Es war dunkel. Also, nicht ganz dunkel, aber schon recht düster. Ich stolperte mehr durch den Wald, als dass ich lief und eigentlich nahm ich jede Wurzel mit. Überall wo man hängen bleiben konnte, blieb ich hängen und jedes Mal hatte ich sofort das Bedürfnis, noch schneller zu laufen. Die Dunkelheit machte mir Angst und ich wusste, wenn ich es erstmal aus dem Wald herausgeschafft hatte, würde ich wenigstens Straßenbeleuchtung auf meinem Weg nach Hause haben, die mich vor den Schatten beschützte. Mein Kopf tat Dinge mit mir, die nicht nur schmerzten, nein, sie machten mich verrückt. Je mehr Angst ich bekam, desto mehr wuchs das Gefühl in mir, jemand würde mich verfolgen. Ein düsterer Schatten, der nicht mehr war als eine Fiktion, doch im Dämmerlicht sahen alle Bäume plötzlich aus, als würden sie leben und mit ihren langen Armen nach mir greifen. Nur um mich hoch in die Luft zu heben und festzuhalten, bis mich die Gestalt hinter mir eingeholt hatte. Dann würden sie mich an sie übergeben, sodass sie mich grausam zerfleischen konnte. Davor fürchtete ich mich und so wurde ich nur noch schneller. Meine Brust hob und senkte sich unregelmäßig, ich zitterte. Und trotzdem schleppte ich mich immer weiter durch den Wald, auf der Suche nach dem Weg, den ich sonst immer gegangen war, der im Dunkeln aber nicht wieder auffindbar schien. Vermutlich war ich auf diesem kleinen Trampelpfad sogar richtig, aber ohne Licht sah alles gleich aus. Das einzige, was ich mir wünschte war ein Waldrand, um wieder nach draußen zu können und mich wieder sicher zu fühlen. Ich wollte nach Hause und in mein Bett, mich dort verkriechen und mir sicher sein können, dass die bösen Dinge nicht mehr da waren. Tief in mir wusste ich, dass sie nie existierten, aber trotzdem ließ es mir keine Ruhe. Erst, als ich an einer Wurzel hängen bleib und hinfiel, direkt auf meine Unterarme, hatte ich kurz Zeit durchzuatmen. Meine Haut war aufgeschürft, da ich auf einem der vielen Steine gelandet war, die überall herumlagen und hier auf den Trampelpfaden viel des Bodens bedeckten. In meinem Mund hatte ich etwas Erde und die vielen Tannennadeln hatten sich in meinen Haaren verfangen. Aber bevor ich mich noch länger mit mir selbst aufhielt, sah ich mich ängstlich um. Nirgendwo war jemand zu sehen. Oder doch? Hinter dem Baum, da bewegte sich doch etwas! Und da drüben raschelte es in den Büschen! Immer mehr Tränen zierten mein Gesicht, als mein Gehirn sich die komischsten Monster ausdachte, die es sich hätte ausdenken können. Schnell rappelte ich mich auf und lief weiter. Weiter, immer weiter mit dem Gefühl, dass der Boden unter mir nachgab. Das Gefühl, verfolgt zu werden, legte sich nicht. Es wurde nicht besser, auch nicht mit der Zeit. Erst, als ich den Walrand sah, endlich wusste, wo ich war, überkam mich ein Gefühl der Erleichterung. Mit einem letzten Sprint rettete ich mich auf die Landstraße. Um diese Uhrzeit fuhren hier keine Autos mehr. Das Dämmerlicht tauchte die Berge, die man in einiger Entfernung sehen konnte, in ein schönes Orange. Unsere Beleuchtung funktionierte tatsächlich schon und die dreihundert Meter bis zu mir nach Hause schaffte ich ganz schnell. Als ich mit zitternde Fingern die Türe aufsperrte und keine zwei Sekunden später in den Hausflur verschwand, überkam mich ein Gefühl der Erleichterung. Den Schlüssel lies ich in die Schale neben der Tür fallen und die Schuhe bleiben im Flur liegen. Zuerst brauchte ich Wasser, um wieder ein wenig zu Atem zu kommen. Eigentlich wusste ich ja, dass meine Paranoia mich nicht in Ruhe ließ, also warum ging ich immer noch so kurz vor der Dämmerung nach draußen? Ich wusste es nicht. Vielleicht war ich einfach nur dumm. Oder ich lernte nichts daraus. Eine andere Option war natürlich, dass ich jedes Mal hoffte, dass es nicht passierte. Draußen war es mittlerweile dunkel. Langsam ging ich nach oben, um mich in meinem Zimmer einzuschließen, bis mein Mann zurück nach Hause kam. Das Licht im Gang und er Küche ließ ich an. Denn ich hasse Dunkelheit.