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Stichwort: Sommergewitter (2020-03-24)
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Das Mädchen, das am Fenster stand, sah zum Himmel hinauf, auf welchem die Blitze zuckten, welchen das Leuchten der Kinderaugen um nichts nachstand. Die Begeisterung für dieses gewaltige Naturphänomen war nicht zu übersehen.
Viele andere Kinder hätten sich nun vor Angst in den Betten ihrer Eltern in deren Umarmungen beruhigen lassen, doch dieses junge Mädchen war anders. Sie wurde beinahe schon von dem blitzenden und donnernden Schauspiel angezogen. Wie oft schon hatte sie davon geträumt, direkt ins Geschehen hinein zu können? Ein Teil davon zu sein und am eigenen Leibe zu erfahren, wie es sich anfühlte, sich inmitten dieser unglaublichen Kraft zu befinden.
Natürlich war ihr das gesamte Ausmaß dieses Wunsches nicht bewusst, denn sonst wäre ihr klar, dass sie das nicht überleben würde. Doch es waren die kindliche Naivität, die kindliche Freude und Begeisterungsfähigkeit, welche sie zu diesen Sehnsüchten verleiteten.
Ihre Eltern waren froh darüber und sie würden nie auf die Idee kommen, ihrer Tochter diese Freude wegzunehmen. Denn wer könnte einem Kind solch eine Lebensfreude verwehren, wenn dieses an einer unheilbaren Krankheit litt und nicht klar war, wie viel Zeit noch blieb?
Die Mutter stand unterdessen mit einem traurigen Lächeln in der Tür und wünschte sich viele weitere Sommergewitter, die das Gesicht ihres Schatzes für immer erhellen würde. Sie betete dafür, dass sich der tiefste Wunsch ihrer Tochter erfüllte - bald wäre es soweit und ihr Schatz würde für immer zwischen den Wolken verweilen, wo sie für immer ein Teil dieses Spektakels sein würde.
2 Monate später saßen die Frau und ihr Mann auf der Wiese vor ihrem Haus. Das Gewitter über ihnen tobte und während sich die Tränen der Beiden mit den Regentropfen vereinten, schien es, als würden sie die Wolken anlachen. Ihre Tochter hatte ihren Platz gefunden...