"Ich werde dich finden und wenn es das letzte ist, was ich tue!"
Innerlich seufzend klettere Max die letzten Meter zum nächsten Felsvorsprung hinauf.
Wie viele Jahre war es jetzt her, dass er diesen Schwur geleistet hatte? Ächzend zog er sich über die Kante.
Erstmal tief Durchatmen. In seinem Alter wurden solche Spirenzchen langsam wirklich anstrengend.
Zum Glück war er fast da.
Sein Ziel, eine kleine Berghütte, lag auf einer weitläufigen Alm, die von diesem Vorsprung aus ohne weiteres Klettern erreichbar war.
Fluchend zog er sich auf die Beine.
Dieser verdammte Schweinehund.
Dieses Mal würde er ihn endgültig erwischen. Oder dabei drauf gehen.
Es war ihm einerlei geworden.
Die elende Jagd hatte schon zu lange gedauert und zu viele Opfer gefordert.
Max war müde.
Ein Ritter in seinem Alter gehörte sich auf einen bequemen Stuhl vorm Kaminfeuer, umsorgt von seiner Frau und besucht von seinen Kindern und Kindeskindern.
Stattdessen durfte er diesem Verräter quer durchs Land nachjagen.
Ein tiefes Brummen aus seiner Magengegend erinnerte ihn daran, dass es höchste Zeit fürs Mittagessen war.
Der frische Frühlingswind und die Anstrengungen fachten seinen Hunger zusätzlich an.
Wenigstens blieb die Sonne die meisten Zeit hinter den Wolken.
Ihr heißes Brüllen auf der Haut zu spüren hätte ihm gerade noch gefehlt.
Nachdem er sich mit etwas Proviant gestärkt hatte, überquerte er die nur leicht ansteigende Ebene bis zur Hütte in kurzer Zeit.
Seiner Quelle zufolge hauste der Bastard dort.
Oh, er würde ihn windelweich prügeln.
Ihn an den Haaren zurückzehren vor den König und lachend daneben stehen, wenn er gehängt würde.
Wie oft hatte er sich diese Szene schon ausgemalt?
Und wie oft war ihm der Mistkerl direkt vor der Nase entwischt?
Einen kurzen Moment kam Panik in ihm auf, ob er auch dieses Mal wieder nur eine Staubwolke von ihm sehen würde.
Das letzte Mal als er ihm so nahe gekommen war, lag fast ein ganzes Jahr zurück.
Damals hatte der Verräter ihm im letzten Augenblick ein Schnippchen geschlagen, war mit Sack und Pack auf dem Rücken eines Rappen auf und davon.
Das panische Schnaufen und Wiehern des gepeinigten schwarzen Hengstes verfolgte ihn bis heute im Traum.
Genug! Heute war es anders.
Max war sehr vorsichtig geworden.
Traute niemanden, redete mit wenigen.
Es müsste mit dem Teufel zugehen, wüsste Georg, der Gejagte, wie nahe er ihm war.
Vorsichtig und leise schlich sich Max näher und näher an die Tür heran.
Er versuchte etwas durchs Fenster zu erkennen, aber die Scheiben waren blind vor Staub, Dreck und Spinnweben.
Plötzlich hielt er es nicht mehr aus.
Er riss die Tür schwunghaft auf, polterte mit einem Schrei hinein in die Stube und erstarrte zur Salzsäule.
Georg war tot.
Er lag im eigenen Erbrochenen auf dem Boden neben dem Esstisch.
Sein Stuhl war umgefallen.
Auf dem Tisch ein Topf und ein Teller mit etwas, das mal eine Suppe gewesen sein mochte.
Max drehte sich unwillkürlich um und übergab sich vor der Türe.
Zitternd setzte er sich auf den Boden, lehnte sich an die Hauswand und dachte nach.
Was sollte er nun tun? Sein gesamter Lebensinhalt hatte in den letzten 8 Jahren darin bestanden, diesen Mann zur Rechenschaft zu ziehen und damit seinen Schwur zu erfüllen.
Aber Georg war tot.
Und zwar schon länger, wenn man den Verwesungszustand seiner Leiche bedachte.
Vermutlich vergiftet.
Die falschen Kräuter und Pilze erwischt.
Ein irrsinniges Kichern schüttelte Max beim Gedanken daran, wie dumm das alles war.
Bald steigerte es sich zu einem Lachanfall und er schlug mit der Faust auf den Türstock, dass das alte Holz splitterte.
"Acht Jahre!" Brüllte er heiser.
"Acht Jahre verfolg ich diesen Bastard, weil er die Geliebte des Königs geschwängert und Geheimnisse an die Franzosen verraten hat!
Und dann vergiftet sich das Arschloch einfach selbst."
Langsam erstarb das Lachen und wich einem gelegentlichen Glucksen.
Lange hing Max seinen Gedanken nach.
Erinnerte sich an all die Verfolgungsjagden, den Ärger und Frust.
Schließlich musste er sich damit abfinden.
Es war vorbei. Nichts mehr zu machen.
Endlich stand er auf. Wankte ein wenig, weil ihn seine müden, alten Beine nicht mehr tragen wollten.
Im Dorf am Fuße des Berges gab es eine Schenke.
"Darauf brauch ich ein Bier. Oder besser noch Schnaps!"
Langsam trottete er los.
"Und dann überleg ich mir, was ich ab jetzt machen werde.
Aber bei Gott, ich werde nie wieder etwas schwören!"
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Der arme Max. Er tat mir beim Schreiben schon leid.
Auch wenn er sich im letzten Satz selbst widerspricht. ;)
Er wird gut nach Hause kommen und vom König eine ausreichende Rente für seine treuen Dienste bekommen.
Seine verlorenen Lebensjahre bringt ihm das zwar nicht zurück, aber immerhin.
Ich hoffe, euch hat die Geschichte gefallen. =)