Das dumpfe Pochen meiner Schläfen bereitete mir Kopfschmerzen. Mit jedem weiteren Herzschlag sorgte mein Kreislauf dafür, dass ich wieder zu mir kam, dass Blut in meine Beine und Arme gepumpt wurde und selbst mein Verstand sich so langsam wieder erinnerte, was geschehen war. Ich wollte ein paar Laute von mir geben, hörte aber nur wirres Grunzen. Kam das von mir?
Ich wollte mich aufrichten und zuckt zugleich zusammen. Muskelkater an meinem Rücken, Schmerzen an den Schultern, Pochen an den Schläfen und ein Kratzen an den Füßen. Wo war ich gelandet?
Schnell schlug ich die Augen auf und bereute es gleichzeitig, denn dadurch, dass meine Augen nun mehr verarbeiten mussten, was sie nicht sahen und mein Kopf nun klarer wurde, wurden auch die Schmerzen im Kopf immer größer. Doch ich blinzelte mehrmals und sah wirklich nichts. Oder es war einfach kein Licht dort, wo ich nun war.
In der Schatzkammer war ich nicht mehr, denn der Geruch nach Fäulnis und anderem verpestete die Luft. Ich versuchte, meine Nase zuzuhalten und hielt inne. Meine Schultermuskulatur zog sich schmerzhaft zusammen, als ich verstand. Meine Handgelenke waren an Eisenketten an der Wand festgemacht. Ich zog leicht daran und verstand, als das Metall in der Nacht klapperte. Das typische Rasseln von Ketten.
Nun überkam mich doch die Panik und mein Hirn schaltete sich wieder aus. Mein Herz pumpte schneller, als könnte mir das helfen, aus der Zelle hinauszurennen. Und doch blieb ich an Ort und Stelle.
„Hilfe...“, flüsterte ich in die Dunkelheit. Doch wer sollte mir antworten?
„Vergiss es, Kleiner“, hörte ich im Hintergrund eine raue Stimme. Ein alter Mann, oder jemand, der seit langem keine Laute mehr von sich gegeben hatte. Meine Lippen bewegte sich bereits, bevor ich nachdenken konnte.
„Wo bin ich?“, dumme Frage, auf die ein Lachen folgte.
„Im Kerker unter dem Palast. Mach dir keine Hoffnung, du wirst hier drin sterben.“ Meine Lungen krampften sich zusammen, als ich meine Füße auf den kalten Stein stützte und meine Schultern so entlasten konnte.
„Wer bist du?“, fragte ich weiter flüsternd, als würde Ammit höchstpersönlich mich holen, würde ich lauter sprechen.
„Ein Niemand, der eigentlich dumm genug war, dumme Dinge anzustellen“, das kecke Lachen sagte aus, dass dieser Fremde seine Taten nicht bereute. „Du? Wer bist du?“
„Ein Niemand, der dachte, er könne etwas ändern und dumm genug war, es zu versuchen.“ Das Lachen verstummte. Man hörte ebenfalls ein Rascheln von Ketten. Ob der Fremde neben mir in der Zelle lag, oder weit entfernt mir antwortete, vermochte ich nicht zu sagen. Amun-Re selbst wusste nur, wer dieser jemand war und was mit mir passieren sollte.
„Ammit selbst verschlingt uns hier.“ Die Stimme und das Rascheln verstummten, und ich war wieder allein.
Ich hatte von der Jenseitsgöttin gehört und wusste, was ihre Aufgabe darstellte. Sie war die Hüterin des Pharaos, wenn er verstarb. Um problemlos in den Himmel aufsteigen zu können, mussten dunkle Mächte dunkler Götter wie Seth von dem König abgewiesen werden. Man hörte Schreckensgeschichten über die Göttin, wie sie in Krokodilsgestalt Menschen fraß, die Schlechtes vollbracht hatten.
Und auch wenn ich eigentlich nicht an diese Mythen und Legenden glaubte, so schlug mir mein Herz doch bis zum Hals, als mir Schweiß austrat und ich gleichzeitig fror. Das bloße Leinentuch um meine Hüfte bedeckte nur das Notwendigste, sodass es mir in der Schwärze und Kälte keinen Schutz bieten konnte. Die Panik konnte ich nicht unterdrücken, so sehr ich es auch versuchte. Tränen flossen in Strömen über die Wangen und tropften auf den Boden, ein Schluchzen folgte dem nächsten.
Schließlich versiegten sie, mein Körper hing schlaff an den Ketten und nicht mal zum Nachdenken blieb mir genügend Kraft übrig. Der Eifer vor dem Einbruch war verschwunden und ich saß erbärmlich in einer Zelle und wartete. Auf was, wusste ich nicht mal selbst.
Also schlief ich erneut ein. Und meinte zu hören, wie der Fremde zu mir sagte: „Wenn der Pharao tot ist, dann könnten wir leben.“
Ein Schlag auf meinem Gesicht weckte meine Lebensgeister. Schmerz durchschoss meine Wange, als ein weiterer Schlag die rechte Gesichtshälfte traf. Ich unterdrückte einen Fluch und hielt meine Augen geschlossen, doch schon traf mich eine Faust auf die Nase und augenblicklich fing diese an zu bluten.
„Erwache, Erbärmlicher!“, zischte jemand und mir wurden sie Fesseln abgenommen. Sofort stürzte ich auf die Knie. Schmerzen durchzogen meinen Körper, als die Haut ohne zu Bremsen auf den Stein schlug und meine Knochen knackten. Ich hörte Rascheln von Gewändern und ein Auflachen, das mit einem weiteren Zischen unterbunden wurde. Mein Blickfeld klärte sich auf. Eine Fackel oder zwei brannten an den Wänden, als ich mit einem Augenaufschlag die Zelle sehen konnte. Benutztes Heu an der einen Ecke und dunkle Flecken unbekannter Herkunft an der anderen. Wenn ich mich ausstrecken würde, so würde die Zelle mich vollends auffüllen. Würde ich mich dann noch einmal herumdrehen, so hätte ich die Zellenstäbe erreicht.
Aufgrund der Verbindung zwischen Gesehenem und Geruch kam mir die Galle hoch und ich erbrach mich in einer Ecke mit dem Heu. Sofort erklangen Schritte, die sich von mir entfernten. Nachdem ich meinen Mageninhalt entleert hatte, wobei so oder so nicht viel darin gewesen war, sah ich meinen Besuch an und erstarrte. Sofort schlug ich die Augen nieder und starrte den Boden an.
Was machte der neue Pharao in meiner Zelle?
Ich hätte die Gruppe voller Menschen nur flüchtig gesehen, doch ich erkannte jeden einzelnen. Mittig stand der nächste Pharao, der Sohn des Thutmosis II. Daneben eine junge Frau, wohl seine Mutter oder Schwester. Beide hatten lange schwarze Haare und waren in edlen Kleidern und Schmuck gehüllt, sodass ein krasser Kontrast zu meiner Bekleidung enstand. Links hinter ihm stand ein älterer Mann, wohl ein Priester. Durch die Dunkelheit und die langen Roben konnte ich ihn nicht zuordnen, welchem Tempel er diente, doch es war allemal sicher, dass dieser Mensch weitaus wichtiger war als ich.
Eine Besonderheit stellte allerdings der neue Herrscher dar, denn ich hatte einen König immer größer und erhabener in Erinnerung gehabt. Auch der Sarkophag seines Vaters hatte weitaus länger gewirkt als dieser junge Mensch. Doch sofort schüttelte ich diesen Gedanken ab. Es gab einen Grund, weshalb der König hier war, egal was ich von seinem Aussehen hielt.
Stumm blickte ich den kalten Stein an. Man durfte ihm nicht in die Augen sehen, nicht sprechen, es sei denn er forderte es. Ich stellte den linken Fuß vor, während meine Gelenke knackten und ich stöhnend die Position änderte. Die Hände flach auf dem Boden verbeugte ich mich so tief, wie es ging. Ich versuchte ihm dadurch mehr Respekt zu zollen, doch sicherlich wäre es ihm egal, wer ich war und was ich nun tat. Es war nur wichtig, was ich versucht habe zu tun. So erbärmlich ich auf vor ihm lag.
„Minkabh, Sohn der Mut, und derzeitiges Oberhaupt der Familie, die dem Land des Pharao Getreide und Ernte bringen soll. Deine Familie ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Volkes, und du dankst es der Großzügigkeit des Pharaos damit, dass du an seiner Trauerzeremonie fehlst, in den ehrenwerten Palast eindringst und die Schatzkammer plünderst. Deine Untat soll gebüßt werden, wie Schande du über dein Volk, deiner Familie und den großen Thutmosis III gebracht hast.“
Ich wollte aufatmen, um zu widersprechen. Wer von den dreien sprach, oder ob es nur eine Wache war, wusste ich nicht, doch es war schlichtweg egal. Ich hatte mein Todesurteil unterschrieben, obwohl ich nicht einmal Lesen und Schreiben konnte.
„Herr...“, flüsterte ich, doch die hallende Stimme unterbrach mich.
„Es folgt nun das Urteil, das deiner Tat gleichkommt.“ Mit pochendem Herzen wartete ich, doch wusste es bereits.
„Tod durch Enthauptung.“