Es sollte nicht einmal bis zum Morgengrauen dauern. Noch hing die schmale Sichel des Mondes am Nachthimmel und warf kaum einen Schein in die von Ranken und Zweigen gebildete Höhle, in der die Wassernixe und der Dunkelelf Zuflucht gesucht hatten.
Etwas hatte Dorchadas aufgeweckt. Vielleicht hatte sich Cahaya bewegt oder im Schlaf gestöhnt, aber jetzt war alles wieder still und ruhig. Nur seine Gedanken nicht, die noch von wilden Träumen aufgewühlt waren. Er und Cahaya hatten gestritten, über Nichtigkeiten, wie so oft in letzter Zeit. Die Flucht und die Erschöpfung zerrten an ihren Nerven. Dabei brauchte Cahaya so dringend Ruhe, um Kraft zu sammeln.
Sein Blick glitt über ihren runden Leib und seine Hand vollführte die Bewegung wie von selbst. Cahaya lag halb auf ihm, während ihre Schwanzflosse von den Wellen umspült wurde. Sanft ließ er seine Finger über ihre Haut gleiten und passte seinen Atem dem Wiegen des Wassers an. Doch bevor er wieder in den Schlaf hinabdriften konnte, regte sich Cahaya auf ihm und erwachte.
"Du solltest ans Ufer rutschen", flüsterte sie leise und glitt von ihm herunter.
Erst jetzt bemerkte Dorchadas, dass sie Recht hatte. Er hatte den unteren Teil seines Umhangs nach oben geschlagen und ausgebreitet, damit er weich liegen konnte, aber seine Füße ragten ins Wasser und die Enden seiner Hose waren nass.
Schlagartig griff die Kälte auf ihn über und packte seinen Körper mit eisigen Pranken. Er erschauderte.
Cahaya seufzte und griff nach seiner Hose. Wie immer waren ihre Finger auf seiner Haut kalt und nass. Dorchadas eigene Finger waren zu klamm, um ihr zu helfen, aber das war auch nicht nötig. Mit geschickten Bewegungen löste sie die Kordel, die seinen Bund zusammenhielt und streifte ihm den nassen Stoff von den Oberschenkeln.
"Du musst das nicht tun", seufzte Dorchadas, aber Cahaya ließ keinen Widerspruch gelten. Mit einer kräftigen Schwungbewegung wrang sie so viel Wasser aus seiner Beinbekleidung wie nur irgendwie nötig und hängte den Stoff anschließend zum Trocknen über eine Nachtschattenranke.
"So trocknet es vielleicht wenigstens ein kleines Bisschen." Der Dunkelelf hörte deutlich die Schuld in ihrer Stimme heraus. Er ignorierte die Gänsehaut, die sich über seine nackten Beine gezogen hatte und rutschte zu ihr. Jedoch so, dass er dabei über der Wasserlinie liegen konnte und halb auf und halb unter seinem Umhang lag, dessen unteren Teil er sich über die Füße schlang.
"Cahaya", sagte er sanft. "Nichts und niemand kann uns jetzt noch trennen. Niemals. Weder mein Vater, noch mein Volk und erst recht nicht die Elemente. Das lasse ich nicht zu."
"Aber du bist eiskalt", protestierte Cahaya und rieb in kräftigen Bewegungen über seine Waden.
Dorchadas beugte sich zu ihr hinab und griff ihre Armgelenke mit seinen Händen. "Wenn es bedeutet, dass ich dir nahe sein kann, dann nehme ich das gerne in Kauf. Ich komme aus einem kalten Reich." Er zuckte die Schultern, aber noch immer war seine Geliebte nicht überzeugt. "Du magst vielleicht aus einem kalten und dunklen Reich unter der Erde kommen, aber nass ist es dort nicht."
Dorchadas zog ihre Hände zu seinem Gesicht und küsste jeden ihrer Fingerknöchel. Anschließend legte er ihre Finger auf seine Brust. "Du hast natürlich Recht wie immer." Seine Hände ruhten auf ihren. "Aber spürst du, wie warm mir ist?" Tatsächlich breitete sich eine Wärme in seiner Körpermitte aus und vertrieb die Kälte.
Cahaya lächelte und bettete ihren Kopf auf seinem Brustkorb. Das gleichmäßige Heben und Senken beruhigte sie fast so sehr wie das immer gleiche, sanfte Rauschen der Wellen und war ihr inzwischen fast ebenso vertraut geworden, wie ihr heimisches Element. "Uns trennt so viel", flüsterte sie.
Dorchadas hob den Kopf. "Uns trennt gar nichts", erwiderte er.
Zärtlich gab er ihr einen Kuss auf die Stirn. "Du bist bei mir und ich bin bei dir. Alles ist so, wie es sein sollte."
Cahaya hob ihr Gesicht von seiner Brust und blickte ihn an. So viel Liebe stand in seinen dunklen Augen. Und so viel Liebe war in ihrem Herzen, dass es drohte, überzulaufen.
Seine Lippen fanden die ihren. Und sie erwiderte den Kuss.
Der Dunkelelf und die Wassernixe küssten sich lange und innig, heiß und hungrig. Was waren sie beide ausgehungert, was brauchten sie beide einander und nichts anderes auf dieser Welt.
Kein Feind und kein Element konnte die Flammen dieses Feuers zum Erlöschen bringen. Niemals.