Schön, dass ihr da seid! Dies hier ist eine kleine, etwas blödsinnige Geschichte, die ich mir als "Zugabe" für den Adventskalender des Vampire's Lair ausgedacht habe. Damit geht dieser über den 24. Dezember hinaus.
Ich wünsche allen frohe Weihnachtstage und viel Spaß mit meinen drei Hexen.
Danke Rye und Phobos, für den Kalender:)
In ihrem windschiefen Haus auf den felsigen Höhen des Harzes, wo sich die letzten Fichten gerade noch gehalten hatten, und einigen Krähen als Rastplatz dienten, wälzte die alte Ertel ihre Kochbücher. Es war der erste Weihnachtsmorgen und obwohl sie in ihrem stolzen Alter von mehr als 800 Jahren nicht mehr viel auf solchen Firlefanz gab, war sie dieses Jahr wieder an der Reihe, das Festessen für sich und ihre Hexenschwestern Gisberta und Xanni auszurichten. Die drei wechselten sich jedes Jahr ab. Dumm war nur, dass sich die alte Wetterhexe kein Zeichen in die Bücher gemacht hatte und sich auch beim besten Willen nicht erinnern konnte, was es vor drei Jahren zu essen gab. Alles woran sie sich erinnerte war, dass sie anschließend einen neuen Hexenofen brauchte. Das würde ihr in diesem Jahr nicht wieder passieren. Etwas ratlos ließ sie ihren kurzsichtigen Blick über die Küchentapete streifen. Vielleicht gab es doch noch den ein oder anderen Fleck, der ihr verraten konnte, was es wohl gewesen war, das da mit Überdruck im Ofen explodiert war. Aber da war nichts. Ertel hatte glatt vergessen, dass sie hinterher alles mit einem sehr patenten Zauber renoviert hatte.
Es half also nichts. Wenn sie sich nicht die Blöße geben wollte, aus Versehen nochmal das Gleiche zu servieren, musste sie wohl ihre Kristallkugel befragen. Das Ding hatte sie doch neulich erst irgendwo gesehen? Schlurfend durchsuchte sie ihre Wohnstube und fand es schließlich im Katzenkorb, wo ihr janusköpfiger Kater schlief und sie mit einem Gesicht genervt, mit dem anderen amüsiert anblickte, als sie die Kugel unter seinem Wanst hervorzog.
„Ach, gib Ruhe, Galileo.“
Sie legte die Kugel auf die Staubschicht ihres Esstisches und rieb probehalber mit einem Daumen darüber. Das müsste eigentlich sein, wie der Zauber ging … Tatsächlich tauchte etwas im Innern auf. Allerdings war es nicht das Weihnachtsmenü von 2017. Es sah mehr aus wie … Ertel brauchte ein paar Momente, um zu verstehen, was sie sah: Das war der Harz, 2020. Ihre bescheidene Hütte. Und es lag kein Schnee. So was aber auch! Sie machte sich sogleich eine Notiz im Staub, damit sie nicht vergaß, es schneien zu lassen.
Weiter ging’s. Die alte Hexe rieb wieder über das Glas. Dieses Mal zeigte ihr die Kugel einen alten Bauernhof, auf dem es so aussah, als wären dort nur alte Tiere untergebracht. Pferde, Esel, Schafe und andere. Sie sahen nicht besonders gut aus, obwohl dort wohl auch ein Ehepaar lebte, das sich bis zur Erschöpfung um die Tiere sorgte. Wieder schrieb Ertel mit ihrem Zeigefinger in den Staub.
Als Nächstes zeigte ihr die Kugel eine einsame, frierende Frau auf der Landstraße. Sie weinte bitterlich und das war auch kein Wunder, denn sie trug nicht einmal Schuhe und ihre schäbige Sweat-Jacke war natürlich viel zu dünn für die Temperaturen draußen. Erneut machte die Hexe eine Notiz davon. Und irgendwie vergaß sie dabei komplett, was sie eigentlich suchte. Erst recht, als sich Galileo auf ihrem Buckel niederließ und ihr mal mit dem einen, mal dem anderen Gesicht über die Schulter schaute.
„Meeeooow!“, fand er.
„Du sagst es, Dicker. So ein Elend überall …“
Nach einer ganzen Weile war die Tischplatte vollgekritzelt und der bevorstehende Besuch vergessen. Da rumpelte und pumpelte es plötzlich durch den Schornstein und Gisberta, auf einem funkelnagelneuen Besen, krachte herein. Sie hustete und klopfte sich den Ruß von der grün-roten Kleidung.
„Hu-hu, Ertel, ich bin’s! Frohe Weihnachten!“
Die alte Wetterhexe sah von ihrer Kugel auf die Hexenschwester, da dämmerte ihr, dass sie was vergessen hatte.
„Komm her und setzt dich, wir werden gebraucht“, wies sie Gisberta etwas ruppig an, auch um von ihrem Fehler abzulenken.
Jene schaute etwas verdattert, kannte solch seltsames Verhalten aber schon von der Alten.
„Sollen wir nicht mit dem Kochen anfangen?“, fragte sie. „Xanni bringt noch einen ihrer Freunde mit, der hat als Dämon sicher einen Mordshunger.“
„Kochen? Jetzt?“ Ertel schüttelte den Kopf. Nein, dafür blieb keine Zeit. Sie hatte eine bessere Idee.
„Schau mal im Katzenkorb nach, da ist bestimmt die Karte vom Pizza-Bringdienst. Bestell irgendwas und viel davon und sag Xanni und ihrem Bad Boy, sie sollen beim Brockengrill vorbeifliegen. Dann kommst du und wir fangen an.“
Gisberta schaute zu dem Kater, der schielte zurück. Dann tat sie, was Ertel gesagt hatte. Zum Glück hatte Xannis neuer Freund nicht, wie der letzte, ihr Handy gefressen, und so war es kein Problem, die beiden auf ihrem Besen zum Pizza holen umzuleiten. Gleich darauf, ging Gisberta mit Ertel ans Werk.
Als der Besen mit Xanni vorn und dem Dämon, beladen mit acht Pizzakartons auf dem Schoß und zwei zusätzlichen auf den Hörnern eintrudelte, hatte Gisberta schon einen Plan erstellt und verkürzte ihre Begrüßung auf das Mindeste. Dem Dämon zuliebe verzichtete sie ganz auf „Frohe Weihnachten“ und versuchte es mit „Friedliches Lichterfest“. Der Typ rollte mit den grünen Augen und brachte die Pizza zum Küchentisch.
„Er redet nicht viel.“
„Er hat andere Vorzüge“, erklärte Xanni kurz bei einem Blick auf ihren Süßen mit seinem Knackarsch und begab sich mit ihrer Hexenschwester zu der alten Ertel bei der Kristallkugel.
„Hi, Ertel, was geht ab?“
Die Angesprochene schaute nur kurz auf und deutete auf die Tischplatte.
„Siehst du doch.“
In der Tat sah Xanni, was los war.
„Also verbringen wir wieder den ganzen Tag damit Gutes zu tun?“, fragte sie mit einem Naserümpfen.
Gisberta bestätigte. „Wir arbeiten gemeinsam die Liste ab.“
Xanni schaute auf ihren Dämonen-Freund, der bereits einen Pizzakarton zerfetzt hatte und sich über eine Diavolo hermachte.
„Süßer, das hier kann dauern, aber ich mach’s wieder gut“, versprach sie.
So setzten sich die beiden jüngeren zu der alten Hexe und Gisberta erörterte den Plan:
„Also: zuerst brauchen wir Schnee, damit wir in Weihnachts-Stimmung kommen.
Dann kümmerst du dich bitte um den Gnadenhof bei Clausthal. Die Tiere brauchen Futter, Medizin und die Zäune müssen durch einen Zauber erneuert werden. Ein reicher Spender wäre auch super.
Deinem Freund verpassen wir Menschengestalt und dann fährt er mit Ertels altem Opel und bringt eine Frau von der Landstraße ins Frauenhaus.
Ich leite eine Lieferung Kinderspielzeug an das Kinderheim um.
Dann müssen wir verhindern, dass ein Wolf erschossen wird …“
Xanni hörte aufmerksam zu, bis Gisberta mit ihrer Liste geendet hatte.
„Ist das alles?“
Ihre Frage ließ die alte Ertel aufsehen. „Soweit es die Kugel zeigt, ja. Um den ganzen Kleinkram können sich ja auch die Menschen selbst kümmern. Dafür braucht man keine Hexerei.“
Plötzlich ertönte ein teuflisches Rülpsen in der Hütte und die drei fuhren erst zusammen und dann herum zu Xannis Dämon.
„Pizza ist alle!“, rief der. „Und ich hab mitgehört. Wenn der Opel schnell ist, fahre ich nochmal beim Brockengrill vorbei.“