Wie gebannt starrte Leopold auf die große Sanduhr auf dem Schreibtisch seines Vaters. Er hatte versprochen, zurück zu sein, wenn der Sand zwei Mal durchgelaufen war, doch jetzt näherte sich der Sand schon zum dritten Mal dem Ende, und von seinem Vater war noch immer nichts zu sehen. Besorgt schaute Leopold aus dem Fenster. Was mochte wohl vorgefallen sein, dass sein Vater einfach nicht heim kam? Das war sonst so gar nicht seine Art.
Vom Hafen her schellte plötzlich eine Glocke und durchbrach die Stille des Arbeitszimmers. Erschrocken schaute Leopold auf, doch durch das schmutzige Fenster konnte er nicht bis zum Hafen sehen. Er wandte seinen Blick wieder der Sanduhr zu, durch die gerade die letzten Körner rieselten. Behutsam griff Leopold die Uhr und kehrte sie noch einmal um. Drei Mal war sie jetzt durchgelaufen, und von seinem Vater noch immer keine Spur. Langsam begann Leopold sich wirklich Sorgen zu machen. Eigentlich war es nicht die Art des Vaters, seine Versprechen nicht einzuhalten. Ein wenig würde er noch warten, beschloss Leopold, dann würde er gehen und seine Schwester fragen, ob sie wusste, was genau den Vater davon abhielt heimzukommen. Ja, das klang nach einem vernünftigen Plan.
Die Tür des Arbeitszimmers knarrte laut als sie sich öffnete, und Leopold schreckte hoch. Im Zimmer war es dunkel, er musste wohl eingeschlafen sein, während er auf den Vater gewartet hatte.
"Du hast doch nicht immer noch auf mich gewartet, mein Junge?", fragte die raue Stimme seines Vaters, und Leopold konnte regelrecht fühlen, wie die Erleichterung sich in ihm ausbreitete. Sein Vater war wiedergekommen.
Die Kerze in der Hand des Vaters erleuchtete das kleine Arbeitszimmer und sein Gesicht, in dem Leopold nichts als Liebe sehen konnte.
"Komm her, mein Junge", sagte der Vater, beugte sich zu Leopold herunter und hob ihn mit dem freien Arm hoch, als sei er nichts weiter als eine Feder. Leopold vergrub das Gesicht am Hals des Vaters und fühlte, wie die Müdigkeit ihn einholte.
"Schlaf ruhig, mein Junge", sagte der Vater leise, als habe er Leopolds Gedanken gelesen, "Ich werde bleiben, das verspreche ich."
Und mit diesen Worten fiel Leopold zurück in einen tiefen, erholsamen Schlaf.