überfielen und in Eisen geschlagen auf dem Markt in Tunis verkauften. In meiner Heimat stehen tausende Mühlen, die aus Windkraft ihre Energie beziehen. Die meisten Mühlen pumpen nur Wasser und nur jede zehnte Mühle mahlt das Getreide oder werden genutzt, um Holz oder Steine zu zersägen. All das Wissen braucht es, um dem Land gute Erträge abzugewinnen."
Mit einem Wink rief der Emir einen Schreiber heran. "Wir fertigen nachher einen Vertrag junger Mann. Gelingt es dir hier Getreide und Dattelpalmen wachsen zu lassen, dann schenke ich dir die Freiheit. Ich gebe dir drei Jahre Zeit und ernenne dich zum Divan. Du bist dann der wichtigste Mann hier. Vorerst sollst du angemessene Kleidung erhalten und der Schreiber wird all die erforderlichen Baumaterialen und Geräte erfassen, damit dieses Tal erblühen mag. Bedenke, ein Sack Getreide ist hier so viel wert, wie ein Sack Salz und Datteln oder Feigen sind ebenso kostbare Güter. Zur Bewachung dieses Ortes stelle ich zwanzig Krieger ab, die euch und den anderen Bediensteten von nun an Schutz gewähren sollen."
Harro wusste, dass er sich verbeugen musste, denn diese Gnade hatte er nicht erwartet. "Herr, euer Wunsch ist mir Befehl. Aber um eine Gnade möchte ich noch bitten. Ich benötige einen vernünftigen Hut, denn leider brennt hier die Sonne ohne Unterlass vom wolkenlosen blauen Himmel. Es ist hier so heiß, dass es mir oft die Sinne vernebelt und damit meine Schaffenskraft mindert. Für mich ist Schatten in diesem Land der größte Segen, den man verschenken kann. Aber zunächst solltet ihr euch erfrischen und die Pferde tränken. Denn nur erholt kann man diesen Ort genießen.
Drei Jahre später wurde Harro mit einem Vertrag ausgestattet in die Freiheit entlassen. Aus einem tristen Ort war eine kleine Oase in der heißen Ödnis gewachsen. Wasserbecken und weiß gekalkte Gebäude luden zum verweilen ein und die ersten Ernten brachten reichen Gewinn. Junge Palmen spendeten ein wenig Schatten und an den zahlreichen Wasserbecken konnte man sich jederzeit erfrischen. Auf dem Ritt nach Tunis wurde es ihm sogar gestattet auf einem Pferd zu sitzen und halbwegs vernünftige Kleidung zu tragen. Erst auf dem Handelsfahrer, einer stattlichen Bark wurde ihm bewusst, dass sein Abenteuer ein Ende gefunden hatte. Auf der langen Seereise nahm Harro mehr als nur Erfahrungen mit nach Friesland. Endlich sah er wieder das offene Meer und einen Himmel, an dem Wolken, wie eine Verheißung auf Regen prangten.