Willi wälzte sich genüsslich auf der Luftmatratze, die auf den gemächlichen Wellen der Donau im Sonnenschein dahintrieb.
Eine Limonade, natürlich selbst gemacht, in der einen Hand, ein Buch in der anderen. So lässt es sich leben.
Als er das Motorboot hörte, war es bereits zu spät. Seine Welt begann sich zu drehen, Buch und Glas flogen in hohem Bogen davon. Platsch!
Eiskalt schlug das Wasser des Flusses über ihm zusammen. Der Sog des davon preschenden Bootes zog ihn nach unten. Mit Händen und Füßen versuchte er sich nach oben zu arbeiten. Vergeblich.
Es war alles so schnell gegangen, er hatte kaum Zeit gehabt, die Luft anzuhalten. Schon ging sie ihm aus.
Seine Lungen schmerzten, sein Sichtfeld wurde schwarz. Das Herz hämmerte wie wild in seiner Brust. Immer schwächer wurden seine Tritte ins Leere.
Wasser spuckend und hustend kam er wieder zu sich. Er lag am Kiesstrand, keuchend wie ein Fisch ohne Sauerstoff. Jeder Atemzug brannte.
Es dauerte Minuten, bis er wieder klar sehen konnte. Aber es war niemand bei ihm. Wer hatte ihn gerettet?
Etwas weiter weg saßen ein paar Kinder am Boden und stocherten mit Stöckchen im Boden nach Muscheln, Krabben und anderen kleinen Tierchen. Die konnten es nicht gewesen sein.
Die ältere Frau dort hinten auf der Liege mit dem Handtuch über dem Gesicht auch nicht. Die lag da der Röte ihrer Haut nach zu urteilen schon seit mindestens zwei Stunden ohne sich zu bewegen.
Wo war sein Retter? Und wieso versteckte er sich vor ihm?
Da fiel sein Blick auf eine Schwarzerle. Ein groß gewachsener Baum, in dessen Schatten jemand saß und auf das Wasser starrte. Die langen, schwarzen Haare hingen der Person nass über die Schultern und ins Gesicht. Obwohl ihre Kleidung triefte und tropfte, hatte die Frau sie anbehalten. Sie saß dort mit angezogenen Beinen, hatte die Arme darum geschlungen und das Kinn in die Mulde zwischen den Knieen gelegt.
Willi stand auf, wobei er beinahe über die eigenen Füße gestolpert wäre. Noch etwas unsicher auf den Beinen schwankte er zu ihr rüber.
"Hallo." Die Schwarzhaarige beachtete ihn nicht, sondern sah weiter aufs Wasser hinaus.
"Ich wollte mich bedanken." Versuchte es der braungebrannte Mann noch einmal. Seine braunen Strähnen klebten ihm nass an der Stirn. Das Hawaii-Hemd mit dem Kokospalmen-Ananas-Aufdruck war eine unzertrennliche Liebschaft mit seiner haarigen Brust eingegangen. Die Boxershorts hing in hässlichen Falten schwer an seiner Hüfte, unangenehm kalt an seinen Genitalien reibend.
Langsam fühlte er sich albern.
Endlich antwortete die Frau.
"Ich war es nicht."
"Wie bitte?"
"Ich war es nicht. Ich bin selbst gerettet worden. Obwohl ich es nicht wollte." Den letzten Satz hatte sie nur ganz leise vor sich hingemurmelt. Willi tat ihr den Gefallen und gab vor ihn nicht gehört zu haben.
Er setzte sich neben sie.
"Willi Merk." Stellte er sich vor.
"Ich weiß." Der Braunhaarige stutzte. Woher kannte sie ihn? Jetzt sah er genauer hin und erkannte Susie Becker, die Assistentin von Robert Schneider aus der Sportabteilung. Sie arbeitete für dieselbe Zeitung wie er. Was für ein verrückter Zufall. Moment, hatte sie nicht eben gesagt, sie wollte nicht gerettet werden?
Willi sah sie lange an ohne etwas zu sagen. Ihre langen Wimpern umrahmten zwei tiefblaue Augen, die melancholisch-traurig in die Welt schauten.
Willi wusste nicht wer sie beide gerettet hatte. Und auch nicht warum. Aber er packte die Gelegenheit beim Schopfe.
"Susie," nun sah die junge Frau doch auf, offenbar überrascht darüber, dass ihr Kollege ihren Namen kannte. "Wissen Sie eigentlich, wie man ein Luftschloss baut?"