17. Juli 2020
I) Erntezeit
Sommer wie er sein sollte.
Die Strahlen der Sonne liebkosten meine Haut mit ihrer Wärme. Die Insekten summten und die Arbeit forderte ihren Tribut.
Es wäre zu schade, die Sträucher voller Beeren und Früchte sich selbst und den Vögeln zu überlassen und ich ergab mich meinem Schicksal.
Handvoll für Handvoll wanderten die roten Rispen in den dafür vorgesehenen Korb. Während sich dieser nur merklich füllte, nahm die Fülle der Ernte auf den Sträuchern ebenso unmerklich ab.
Der Erntegott hatte volles Einsehen gehabt und es gut mit uns gemeint.
Mit einem wehmütigen Blick auf den Berg roter Beerchen dachte ich daran, dass es diesen auch noch zu verarbeiten galt - Saft, Gelee, Kuchen und einen Teil als Vorrat für die kalte Jahreszeit.
Unter dem sengenden Blick der Sonne vergaß ich die Zeit, aber sie vergaß mich nicht. Unabdinglich plätscherte sie dahin und so war es viel später, als ich angenommen hatte, als ich endlich meinen Beutekorb im Kofferraum verstaut und mich auf den Fahrersitz gepackt hatte.
Trotzdem noch nicht zu spät, sondern genau richtig für eine Abkühlung. Noch immer kribbelten die Spuren der Zweige auf meiner Haut und ich bekam das Gefühl nicht los, dass sich noch immer Blattwerk in meinen Haaren befand, obwohl ich mich, meine Haarpracht und das knappe Sommerkleid mehrmals ausgeschüttelt hatte.
Kurz überlegte ich, ob ich mit den Spuren aus rotem Saft auf dem Stoff meines Kleides wirklich direkt zu meinem nächsten Ziel weiterziehen konnte, entschied mich aber dagegen, noch einen Zwischenstopp vor dem Kleiderschrank einzulegen. Zu viel Umweg, zu viel Zeitverlust.
Jetzt zog es mich direkt weiter. Sommer wie er sein sollte - heiß und erfrischend.
Es war noch nicht zu spät, denn das Bad öffnete seine Pforten bis zum späten Abend. In kluger Voraussicht hatte ich meine Schwimmsachen eingepackt.
Fröhlich vor mich hinpfeifend mit den Klängen aus dem Radio lenkte ich mein Auto in die richtige Richtung. Hin zu meiner wohlverdienten Abkühlung. Immer noch selbstvergessen zu dem Sommerhit summend, steuerte ich einen Parkplatz im Schatten an. So viel Glück aber auch!
So wie es aussah, war kaum etwas los. Weniger Autos als sonst, aber was sollte es: So blieb mehr Platz für mich!
Die Zeichen der Zeit und die Umstände, die sie mit sich brachte, schreckten viele davon ab, sich in ein öffentliches Bad zu begeben. Mich jedoch nicht.
Warum auch?
Eher im Gegenteil: Der Einlass war begrenzt, die Abstände gewahrt, was dazu führte, dass ich endlich die Ruhe und Muse fand, die ich so sehr liebte. Ob bei der Gartenarbeit oder beim Schwimmen.
Was mir dann aber doch ziemlich seltsam vorkam, war der gänzlich fehlende Lärm. Kein Kindergeschrei, kein Getobe und Geplansche. Auch der Blick durch die Ritzen des Sichtschutzzaunes boten mir keinen Hinweis. Alles sah verlassen aus, aber ich war noch nicht bereit, umzukehren.
Erst als ich vor dem verschlossenen Eingangstor und dem heruntergelassenen Kassenhäuschen stand, erlaubte ich mir einen ersten Gedanken an den Nachhauseweg.
Aber halt, vorher würde ich um Rat fragen und mich schlau machen. Gedacht, getan und das Smartphone gezückt.
II) Zu später Stunde...
Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich war am falschen Ort.
Späteinlass war doch auf der Rückseite des Geländes. Ich musste über den Hügel und einmal rund herum.
Also begab ich mich an den Aufstieg. Über die Wiese führte inzwischen ein Trampelpfad leicht bergan, vorbei an blühendem Wiesenklee, weißer Schafgarbe und gelbem Rainfarn. Wie schön, den Hummeln, Bienen und Schmetterlingen bei ihrem Nektarflug zuzusehen.
Oben angekommen, hielt ich inne und ließ meinen Blick über den Parkplatz und die angrenzende Taverne schweifen. Auf der anderen Seite lag glitzernd die Wasseroberfläche unter mir.
Ein herrlicher Anblick über eine wundervolle Anlage. Nicht nur der spiegelglatte See, auch die umliegenden Ländereien hatten ihren Reiz. Einer der Gründe, weswegen ich so gerne hier war.
Direkt auf dem Hügel wuchs ein riesengroßer Baum, der sich an diesem Abend mit feuerrotem Laub und Lampions geschmückt hatte. Auch hier spürte ich, dass heute etwas anders war als sonst. Irgendetwas lag in der Luft.
Irgendetwas, das mich veranlasste, einen tiefen Atemzug zu nehmen und meine Augen zu schließen. Ja, irgendetwas war an diesem Abend anders. Ein Zauber lag in der Luft. Ich spürte es mit jeder Zelle und ich war bereit, diesem Zauber zu erliegen und ein Teil davon zu werden.
III)... in geselliger Runde
An diesem Abend fand ein Fest unter dem feuerroten Baum statt. Nicht mir zu Ehren, aber aus einem besonderen Anlass. Feen und Irrlichter waren gekommen, sowie viele andere Wesen aus nah und fern.
Jemand hatte Tische aufgestellt, die sich unter Bergen von Speisen und Tränken bogen. Ein herrlicher Duft nach unzählichen Köstlichkeiten lag in der Luft. Die Stimmung war ausgelassen. Sanfte Klänge von Musik ergossen sich über den Hügel. Feen mischten sich unter die Schmetterlinge und tanzten. Bald gesellten sich die Irrlichter zu ihnen und boten ihr Schauspiel dar. Immer mehr Gäste trafen ein und mit jedem von ihnen wuchs die Gemeinschaft und die Stimmung erhob sich zu einer ausgelassenen Fröhlichkeit. Man lachte, tanzte, prostete sich zu und probierte von den dargebotenen Köstlichkeiten.
Keiner dachte mehr an die Zeit oder an seine ursprünglichen Pläne. Hier zu sein erschien wie das eigentlich Ziel.
Ich war an genau dem richtigen Ort, zur richtigen Zeit. Hatte ich je etwas anderes gewollt?
Die Sonne folgte ihrem vorgezeichneten Weg und verabschiedete sich mit einer beeindruckenden Abendröte in allen Farbnuancen des Himmels.
Ein Lagerfeuer wurde entfacht und die Flammen tanzten mit den Gästen, Feen und Irrlichter um die Wette. Und als die Sterne am Himmel funkelten und ein Komet vorüberzog, begann ein weiteres Schauspiel. Die Feiernden betrachteten die Farbenpracht des Feuerwerks mit Staunen. Es war wunderschön anzuschauen.
Mit vielen schönen Erinnerungen im Gepäck begab ich mich schließlich zu später Stunde nach Hause.
Besondere Anlässe müssen gefeiert werden.
Danke, dass ich ein Teil davon werden durfte.
Auf viele weitere schöne Jahre in Belletristica.
Happy Birthday Belle!