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Stichwort: Geist (2020-01-28)
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Lukas schrak aus dem Bett hoch und starrte mit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Die Ohren gespitzt lauschte er aufmerksam und suchte gleichzeitig misstrauisch das Schlafzimmer ab, sich mit dem Arm am Bett abstützend.
Der Kasten stand wie immer unverändert an der rechten Wand - das linke untere Eck wies seit ihrem Umzug hierher einen gezackten Riss auf, als sie das Möbelstück versehentlich gegen den Türstock gedonnert hatten.
Der kleine Tisch mit den zwei Sesseln stand an derselben Stelle wie immer und auch die beiden Bücher darauf lagen genauso da, wie sie sie tags zuvor dort liegen gelassen hatten, anstatt sie ins Bücherregal im Wohnzimmer zu räumen.
Alles war wie immer. Auch die Vorhänge waren zugezogen und wie an jeden anderen Abend hatte Benji dies gemacht. Deshalb war der linke über den rechten Vorhang gelappt, damit der Mond nicht herein scheinen konnte. Benji hasste es, in der Nacht vom Mondschein zu geweckt zu werden.
Generell hatte dieser einen leichten Schlaf, weshalb Lukas sich wunderte, dass sein Lebensgefährte noch nicht wach geworden war.
Doch bevor er sich länger mit dem Gedanken befassen konnte, hörte er erneut dieses Knarzen, das ihn schon zuvor geweckt hatte. Lukas zuckte zusammen und setzte sich ganz auf, die Hände in der Bettdecke vergraben.
Auf einmal wurde es hell und der Kopf des jungen Mannes ruckte herum. Die Nachtlampe war an. Jedoch nicht einfach so, sein Freund hatte sie angeschaltet und sah ihm mit verschlafenem Gesicht in die Augen. "Luk, was ist denn los?"
Unter anderen Umständen hätte Lukas aufgrund der rauen Stimme seines Freundes gelacht, heute Nacht jedoch nicht. So schwieg er nur, drehte sich um und lauschte weiter. Dann raschelte die Bettdecke und Benji's Gesicht tauchte neben seinem auf. "Was ist? Hast du etwa einen Geist gesehen?", grinste Benji.
Der andere schüttelte nur ratlos den Kopf. "Ich weiß nicht... ich habe etwas gehört", erwiderte er zögernd, bevor sein Freund ihn an der Schulter zurück auf das Bett zog.
"Schlaf! Es wird schon nichts sein. Morgen wirst du das wieder vergessen haben."
Lukas machte nur ein leises "Hmm", protestierte aber nicht. Das Licht wurde wieder ausgeschaltet und Benji schlang einen Arm um seinen Freund. "Ich habe zudem auch gehört, dass Geister in den meisten Fällen friedfertig sein sollen", wisperte Benji und Lukas lachte leise auf. Er atmete tief durch und schloss die Augen, bemüht, das Knarzen einfach zu vergessen. Doch ein kleiner Funken der Unsicherheit blieb und so dauerte es noch seine Zeit, bis ihn der ruhige Atem seines Lebensgefährten in den Schlaf wiegte.
Beide Männer waren längst wieder im Land der Träume versunken, als plötzlich ein Schatten an den Fenstern vorbeihuschte und das Fensterbrett leise knarzte.