«Der Fall liegt doch klar auf der Hand», sage ich, nachdem wir wieder in der Gasse stehen.
Die anderen blicken mich erwartungsvoll an, doch ich schweige kurz, genieße den Moment.
«Ok», jetzt haben sie lange genug gezappelt, noch einmal Luftholen. «Ich stelle mir das so vor: Der Einbrecher schnüffelt zwischen den Tonnen nach Futter. Dann sieht er die angelehnte Hintertür, erkennt seine Chance und dringt schnell und gewissenlos ein.»
Susi und Lumpi hängen gebannt an meinen Lippen, die blinde Ruby lauscht mit schräggehaltenem Kopf.
«Er folgt seiner Nase bis zur Kühlkammer, öffnet die Tür und stiehlt den Leberkäse und die Sülze. In diesem Moment hört ihn Ruby, beginnt zu bellen, was den Einbrecher erschreckt. In seiner Panik wendet er sich um, stößt dabei den Bluteimer um, dann flüchtet er. Besudelt mit dem Blut läuft er aufgeregt durch die Hintertür. Er übersieht die Tonnen, knallt mit dem Kopf dagegen und bleibt ohnmächtig liegen.»
Susi und Lumpi nicken anerkennend, daher ergänze ich: «Wo wir ihn dann noch immer mit dem Blut beschmiert auffinden und wecken.»
Jetzt schaut Lumpi etwas verwirrt drein.
«Watt soll´n dett heißn? Jlaubste etwa, ick wär dett jewesen?»
Ich nicke bedächtig. «Genau das habe ich gerade erklärt. Es spricht alles dafür. Du hattest ein klares Motiv, nämlich Hunger. Da hast du einfach die Gelegenheit ergriffen und zugeschlagen. Als Straßenhund lernt man viele Dinge, garantiert auch wie man die Verriegelung der Kühlkammer öffnet.»
Lumpi schüttelt sprachlos empört den Kopf.
«Seitdem du hier hier im Dorf bist, ist dies nun der dritte Überfall, bei dem Lebensmittel gestohlen wurden. Willst du uns ernsthaft erzählen, das seien alles nur Zufälle?»
«Ey Mann, ick hab et euch doch schon jesacht, dett war´n Wambir!»
«Ein Sülze und Leberkäse fressender Vampir?», fragt Ruby skeptisch.
«Na watt weeß ick denn? Ick hab doch hier nur jepennt, bis datt Jebelle anjefangen hat. Bin bei dem Jetöse hochjeschreckt. Jedenfalls hab ick da dann so´ne paar rote Augen jesehen, die sind voll auf mich zujeflogen jekommen. Die ham die Tonnen umjeworfen, voll auf mich druff. Vorher war ick noch sauber, dett weiß ick, bin ja keen Speckdratz. Der Vambir muss da minn Blut jesoffen ham, hab ick mir so jedacht. Darum war ick doch auch voll mittem janzen Zeuchs. Der hat mich rejelrecht leer jesoffen, bis ick ohnmächtig jeworden binne.»
«Und du glaubst ernsthaft, mir so einer absurden Geschichte könntest du dich rausreden?», will ich von dem Straßenhund wissen.
«Dett is mich doch ejal, watt ihr jlaubt. Ick hab hier nur jepennt. Aber ne, is klar, am Ende isset immer der Fremde, der Obdachlose, der olle Penner. Aber ick war et nich. Ick bin nen anständdijen Wüllmühler, keen Mundräuber!»