Die alte Eiche an der Kreuzung nach Midsomer war schon immer ein Zufluchtsort für Charlotte gewesen. Stundenlang hatte sie zwischen den dicken Wurzeln gesessen und den großen Stamm hinauf geschaut, in das grün der Blätter, wenn es Sommer war, oder das leuchtende rot im Herbst. Und im Winter, wenn die Natur schlief und die Eiche kahl war, hatte sie ihre Wange an die braune Rinde gelegt und sich eingebildet, zu fühlen, wie es unter dem unscheinbaren Äußeren des Baumes noch immer lebte. Jahr für Jahr hatte sie gebetet, dass der alte Baum im Frühjahr wieder austreiben möge, und stets hatte die Eiche es auch getan. Wenn dann das Maifest kam, und die Mädchen aus den Dörfern von überall grünende Zweige herbeischafften, beeilte Charlotte sich stets, einen Zweig von der alten Eiche zu holen und in die Kränze einzuflechten, damit auch dieser Baum teilhaben konnte an der Freude der Menschen.
In diesem Sommer sollte der alte Baum zum ersten Mal nicht austreiben. Charlotte hatte gebetet und gehofft, doch niemand hatte sie erhört, und die Äste der Eiche blieben blätterlos. Beinahe schien es ihr wie ein Omen, ein Zeichen der Dinge, die da kommen würden. Zuerst weinte sie, wann immer sie in das tote Geäst des Baumes schaute, kündete es doch vom Ende eines Lebens, doch bald wandelte sich Trauer in Wut, und sie fühlte sich verhöhnt, wann immer sie das trostlose Braun erblickte. Dann kam der Juni, kalt und nass wie immer, doch als sie danach die alte Eiche wieder passierte, leuchtete eine winzige Knospe zwischen dem toten Holz. Und die Welt fühlte sich etwas weniger trostlos an.