Alte Traditionen.
Sind sie etwas Gutes oder etwas Schlechtes?
Es war mal Tradition, dass die Eltern bestimmen, wen mensch heiratet.
Traditionell hatte jeder Grieche, der etwas auf sich hält, mehrere Haussklaven.
Griechische Frauen durften nicht alleine vor die Türe gehen und lebten vom öffentlichen Leben weitgehend abgegerenzt im hinteren Teil des Hauses.
Jedes Jahr werden Millionen von Bäumen gefällt um für nur wenige Tage oder Wochen bunt geschmückt in den Wohnzimmern der Welt zu stehen. Danach werden sie verfeuert, geschreddert oder sonstwie entsorgt.
Bis vor weniger als einem Jahrhundert hatte die Frau in Deutschland traditionell nichts zu sagen. Schon gar nicht in der Politik.
Noch heute wird unter dem Deckmäntelchen des Traditionellen Leid, Folter, Vergewaltigung, Mord, Kindsmord, Ausbeutung und Freiheitsentzug betrieben und damit gerechtfertigt, dass mensch das eben schon immer so gemacht hat.
Stiere werden zum Wahnsinn getrieben, ihnen werden unsagbare Schmerzen zugefügt. Mensch berauscht sie mit Drogen, stachelt sie an und schickt sie dann zu einem Menschen in die Arena. Umgeben vom Lärm einer johlenden Menschenmenge drehen sie völlig durch und werden schließlich von "El Matador" - dem "Mörder" - abgestochen.
In anderen Ländern exhumiert mensch regelmäßig seine tote Verwandtschaft um sie zu ehren, sich mit ihnen zu fotografieren und ihnen ihre Lieblingszigarettenmarke in den verrottenden Mundwinkel zu schieben.
Es gibt auch Traditionen, die Menschen zusammen bringen.
Zeigen, dass mensch gemeinsam etwas bewegen kann.
Z. B. Maibäume. Die kann mensch klauen und bekommt als Auslöse eine Brotzeit von den Bestohlenen.
Runde Geburtstage werden groß gefeiert. Mensch sieht alte Freunde und Bekannte. Lacht gemeinsam und erzählt, wie es einem im Leben ergangen ist.
Mensch bringt Kuchen und Sekt mit in die Arbeit, wenn mensch Geburtstag hat.
Zu Weihnachten kommt die Familie zusammen. Oder gute Freunde.
Aber sind Traditionen jetzt gut oder schlecht?
Ich behaupte weder noch.
Solange mensch Traditionen pflegt und ihnen erlaubt sich weiter zu entwickeln und zu verändern, haben sie durchaus ihr Gutes.
Sie festigen das Gemeinschaftsgefühl und die allgemein anerkannten Werte.
Sobald mensch eine Tradition allerdings als in Stein gemeiselt ansieht, sie starr und unveränderlich wird, obwohl die Zeichen der Zeit ganz gegen sie stehen, kann sie auch ein Stolperstein werden.
Kann Fortschritt hemmen, der längst überfällig ist.
Und zu guter letzt sollte eine Tradition niemals als Argument für eine als moralisch falsch erkannte Lebensweise dienen.
Hätten wir das in dieser Weise so zugelassen, so wäre noch heute Sklaverei normal, natürlich und notwendig.
Frauen wären noch immer größtenteils unmündig und das Vergewaltigen des eigenen Ehepartners stünde bis heute nicht unter Strafe, weil es schließlich Tradition gewesen ist, das der Ehepartner der angeheirateten Person zu Willens sein hat.
Was ich damit sagen will:
Es ist genauso wichtig Traditionen aufrecht zu erhalten, wie es wichtig ist sie ab und an zu hinterfragen und zu prüfen, ob sie mit den eigenen Werten und Ansichten noch vertretbar sind, oder es an der Zeit ist, sie zu ändern.
Werte und Ansichten ändern sich mit neuem Wissen.
In einem Zeitalter, in dem neues Wissen nur einen Wisch auf dem Touchscreen entfernt ist, ist es daher kaum verwunderlich, dass die eine oder andere alte Tradition längst überholt ist.
Die Verantwortung diese Möglichkeit zu prüfen obliegt dabei jedem selbst.
Denn jeder Einzelne von uns hat seine ganz persönlichen Traditionen. Und seine ganz eigenen persönlichen Werte.
Meine Grundwerte sind körperliche und geistige Gesundheit, Ehrlichkeit mir selbst und anderen gegenüber, Freiheit, Umwelt- und Menschenschutz, soziale Gerechtigkeit.
Tagtäglich lerne ich Neues dazu und tagtäglich stelle ich fest, das einige meiner liebgewonnenen Gewohnheiten diesen Werten beträchtlich entgegenstehen.
Reagiere ich jedesmal sofort darauf?
Nein.
Kann ich dafür sorgen, dass keine meiner Handlungen jemals mehr gegen meine Werte geht?
Mit Sicherheit nicht.
Ansonsten müsste ich als Einsiedlerin und Selbstversorgerin in einer selbstgebauten Hütte in einem Wald alleine leben.
Und ich habe Menschen mit ähnlichen Werten kennen gelernt, die das tatsächlich so oder so ähnlich (Community) durch gezogen haben.
Ich habe mit mir selbst einen Kompromiss geschlossen:
Ich ändere mein Verhalten immer dann, wenn das Festhalten an meinen alten Traditionen dafür sorgen würde, dass ich mir nicht mehr selber offen ins Gesicht schaun kann.
Denn schließlich ist der einzige Mensch auf dieser Welt, vor dem ich nicht weglaufen kann, dem ich mich deshalb gegenüber rechtfertigen MUSS, ich selbst.