Ich stützte müde den Kopf in die Hände und starrte auf den schmutzigen Tisch vor mir. Die Tischplatte aus Plastik war von unzähligen Rissen und Flecken überzogen, genau wie alles in der kleinen Küche. Auf der Küchenzeile stapelte sich das schmutzige Geschirr, um die Glühbirne an der Decke kreisten Falter.
Ich hörte schlurfende Schritte im Flur und erhob mich vorsichtig. Mein Rücken schmerzte und ich stützte meinen Bauch von unten mit einer Hand, um besser stehen zu können. «Mum?», rief ich probehalber in das Habdunkel der kleinen Wohnung. Statt einer Antwort wurde die Wohnungstür geöffnet und einen Moment später so heftig zugeknallt, dass es mir in den Ohren weh tat. Ich verliess die Küche und klopfte an der Schlafzimmertür meiner Mutter. Als sie nicht antwortete, öffnete ich sie vorsichtig einen Spalt breit.
«Mum?» Wieder keine Antwort. Meine Mutter lag in dem grossen Bett mit den schmutzigen Bezügen, ihre Kleider daneben am Boden. Auch als ich sie an der Schulter rüttelte, reagierte sie nicht. Aber eigentlich hatte mir der Geruch nach verbranntem Plastik bereits alles verraten.
Seufzend schloss ich die Türe wieder und ging zurück in die Küche, wo ich mich wieder auf den Stuhl fallen liess und legte eine Hand auf meinen Bauch. Ich konnte sanfte Bewegungen unter meiner Bauchdecke spüren.
Ein trauriges Lachen entfuhr meiner Kehle, als ich auf den kleinen Muffin mit dem Kerzchen darauf starrte, der vor mir in der Mitte des Tisches stand. Ich hatte heute früh extra beides gekauft, um meine eigene kleine Babyparty zu feiern.
Genau wie die im Fernsehen, bloss ohne die Gäste, den Kuchen, die Ballons und Girlanden und ohne die Geschenke.
Seufzend griff ich nach dem Feuerzeug, doch statt der Kerze, zündete ich mir eine Zigarette an. Ich zog fest daran und stiess den bläulichen Rauch dann mit einem erleichterten Seufzer wieder aus. Ich sah ihm nach. Wie er sich kräuselte, in die Höhe stieg und sich schliesslich in Luft auflöste.
Manchmal wünschte ich mir, ich könnte mich auch in Luft auflösen. Einfach verschwinden und all meine Sorgen und Probleme hinter mir lassen.
Mein Handy vibrierte. Ich griff danach und las die Nachricht, die auf dem hellen Screen aufleuchtete.
Bin heute in der Stadt
Lust auf einen Trip?
Jace
Ich lachte auf. Ein trauriges Lachen. Verbittert, verängstigt und enttäuscht. Gebrochen.
Ich hatte immer gedacht, ich würde mit Jace zusammen alt werden, wir würden zusammen in einem schicken, kleinen Vorstadthäuschen leben und gemeinsam unsere Kinder aufziehen. Aber als er erfuhr, dass ich schwanger war, hatte er mich verlassen und der Stadt den Rücken gekehrt.
Welch eine Ironie, dass er sich genau heute wieder bei mir meldete.
Jetzt zündete ich die Kerze auf dem Muffin doch an. Dann stand ich auf und holte eine Flasche Vodka aus dem Schrank. Entschlossen öffnete ich den Schraubverschluss und nahm ein paar grosse Schlucke.
Wenn ich diesen Tag schon feiern sollte, dann so, denn nüchtern würde ich ihn nicht überstehen.