Warte, du hast da was im Gesicht. Ich mach das mal eben weg.
Ein bisschen Spucke... so.
Du brauchst das Gesicht nicht so zu verziehen.
Ich bin nicht giftig und immer noch deine Mutter, weißt du.
Warum ich dich herbestellt hab willst du wissen?
Weil ich jemanden zum Reden brauche.
Mit mir passiert gerade was und ich weiß nicht was.
Ich fühl mich wie verhext.
Jetzt roll nicht so mit den Augen. Ich erklär dir gleich was ich damit meine.
Seit ein paar Tagen hab ich diese Gedanken. Immer diesselben.
Was sagst du? Ja, ich weiß, dass es jemanden geben muss, der mich verhext hat, sonst würde ich mich nicht so komisch fühlen.
Also zurück zu mir.
Wer?
Keine Ahnung. Gibt genügend Leute, die mich nicht leiden können.
Ich nehm mich nicht zu wichtig!
Nimm Pauline, meine ehrgeizige Arbeitskollegin. Die würde alles tun, um mich loszuwerden. Dann ist der Weg nämlich frei für ihre Beförderung!
Und das ist nur ein Beispiel. Und sie hat ein Ding für Voodoo und solche Sachen...
Du rollst schon wieder mit den Augen.
Darf ich dir jetzt vielleicht endlich erzählen, worum es überhaupt geht?
Also, wo war ich.
Achja, immer diesselben Gedanken.
Und sobald ich aktiv versuche an was anderes zu denken, bekomme ich Kopfschmerzen, mir wird übel oder es bricht das blanke Chaos in meinem Kopf aus.
An was ich denke?
Gute Frage. Jetzt wo ich es aussprechen soll, fällt es mir echt schwer, Worte dafür zu finden.
Blockiert? Ist mir noch nie in den Sinn gekommen.
Aber jetzt wo du's sagst.
Es ist tatsächlich so. Jedes Mal, wenn ich versuche an meine Pläne für die Zukunft zu denken, schwenkt mein Gehirn wie automatisch um und ich mach irgendwas anderes. Filme kucken, ins Handy starren, Malen, Klavier spielen, Lesen, Schreiben,...
Mir geht es gut. Danke der Nachfrage.
Was soll ich denn mit dieser Karte? Was steht da? Dipl.-Psychol. Dr. Weißenfeld?
Ich bin verhext worden! Das ist nicht meine Schuld! Ich bin nicht verrückt!
Ich schrei gar nicht!
Hey! Bleib hier! Ich war noch nicht fertig!
Rumms. Das war die Tür.
Tss. Psychotherapie. Ich bin doch nicht verrückt!
Oder?
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Anmerkung der Autorin:
Noch immer geht es vielen Menschen so. Sie suchen lieber in der Außenwelt nach der Lösung, als sich mit ihren eigenen, mentalen, inneren Problemen auseinander zu setzen. Aus Angst, für verrückt erklärt zu werden, wenn sie sich dabei schließlich professionelle Hilfe in Form eines Therapeuten suchen.
Ich möchte mit diesem Text darauf aufmerksam machen.
Dazu anregen, darüber nachzudenken.
Sich selbst zu reflektieren und mit den eigenen Gedanken, Gefühlen und damit verbundenen Schwierigkeiten und Problemen auseinander zu setzen ist wichtig und sollte meiner Meinung nach nicht mehr stigmatisiert werden.
Es erfordert Mut, sich den eigenen Problemen zu stellen und Dank dem allgemeinen gegenwärtigen Verständnis von mentaler Gesundheit (Wenn ich nicht hinschau, seh ich auch keine Probleme, also sind keine da.), erfordert es noch viel mehr Mut, sich offiziell Hilfe bei deren Lösung zu suchen.
Jemand, der in Therapie geht, hat erkannt, dass er seine eigenen Probleme nicht alleine lösen kann. Und ist damit der mentalen Gesundheit einen erheblichen Schritt näher, als so manch anderer, der lieber den Kopf in den Sand steckt und mit seinen Problemen lebt, anstatt sich um sie zu kümmern.
Ich beginne selbst bald eine Therapie, weil ich erkannt habe, dass ich mit Selbstreflektion auch nur bis zu einem gewissen Punkt alleine komme.
Weil ich mein Leben frei von Zwängen, Blockaden und emotionalen Flashbacks leben möchte, werde ich die Hilfe eines Therapeuten in Anspruch nehmen. Bin ich deshalb verrückt?