Unbeschwert folgte ich den Klängen der Musik, gab mich ihrem Spiel hin, und warf dabei immer wieder ein breites Grinsen zu Lissy, meiner besten Freundin. Sie war ebenso in den wummernden Bässen und jubelnden Elektroläufen versunken wie ich. In regelmäßigen Abständen an ihrem Glas nippend, zur Feier des Tages gab es heute ausnahmsweise Weißwein statt gepanschtem Fusel, schrie sie etwas in meine Richtung. Die Worte waren über die Musik hinweg zwar nicht zu verstehen, doch Lissy und ich kannten uns quasi von Geburt an und verstanden uns blind.
„Die Aftershow-Party ist wirklich der mega Oberhammer!“, konnte ich von ihren Lippen ablesen und nickte beipflichtend.
„Ja, ich…“, doch weiter kam ich nicht, denn eine Hand hatte mich unvermittelt am Oberarm gepackt und zog mich unsanft durch die Menge, weg von Lissy, die verzweifelt daran scheiterte, mir zu folgen.
Nach den ersten Schreckenssekunden erkannte ich, dass die Hand, die sich wie ein Schraubstock um meinen Arm geschlossen hatte, zu Alex, meinem besten Freund, gehörte.
Ich stemmte mit aller Kraft die Füße in den Boden, um Alex zum Anhalten zu bewegen. Doch er zog mit solcher Gewalt weiter an meinem Arm, dass ich von ihm ein paar Meter über den glatten Boden gezogen wurde, bevor er den Unterschied bemerkte und sich genervt zu mir herumdrehte.
„Hanna, was soll das?“, bellte er so laut, dass ich ihn trotz der beachtlichen Lautstärke verstehen konnte.
„Das erklär du mir mal! Du ziehst mich hier durch den halben Saal, als wäre ich ein davongelaufener Hund!“
Erst sah es so aus, als würde er gleich explodieren, doch er riss sich zusammen und erwiderte in einem versöhnlichen Tonfall: „Wir müssen hier weg, und zwar sofort!“
„Aber warum? Das ist unser fucking Abiball, den du mir gerade verdirbst!“
„Hanna!“, schrie er geradezu verzweifelt, „Verdammt, wir haben für Erklärungen jetzt keine Zeit. Du bist in Gefahr, wenn wir noch länger hier herumstehen und uns streiten! Glaub mir bitte einfach und komm mit.“
Flehend blickte er mich an und in seinen Augen erkannte ich ungläubig einen Funken aufkeimender Angst.
„Also gut. Aber nur, wenn du mir versprichst, dass du mir eine ausführliche Erklärung gibst, sobald wir in Sicherheit sind“, gab ich der Furcht in seinem gehetzten Blick nach.
„Versprochen.“
Diesmal griff er zwar nach meiner Hand, zog mich jedoch genauso eilig wie zuvor weiter in Richtung des großen Eichenportals unseres Stadtschlösschens. Der linke Flügel stand weit offen und lies den lauen Abendwind in das erhitzte altehrwürdige Gebäude. Von draußen hörte man das Summen vieler Gespräche, durchbrochen von gelegentlichem Lachen und untermalt vom ständigen Zirpen der Grillen.
Doch noch während wir uns der dunklen Öffnung näherten, verstummten die Gespräche urplötzlich, nur die Grillen setzten unbeeindruckt ihr Konzert fort.
„Scheiße“, fluchte Alex verhalten, lies mich stehen und hastete zur Tür. Selbstverständlich folgte ich ihm.
Ein halbes Dutzend schwarzer Limousinen, aus denen nach und nach ungefähr viermal so viele schwarzgekleidete Sonnenbrillenträger ausstiegen, war auf dem großen Kiesrondell aufgefahren. Die Neuankömmlinge blickten sich aufmerksam um, wandten sich für einige Momente in Richtung der Eingangstür und verfielen in eine hitzige aber beinahe lautlose Diskussion.
„Scheiße, scheiße, scheiße“, stieß Alex aus und bevor ich fragen konnte, wer diese Typen waren, die scheinbar direkt aus einem James-Bond-Film zu uns kamen, schob er mich von der Tür weg und flüsterte: „Ich hab dir doch gesagt, dass wir Zeit verplempern! Uns bleibt jetzt nur noch eine Möglichkeit: Die Kanalisation.“
„Vergiss es! Da setz ich keinen Fuß rein.“
Ich schaltete bei dieser Ansage sofort auf bockig, verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte Alex durch mein Pony, das inzwischen über meinen Augen hing, weil das Haarspray dem Schweiß des Tages letzten Endes doch nicht standgehalten hatte, finster an.
Er verdrehte nur die Augen und musste sich sichtlich bemühen ruhig zu bleiben, als er einen Schritt zu mir trat, mich an den Schultern packte und mir wütend zuzischte:
„Dir ist es also lieber, wenn die Typen da draußen dich einkassieren und wahrscheinlich nicht nur foltern, sondern auch wer weiß was für Experimente mit dir durchführen?“
Meine Maske fiel von meinem Gesicht ab und ich sah ihn erschrocken an, während mein Gehirn sichtlich damit überfordert war, das Gehörte zu verarbeiten.
„Foltern? Das ist, -, verboten!“, brachte ich stotternd hervor.
„Hanna, das interessiert diese Leute einen Scheiß! Die sehen nicht nur aus wie Agenten aus einem Hollywood-Streifen, die sind auch so ausgebildet und scheren sich einen Dreck um die geltenden Gesetze.
Wenn du jetzt also endlich die Beine in die Hand nehmen und mir folgen würdest, lange werden die nämlich nicht mehr vor der Tür stehen bleiben!“
Plötzlich war es, als hätte sich in meinem Kopf ein Schalter umgelegt. Ich warf einen gehetzten Blick zurück in die Nacht und rannte zur Kellertreppe, die versteckt unter der großen Haupttreppe lag. Alex‘ Angst hatte sich auf mich übertragen.
„Na endlich“, seufzte Alex hinter mir, bevor er dem Klappern meiner Schuhe folgte.
Als ich keuchend den untersten Absatz erreicht hatte, hielt ich kurz inne, um Alex abwartend anzusehen. Dieser legte den Zeigefinger an die Lippen, stieg die letzten beiden Stufen besonders umsichtig herunter und deutete nach oben.
„Sie sind im Schloss, wir müssen jetzt richtig vorsichtig sein. Aber trotzdem ist allerhöchste Eile geboten“, wisperte er direkt an meinem Ohr, „kannst du deine Schuhe ausziehen?“
Ich war zwar nicht sonderlich begeistert von der Vorstellung, barfuß durch die Kanalisation zu flüchten, musste aber einsehen, dass meine Schuhe ein leises Fortbewegen unmöglich machen würden. Also stieg ich aus den beigen Pumps, streifte meine Füßlinge ab und verstaute sie in der kleinen Handtasche, die ich trotz des Gedränges, durch das wir uns gekämpft hatten, glücklicherweise noch immer bei mir trug.
„Fertig? Gut. Nimm die Dinger mit, wir dürfen keine offensichtlichen Spuren hinterlassen.“
Eilig schlichen wir durch die feuchten Gewölbe bis zu einer hölzernen Türe, die schief in den Angeln hing und aussah, als würde sie bei der kleinsten Bewegung ohrenbetäubend laut knarzen.
„Komm hilf mir mal. Wir müssen die Tür wieder in die richtige Position heben, damit wir sie möglichst leise öffnen können.“
„Aber die ist doch bestimmt sauschwer?“
Ein verschlagenes Grinsen schlich sich nach dieser Frage auf Alex‘ Gesicht.
„Erstens ist diese Tür so modrig, dass sie schwerer aussieht, als sie tatsächlich ist. Zweitens habe ich deutlich mehr Muckis, als man vermuten würde. Und drittens arbeitest du schon zeitlebens im Stall deiner Eltern und hast vom Ausmisten und bockige Pferde halten garantiert auch keine schwachen Arme, Süße.“
Gemeinsam gelang es uns tatsächlich ohne größere Anstrengung, die Türe in ihre ursprüngliche Stellung zu heben und mit minimalem Knarzen gerade so weit aufzuzwingen, dass wir hindurchschlüpfen konnten. Alex lies sie daraufhin wieder in die schiefe Position, in der wir sie vorgefunden hatten, rutschen.
Der Raum, in dem wir nun standen, wurde nur durch das vom Gang hereinscheinende Licht etwas erhellt, war kaum größer als eine gewöhnliche Besenkammer und roch nach einer unangenehmen Mischung aus Erde und Wäsche, die nass zu lange auf einem Haufen gelegen hatte, gewürzt mit einer Prise öffentliche Toilette.
„Ich muss deine dünnen Ärmchen leider nochmal in Anspruch nehmen. Die Klappe da ist unser Eingang in die Unterwelt. Ich krieg die zwar auch allein hoch, aber mit deiner Hilfe würde es erstens schneller und zweitens leiser gehen. Wir haben nämlich noch ungefähr eine Minute, bis die netten Herren in schwarz in diesen Gang kommen.“
Ich sah ihn skeptisch an und griff nach einem der beiden rostigen Ringe, die in die mit Eisenbändern verstärkte Klappe eingelassen waren.
„Warum weißt du das eigentlich alles?“, hakte ich neugierig nach, während wir mit vereinten Kräften an der Klappe zogen.
„Was alles?“, keuchte Alex zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und sah mich durch seine tiefschwarzen Haare, die ihm mittlerweile unordentlich ins Gesicht hingen, verwirrt an.
„Jetzt tu doch nicht so. Du kennst dich hier unten bestens aus, obwohl ich diejenige bin, die regelmäßig durch das Schloss streift. Und du kannst, - riechen, oder was weiß ich, wie weit entfernt diese Typen sind. Ganz zu schweigen davon, dass du scheinbar der Einzige bist, der über die Ankunft von denen Bescheid wusste!“
Langsam gab die Klappe nach und schwang knarzend auf.
Alex scheuchte mich hinein, griff nach meinen Schuhen und schloss hinter sich die Klappe wieder über den Schachteingang, bevor er mir eine Antwort gab.
„Ich wurde dafür ausgebildet“, war jedoch alles, was ich von ihm zu hören bekam, denn schon wehten von oben Stimmen herab, die sich darüber stritten, ob wir noch im Kellergewölbe oder doch vorgewarnt gewesen und schon längst über alle Berge seien.
Alex atmete hörbar ein und zog mich energisch von den Metallsprossen, die in die dunkel verfärbte Schachtwand eingelassen waren, weg. Wir folgten einem langen schmalen Gang, der schließlich in einer breiten Röhre endete. Brackiges Wasser floss in einem Kanal, der bestimmt drei Meter in der Breite maß. Zu beiden Seiten führten schmale Stege eine Handbreit über der stinkenden Brühe entlang. In regelmäßigen Abständen baumelten flackernde Glühbirnen von der Decke und schickten schwache Lichtkreise auf die Oberfläche des sich kräuselnden Wassers.
„Krass“, ein vielfaches Echo hallte durch das große, gewölbeartige Bauwerk, was mich dazu veranlasste, meine Stimme umgehend zu einem Flüstern zu senken.
„Wieso ist das hier unten so beeindruckend? Ich hätte gedacht, wir landen in einer engen Betonröhre und müssen durch die Pampe waten, aber das hier ist ja riesig!“
Alex gab ein gluckerndes Lachen von sich und sah mich schmunzelnd an.
„Glaub mir, hätte es die letzten Wochen stark geregnet, dann müssten wir jetzt durch diese Pampe schwimmen.
Die neueren Kanäle sind allerdings tatsächlich aus Beton. Zu der Zeit, als die Kanalisation in unserer Stadt angelegt wurde, gab es den aber einfach noch nicht.
Aber jetzt müssen wir erstmal noch ein Weilchen durch diese Hallen wandern, bevor wir uns ausruhen können.“
Wir liefen fast eine dreiviertel Stunde entlang des seicht dahindümpelnden Gebräus, bogen immer wieder ab und wechselten die Seiten mit Hilfe kleiner Bogenbrücken, die sich über das braune Wasser spannten. Ich hatte schon längst die Orientierung verloren, alles sah im flackernden Dämmerlicht gleich aus.
„Das ist ja das reinste Labyrinth hier unten!
Wie kannst du dich in diesem Wirrwarr aus Gängen und Hallen nur so gut zurechtfinden?“
Ein bitteres Schnauben entwich seiner Kehle und ich wäre beinahe in ihn hineingerannt, weil Alex ruckartig stehen blieb und sich zu mir herumdrehte. Eine Grimasse verzog sein sonst so hübsches Gesicht, als er sich angewidert im unterirdischen Tunnel umsah.
„Du kennst dich oben in der Stadt doch auch gut aus. Weil du dort aufgewachsen bist.“
Ohne ein weiteres Wort lief er zu einer unscheinbaren Stahltür, die sich in eine Nische des Mauerwerks duckte, knackte das Schloss und wies mich an, mich still auf eine der hölzernen Pritschen zu setzen.
„Ich bin gleich zurück, ich muss nur schnell etwas abklären.
Gib mir dein Handy!“
„Mein Handy!?“
„Genau dein Handy! Hier unten hat es keinen Empfang, aber sobald wir wieder an der Oberfläche sind, wird der schwarze Bund dich ohne Probleme orten können. Also ...“
Er streckte auffordernd seine Hand aus und ich legte mein Smartphone widerwillig hinein.
Als die Tür hinter Alex ins Schloss fiel, realisierte ich, dass ich nun vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten war.
In was war ich da nur hineingeraten?
Stunden später, oder vielleicht auch nur wenige Minuten, schreckte ich aus einem unruhigen Schlaf hoch. Panisch sah ich mich um. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wie ich in diesen heruntergekommenen Raum voller Pritschen und Kleiderständer gekommen war. Doch dann vernahm ich erneut ein Geräusch hinter der Stahltür und schlagartig kehrte die Erinnerung zurück. Alex hatte mich von meinem Abiball regelrecht verschleppt und in dieser ungemütlichen Umkleide eingesperrt, die ursprünglich wahrscheinlich für die Kanalarbeiter eingerichtet worden war. Hoffentlich war das hinter der Tür auch Alex, sonst saß ich heftig in der Scheiße!
Leise rutschte ich von der Pritsche, strich mein ehemals makelloses schwarz-beiges Kleid glatt und schlich zu Tür, um ein Ohr an den dünnen Spalt zu pressen.
„... ganz sicher sein, bevor wir irgendetwas unternehmen“, wisperte eine tiefe Stimme, die an das Knurren einer Bulldogge erinnerte, vor der Tür.
„Wenn sie’s is‘, dann sitzt die jetz‘ grad sowieso wie `ne Ratte in der Falle. Hehehe“, erwiderte eine deutlich höhere Stimme gackernd.
„Soll’n wir dem Chef Bescheid sag’n?“
„HEY!“, ging nun eine dritte Person dazwischen, deren Stimme ich sofort als Alex‘ erkannte, „Was macht ihr Flachpfeifen denn hier?“
„Ach nee, das kleine Wächterbalg. Hab’n wir dich wohl doch nich‘ versenkt, hä?“, fragte der Gackernde lauernd.
Alex lachte freudlos.
„Ganz offensichtlich ja wohl nicht. Es war dumm von euch, hierher zu kommen. Das ist mein Revier!“
„Keine Sorge, Kleiner. Wir sind nicht hier für Revierspielchen“, mischte sich nun auch die Bulldogge wieder ein, „wir sind lediglich hier, um deine süße Dryca zu holen.
Wenn du nun so freundlich wärst, uns diesen Raum zu öffnen.“
„Haha, ja sicher.“
Die dumpfen Aufschläge und unterdrückten Schreie, die darauf folgten, ließen mich aufkeuchend zurückweichen.
Scheiße, was trieben die da draußen denn?
Etwas prallte mit Schwung gegen die Tür und rutschte daran zu Boden. Kurz darauf hörte ich das leise Klicken des Schlosses und drückte mich in die hinterste Ecke des Raumes.
„Hanna? Bist du OK?“, Alex steckte seinen Kopf durch die Tür und sah sich aufmerksam im Raum um.
„Alex! Was ist passiert?“
„Nicht jetzt, Hanna. Hilf mir, die Typen in den Raum zu ziehen und dann müssen wir schleunigst hier weg.
Sie sind schon viel weiter gekommen, als ich gedacht hätte.“
Er schnappte den ersten der beiden Schwarzgekleideten, der mit der Tür in den Raum gefallen war, unter den Achseln und zog ihn zu der Holzpritsche, auf der ich vor Kurzem noch gelegen hatte.
„Willst du mir jetzt vielleicht mal verraten, was das Ganze hier soll? Du hast gerade zwei Männer zusammengeschlagen!“
„Später, Hanna, später. Jetzt müssen wir hier raus!
Hast du dein Zeug?“
Ich nickte und half ihm, den zweiten Mann in die Umkleide zu schieben.
Wieder packte Alex mich am Handgelenk und scheuchte mich weiter durch die Kanalisation. Eine weitere verschlossene Metalltür später hielten wir vor einem Gitter an.
„Es tut mir echt leid, aber wir müssen durch den Kanal waten. Nur so können wir ihre Spürnasen abhängen.“
Er machte sich an den verschweißten Stäben zu schaffen, bemerkte jedoch meinen angewiderten Gesichtsausdruck, als er sich kurz umwandte.
„Jetzt guck nicht so, das ist ein Frischwasser-Kanal. Frischwasser, hörst du?“, er grinste selbstgefällig, „Oder glaubst du tatsächlich, dass ich freiwillig in Scheiße bade?“
Wir folgten halb watend, halb schwimmend dem Kanal bis zu einer kleinen Treppe, die uns in einen engen Gang brachte, durch den wir uns nur auf allen Vieren kriechend fortbewegen konnten. Nach einigen hundert Metern weitete sich dieser und mündete in einem weiteren Gewölbesystem.
„Herzlich Willkommen in den Katakomben deiner Stadt, Hanna!“
Er nahm mich an den Händen und wirbelte mich einmal im Kreis herum.
Wir standen unter einer gemauerten Kuppel, von der unzählige Gänge in alle Himmelsrichtungen führten.
„Die Katakomben? Lagern da nicht die ganzen Leichen?“
Sein Lachen wurde vielfach von den Wänden zurückgeworfen.
„So ähnlich. Zu Pestzeiten haben sie hier die Leichen hingebracht, wenn die Friedhöfe keinen Platz mehr hatten. Aber das war früher. Jetzt leben wir hier.“
„Wir? Ich will ganz sicher nicht hier unten leben!“, angewidert sah ich mich um. Feuchte Wände und kein Sonnenlicht, wie konnte man hier unten leben?
„Ich meinte eigentlich uns Wächter. Aber du musst auch erstmal mit diesen Räumlichkeiten vorliebnehmen, bis wir eine geeignete Lösung gefunden haben. Komm.“
Und wieder einmal zog er mich am Handgelenk in den Gang schräg links zum Ausgang der Kanalisation. Entschlossen riss ich mich los und pfefferte ihm meine Schuhe entgegen, die ich noch immer in der Hand hielt.
„Hey, was soll das?“, fauchte er entgeistert, als ein Absatz sich beinahe in seinen Oberschenkel bohrte.
„Du erklärst mir jetzt sofort, was hier los ist! Sofort.
Ich hab‘ nämlich keine Lust mehr. Du zerrst mich hier ungefragt durch die Unterwelt, schlägst irgendwelche Typen zusammen, die angeblich hinter mir her sind, behauptest, du würdest hier unten wohnen und erwartest von mir, dass ich das alles einfach so widerstandslos akzeptiere?
Verdammt, Alex, rede mit mir!“
„Meine Güte, Hanna, jetzt chill doch mal!“, genervt verdrehte er die Augen, wandte mir jedoch endlich seine volle Aufmerksamkeit zu.
„Ich kann ja verstehen, dass du keine Lust mehr hast, aber du musst dich echt nurnoch kurz gedulden. Wirklich.“
Auf mein ungläubiges Schnauben fügte er noch „versprochen, maaan“ hinzu.
„Na gut. Aber wehe dir, du laberst Scheiße.“
Widerwillig setzte ich mich doch wieder in Bewegung und stapfte Alex missmutig hinterher.
Nach einem weiteren schummrig feuchten Tunnel mit vielen dunklen Abzweigungen ertönte in der Ferne immer lauter werdendes Rauschen und Quietschen.
„Was zum Henker ist das jetzt schon wieder?“
„Die U-Bahn, was sonst?“, unbeirrt trabte er weiter.
„U-Bahn, dein Ernst? – Wir laufen in die U-Bahn-Schächte?“
„Alter, natürlich nicht. Der Tunnel ist seit Jahrzehnten stillgelegt und längst zugemauert. Komm jetzt, du wirst schon noch verstehen.“
„Alles klar, du hast eindeutig nicht mehr alle Tassen im Schrank.“
Sein Lachen begleitete uns, bis wir vor einer in die Wände eingelassenen zweiflügligen Stahltür stehen blieben.
Klopfklopf – klopf – klopf – klopfklopfklopf – klopf
Auf Alex‘ Klopfzeichen hin glitten die beiden Flügel lautlos auseinander, dahinter wurde eine großzügige und moderne Eingangshalle, ähnlich der eines Hotels, sichtbar.
„Was zum - ?“
Sicherlich fielen mir beinahe die Augen aus dem Kopf, als ich mich in diesem ehemaligen U-Bahn-Tunnel umsah.
Auf schwarzem Marmorboden standen um kleine Tische herum gruppiert und durch dunkle Paravents voneinander abgeschirmt weiße Ledermöbel. Erhellt wurde die gesamte Halle von riesigen Kristalllüstern, die an langen Ketten von der gewölbten Decke herabhingen. Wenige Schritte von der schweren Türe entfernt, erwartete uns ein uniformierter Herr mit Spitzbart und steifem Zylinder hinter einem ausladend geschwungenen Empfangstresen.
„Tja. Unser Hauptquartier.“
Mit dem breitesten Grinsen, das ich je an Alex gesehen hatte, schob er mich auf den freundlich lächelnden Angestellten zu.
„Moin Albert, wie geht’s?“
Alberts steife Haltung lockerte sich sichtlich, als er Alex erkannte, und sich für ein Gespräch auf dem Tresen abstützte.
„Ach ja, man kann nicht klagen. Oder – darf nicht.“
Ein trauriges Grinsen schlich für einen Moment über sein Gesicht, bevor es wieder von einem ernst seriösen Ausdruck abgelöst wurde.
„Wer ist deine Begleitung? Ich hab‘ sie hier unten noch nie gesehen, bist du sicher, dass sie hier sein sollte?“
„Keine Sorge“, Alex legte seinen Arm um meine Schultern, was mich unweigerlich dicht an seine Seite beförderte, „Sie ist meine Lebensaufgabe. Aber wenn ich nicht aufpasse, werde ich wohl nicht mehr viel von dieser Aufgabe haben.
Wenn du also die Güte hättest, mir meine Schlüssel auszuhändigen?“
Zwinkernd zog der Portier einen silbernen Ring mit drei kleinen Schlüsseln aus einem Schrank in seinem Rücken und reichte ihn Alex.
Flüsternd fügte er hinzu: „Sie verlangt nach Antworten, wie?“
Alex Wohnung befand sich im 5. Stock, zumindest hatte das die leuchtende Anzeige im winzigen Aufzug behauptet, was auch immer das bedeuten mochte, wenn man sich einige Meter unter der Erdoberfläche befand.
Die Einrichtung war im Gegensatz zur ausschweifenden Eingangshalle einfach gehalten, beinahe minimalistisch.
Ich war vorsichtig in das fremde Reich vorgedrungen und bemerkte erst nach einigen Schritten, dass Alex noch immer neben der offenen Türe stand und von einem Fuß auf den anderen trat.
„Verzeih bitte die Unordnung, ich bin normalerweise der Einzige, der sich hier zurecht finden muss und heute musste es irgendwie schnell gehen.“
„Darf ich mich setzen?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, lies ich mich auf das schmale Bett fallen.
Es war seltsam, Alex so nervös und sprachlos zu erleben, normalerweise war er derjenige, der mit großem Wirbel in mein Chaos einfiel und sich zu meinem Klamottenhaufen auf’s Sofa begab. Doch nun kam er nur zögerlich zu mir und schien das erste Mal um Worte verlegen.
„Was ist los, hat’s dir die Sprache verschlagen?“
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, sah ihn aber gleich darauf wieder so vorwurfsvoll an, wie es mir grinsend möglich war.
„Du schuldest mir Antworten, also reiß dich zusammen, setz dich hier hin und fang an zu erklären.“
„Wo soll ich anfangen?“
Er saß zusammengesunken da und rieb sich immer wieder mit der flachen Hand über’s Gesicht.
„Auf alles bereiten sie einen vor, nur sowas lassen sie natürlich außen vor.“
„Wer ist sie?“
„Sie? Oh – natürlich. Unsere Trainer, also eigentlich der Bund der Wächter.“
„Bund der Wächter? Warte – hat dich nicht einer dieser widerlichen Typen in der Kanalisation ein Wächterbalg genannt?“
„Genau. Ich bin ein Wächter. Dein Wächter, um genau zu sein. Wir werden geboren, um euch zu beschützen und unser ganzes Leben darauf vorbereitet, solang, bis ihr uns braucht.“
„Du redest völligen Stuss! Wer bin denn dann ich, beziehungsweise wer sind wir, dass wir einen lebenslangen Beschützer brauchen? Das macht einfach gar keinen Sinn.“
„Ich weiß nicht, ob ich der Beste bin, um dir das alles zu erklären. Aber Albert wird dem Rat sowieso schon Bescheid gegeben haben, dass ich dich hierher gebracht hab. Es wird also noch irgendeine Versammlung geben.
Es ist uns nämlich strikt untersagt, Dryci in die Zentrale zu bringen, solange diese nicht in akuter Lebensgefahr schweben.“
„Ein Dryi, ist es das, was ich bin?“
„Ja. Eine Dryca, um genauer zu sein.“
Verwirrt sah ich ihn an. Ich konnte nicht das Geringste mit diesem Begriff anfangen, wenn man davon absah, dass er ebenfalls kurz vor Alex‘ Kampf mit den beiden Typen gefallen war.
„Und was zum Henker soll das sein?“
„Du bist ein Wandler. Sobald deine wahre Seele in dir erwacht, wirst du in der Lage sein, dich in einen Drachen zu verwandeln.“
„Einen Drachen. Ja sicher, Märchen kann ich mir selber erzählen!“
„Nein Mann, Hanna! Das ist die beschissene Wahrheit.“
Er sprang auf und lief immer wieder die sieben Schritte zwischen Wand und Tür hin und her.
„Du bist ein Drache, ebenso wie ich eine Schlange bin und die Typen, die uns in der Kanalisation gejagt haben, Hunde.“
Lachend ließ ich mich zurückfallen. Er war verrückt geworden, eindeutig verrückt. Immerhin wusste ich jetzt, warum ich ihn in all den Jahren nie hatte besuchen dürfen. Ein vergrabenes Hochhaus, eine Sensation, wenn das ein unbedarftes Kind, der Presse erzählt hätte!
„Du bist durchgedreht. nicht genug, dass du mich von meinem Abiball durch die Kanalisation in ein unterirdisches Nobelgebäude schleifst, nein, jetzt willst du mir auch noch verklickern, dass ich ein Drache bin.
Mensch Alex, das ist die Realität. RE-A-LI-TÄT. Kein abgedrehter Fantasyroman.
Hast du hier wenigstens ein Glas Wasser für mi-„
Wächtersohn Alexander, bitte melden.
Eine blecherne Stimme unterbrach meine Frage.
„Ich wusste es doch“, murmelte Alex und rannte regelrecht zu einem unscheinbaren Kästchen neben der Zimmertüre.
Er drückte auf einen kleinen roten Knopf und sagte „Hört“ zu dem Ding.
Ausgezeichnet.
Wächtersohn Alexander, deine und die Anwesenheit deiner Dryca wird in 5 Minuten in Versammlungsraum 3 erwartet. Bitte bestätigen.
Diesmal lautete seine Antwort:
„Verstanden, wir machen uns sofort auf den Weg.“
Zu mir gewandt fügte er noch ein, „Komm mit, jetzt werden die dir das denk ich alles erklären.“ hinzu.
Die geraunten Gespräche der Anzugträger verstummten, sobald Alex und ich Versammlungsraum 3 betraten. 14 Augenpaare starrten uns an, als hätten wir ein abscheuliches Verbrechen begangen. Am Kopf der schweren eichenen Tafel erhob sich einer der Anzugträger mit wirren grauen Haaren und deutete auf die einzigen beiden freien Stühle am ihm gegenüberliegenden Ende.
„Bitte setzt euch. Es gibt Einiges, was es mit euch zu besprechen gilt.“
Nachdem wir seiner Aufforderung nachgekommen waren, wandte er sich ohne Umschweifen an Alex, ohne mich auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen. Selbst wenn er über mich sprach, schien er dabei stets nur meinen Freund zu adressieren.
„Wächtersohn Alexander, gehe ich recht in der Annahme, dass dies die Dryca Hanna Weißenstein ist?“
„Jawohl.“
„Und gehe ich ebenfalls recht in der Annahme, dass du sie nicht ohne triftigen Grund in die Zentrale gebracht hast?“
„Jawohl.“
„Schildere die Ereignisse.“
Alex erzählte, dass er auf den „Feierlichkeiten, zum Anlass unseres bestandenen Abitures“ plötzlich die Anwesenheit von Schergen des schwarzen Bundes wahrgenommen und dementsprechend versucht hatte, mich aus der Gefahrenzone zu bringen. Er schilderte detailgetreu unsere Flucht durch die Kanalisation, benannte dabei Abzweigungen und Wege, die sich teilweise mit den mir bekannten Straßennamen deckten. Nun erfuhr ich auch, dass seine Abwesenheit kaum 10 Minuten gedauert und lediglich dem Zweck gedient hatte, unsere Handys mithilfe eines Rohrpostsystems in die Zentrale zu schicken.
Als er mit seinen Erzählungen geendet hatte, nickten die meisten der anwesenden Herren und Damen zustimmend, einige schenkten ihm sogar ein wohlwollendes Lächeln.
„Du hast richtig gehandelt, der Schutz der Dryci hat oberste Priorität. Ein Team der Abteilung Beseitigung und Säuberung wird sich selbstverständlich umgehend einer rückstandslosen Säuberung der Kanäle widmen. Meier, würden Sie das bitte veranlassen?“
Ein Junge mit blonden Dreadlocks sprang auf und eilte zur Tür.
„Gut, damit hätten wir das abgehakt“, fuhr der Vorsitzende unbeirrt fort, „Ich gehe davon aus, dass sie noch nichts weiß?“
„Nicht wirklich. Ich habe versucht, ihr die Dinge zu erklären, als man uns hierher rief.“
„Nun gut, dann werden wir das auf der Stelle nachholen.
Hanna,“ das erste Mal wandte er sich mir direkt zu und auch die restlichen Anwesenden verlagerten nun ihre Aufmerksamkeit von Alex auf mich.
„Du bist eine Dryca.“
Das war genug. Was glaubte dieser Haufen von geschniegelten Typen mit Stock im Arsch eigentlich, wer sie waren?
Konnte hier nicht mal nur einer Klartext reden?
„Ja danke, das hat Alex auch schon gesagt. Super, echt!“ Fuhr ich den alten mit seiner Wuschelfrisur an.
„Aber vielleicht erklärt mir mal einfach irgendwer, was die ganze Scheiße hier soll? Versprechungen und leere Worte hier und da. Was bringt mir das?
Alex entführt mich von meinem kack Abiball, irgendwelche schmierige James-Bond-Verschnitte jagen uns durch die Kanalisation und dann ende ich hier, in einem unterirdischen Geheimversteck von irgendwelchen Bekloppten, und alle wollen sie mir weißmachen, dass ich mich in einen Drachen verwandeln kann. Ihr habt sie doch nicht mehr alle!“
Entschlossen stand ich von meinem unbequemen Holzstuhl auf und sah Alex auffordernd an.
„Bring mich nach Hause, sofort!“
„Das geht nicht, nicht jetzt,“ meldete sich der Vorsitzende wieder zu Wort, „Bitte setz dich wieder. Es ist verständlich, dass dir das alles weit an den Haaren herbeigezogen erscheint. Normalerweise hätten wir deine Eingliederung wesentlich anders gestaltet, doch die aktuellen Ereignisse zwingen uns zu einer überstürzten Handlungsweise.“
Widerwillig stellte ich mich hinter meinen Stuhl. Mir ging es gegen den Strich, mich darauf zu setzen und mich somit wieder ihrer Wortklauberei auszusetzen.
Eine ältere Frau mit streng zurückgekämmten Haaren stieß hörbar die Luft aus, bevor sie sich zu Wort meldete.
„Vielleicht würde es ihr helfen, wenn wir ihr Beweise lieferten, dass es Wandler gibt?“
„Eine Ausgezeichnete Idee, Griselda! Würdest du dich als Freiwillige melden? Soweit ich informiert bin, ist Alexander noch nicht in der Lage, die Wandlung kontrolliert einzuleiten?“
Mit einem Nicken bestätigte Alex die Annahme des Vorsitzenden. Griselda erhob sich, wobei sie ihr graues Tweed-Kostüm glattstrich und entfernte sich einige Schritte von der Tafel.
Die Luft um sie herum schien sich zu verziehen und einen Augenschlag später schlängelte sich an Griseldas Stelle eine große Kreuzotter auf dem Boden. Nur wenige Sekunden später nahm Griselda ihren Platz an der Tafel wieder ein, als wäre nichts geschehen.
„Wie -?“
Mir schwirrte der Kopf.
„Okay, -, sagen wir das mit den Gestaltwandlern ist kein Humbug. Wieso bin ich ein Drache, und ihr Schlangen?
Und was bedeutet der ganze Scheiß jetzt?“
„Du gehörst zu einer der beiden hohen Wandlerklassen, die in unseren Breiten existieren,“ ergriff Griselda erneut das Wort.
„Das sind die Klasse der Drachen und die der Wölfe. Ihnen unterstellt sind die niederen Klassen, Schlangen und Hunde. Die Unterteilung in höhere und niedere Klassen entstand vor vielen Jahrhunderten und viele die selbst das Glück hatten, einer hohen Klasse anzugehören, nahmen das als Rechtfertigung, um sich die Angehörigen der niederen Klassen zu unterwerfen. Doch eigentlich ist es eine Symbiose. Du wirst die Systeme des Wandelns noch früh genug lernen müssen, es bringt nichts, dir jetzt das alles in wenigen Sätzen erklären zu wollen.
Nur eines ist wichtig:
Ebenso etabliert, wie das Klassensystem ist der Hass der Wölfe auf die Drachen. Sie neiden Einfluss und Wissen, das sich die Drachen über die Jahrhunderte zusammengetragen haben. Aus diesem Grund versuchen sie jedes Jahr erneut, die jungen Drachen zu entführen, bevor deren wahre Seele erwacht. Allzu oft haben sie damit bedauerlicherweise Erfolg.“
„Jaja,“ unterbrach der Vorsitzende sie wirsch, aber das müssen wir jetzt ja nicht diskutieren. Es ist schlimm genug.
Und Hanna gehört nicht zu denen, die sie erwischen konnten, dank Wächtersohn Alexander.
Um jedoch die Wahrscheinlichkeit eines solchen Zwischenfalls zu verringern wirst du deine weitere Edukation wie jeder Dryci in unserer Institution antreten.“
„Was soll das heißen?“
Der Vorsitzende stand auf, zog eine edle Pappmappe aus einem Sideboard und brachte sie mir.
„Die Schule der Drachen. Sie befindet sich an einem verborgenen Ort. Ihr werdet übermorgen dorthin gebracht.“
„Bitte was? Und was ist mit Papa, Nina und Lissy?“
„Dein Vater weiß selbstverständlich Bescheid, wir haben ihn bereits informiert. Du wirst morgen Gelegenheit erhalten, dein Eigentum zu packen und dich von ihm und deiner Schwester zu verabschieden. Ihr werdet euch wiedersehen, keine Sorge. Sobald du erst einmal die Grundausbildung hinter dich gebracht hast, können wir Heimatbesuche verantworten.“
„Mein Vater weiß Bescheid?“
Ich sah den Vorsitzenden entgeistert an und knibbelte an einer der Einlagen der anthrazitfarbenen Pappmappe herum.
„Selbstredend. Deine Mutter hat ihn informiert, worauf er sich einlässt. Bedauerlich, dass sie den Kampf um den Drachenfels nicht überlebt hat.“
„Kampf um den – Papa hat uns erzählt, dass sie beim Klettern verunglückt ist!“
„Wir hielten es für das Beste, wenn ihr beiden möglichst wenig wisst. Auch deine Schwester ist eine Dryca, es hätte euch unnötig gefährdet, wenn ihr in der Schule aus Versehen etwas erzählt hättet.“
„Meine Schwester ist auch -? Wie wollt ihr sicherstellen, dass diese Typen ihr nicht auch nachstellen?“, schrie ich ihn beinahe an. Wie konnten sie zulassen, dass meiner Schwester etwas geschehen könnte?
„In ihrer Nähe ist ebenfalls ein Kind der Wächter. Und wir haben die Sicherheitsstufe eurer Familie um ein Vielfaches erhöht. Sollte sich herausstellen, dass dies nicht ausreichend ist, wird sie frühzeitig auf die Schule der Drachen wechseln, auch wenn euer Vater wünschte, dass ihr eure schulische Ausbildung möglichst gewöhnlich absolviert.
Ihr wird nichts passieren, versprochen.“
Seine Worte beruhigten mich kaum, doch was er im Anschluss sagte verwirrte mich so sehr, dass ich die Sorge um Nina beinahe vergaß.
„Ich gehe davon aus, dass diese Lissy, die du vorhin erwähnt hast mit vollem Namen Elisabeth Hein heißt?“
„Äh ja, aber -?“
„Es ist dir untersagt, jegliche Art des Kontakts zu ihr aufrecht zu erhalten, geschweige denn, sie zu besuchen oder ihr deinen zukünftigen Aufenthaltsort mitzuteilen.
Die Sitzung ist beendet.“